Hamelika 1997 èíslo 03 - nìmecky

Jahrgang XXI. (1997)
Nummer 265.

3.

Mariánské Láznì
den 23. März 1997
INHALT
 

Hotel Casino ?

VIKTOR PETZOLDT'S ERINNERUNGEN AN 40. JÄHRIGE HOTELTÄTIGKEIT
 l Meine Kindheit l In der Schweiz l In Mentone in Frankreich l In England l Beim Sir Walter Hughes
 
l Unerwartete Gäste in Marienbad l Erstes Tennis
 
l Vizekönig Ismail Pascha im Hotel l Nach Paris
 
l In Liebe entflammt l In Ägypten
 
l Ich hatte Typhus l Ein kleiner Sudanese l Schiesserei beim Wirt
 
l Problem mit meinem Paß l Meine Seereise nach Triest
 
l Wieder in Marienbad l Beim Herrn Sendig in Dresden
 
l Der Nuntius von Wien in Marienbad l Meine Verlobung in Marienbad
 
l Heirat und unsere Lebensperiode in Budweis l Auf der Spitze zwei Geschäfte
 
l Unser königlicher Gast - Ferdinand von Bulgarien l Amtsschimmel
 
l Könige Eduard und Ferdinand l Hoftitel vom Fürst l Amerikaner in Casino l Ein Gast mit zwei Zimmern
 
l Belgische Prinzessin - Fürstin Lonyay in Marienbad l Unerwartete Überraschung
 
l Neue Gäste l Spezial Eis Tutti Frutti l Ein Besuch Grafes Zuboff l Im Theater
 
l Johann Strauss - der Walzerkönig im Hotel Casino
 
l Anton Rubinstein - König der Pianisten l Rubinstein und Haus Sanssouci (M.Zickler) l Piano Bösendorfer ? (R.Švandrlík)
 
l Otto's Maschine l Scheck von Lord Lonsdale l Sohn des Generals Dinklage
 
l Prager Baronin l Ein hiesiger Erfinder l Ein englischer Major l Eine falsche Amerikanerin
 
l Mein Freund aus der Jugendszeit nach 30 Jahren l Ein Petersburger im Hotel
 
l Alfred Nobels Abschied l Der Bräutigam aus Hamburg l Alfred Grünfeld l In der Kriegszeit 1914-1918
 
l Verkauf des Hotels CASINO l Wieder im Hotelbetrieb - in Karlsbad
 
l Aus Karlsbader Hotel Savoy l Wie ich zu dem Segen vom Papst gekommen bin
 
l Meine Tätigkeit in Marienbader Dampfwäscherei

Ing. Richard Švandrlík:
Auszug aus Marienbader Grundbuch

1000. Todestag des hl. Adalberts

150 Jahre Thomas Alva Edison

Das Familiengrab Petzolds

Nikolaj Semjonoviè Leskov

 

Hotel Casino ?

      l Das heutige Gebäude CASINO nannte sich bis 1945 KURSAAL. Es war ein Zentrum der Kultur in Marienbad. Unter dem Namen CASINO stand ein ganz anderes Gebäude - ein Hotel mit des Hausnummers 121 in der heutigen Russischen Straße. Nach dem Zweiten Weltkrieg, fast 50 Jahre lang, diente dieses Haus als Poliklinik des Tschechoslowakischen Forschungsinstitutes für Balneologie.
      l Dieses Gebäude ist mehr als 120 Jahre alt und wurde zweimal erbaut. Im Jahre 1873 hat eine Österreichische Baugesellschaft am Waldrand des Marienbader Tales eine Kurpension im prachtvollen Baustill erbaut Sein Architekt, Ritter von Förster, wurde schon durch Bauten von Theater, Musikhallen und Hotels berühmt. Der Marienbader Baumeister Johann König hat die neue Pension nach den Plänen dieses Ritters erbaut. Aber kurz nach der Fertigstellung, den 21. September 1875, wurde dieses Gebäude durch einen Brand vernichtet.
      l Die Österreichische Baugesellschaft hat nicht darauf verzichtet und hat dieses Gebäude nach alten Plänen wieder erbaut, also zum zweitenmal. Im Jahre 1876 wurde der zweite Bau beendet und im Jahre 1877 hat dieses Haus ein Leipziger, Christian Viktor Petzoldt, gekauft. Er hat es HOTEL CASINO genannt.
      l Sein Sohn Viktor Petzoldt hat später von seinem Vater das Hotel CASINO übernommen. und später, im Alter von 75 Jahren (1938), seine Erinnerungen an verschiedene Hotelgeschichtchen und bekannte Gäste geschrieben.

Hotel CASINO im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts - Bildniss vom X.A.V.E. Singer Leipzig

 


Viktor Petzoldt's
Erinnerungen an 40-jährige Hoteltätigkeit


      VIKTOR PETZOLDT, Besitzer des Hotels CASINO, Marienbad Nr. 121, geboren 20. September 1862 in Leipzig, Sohn des Christian Viktor Petzoldt aus Altenburg und der Therese, geb. Nelböck, aus Salzburg. Verheiratet mit Maria, geb. Stöhr, aus Wien.

Meine Kindheit

     
l In Leipzig am 20. September 1862 geboren und mit der Nottaufe versehen, ist aus meinen Kinderjahren, die ich unter der treuen Obhut der Eltern verlebte, wenig zu berichten. Durch eine langwierige Augenkrankheit, die vom 4. bis zum 14. Lebensjahr andauerte, wurde mein Schulbesuch stark beeinträchtigt, so daß mich mein Vater, nachdem ich bis zur dritten Realschulklasse gelangt war, auf Anraten des Schuldirektors aus der Schule nahm. Meine Augen wurden später wieder gesund.

In der Schweiz

      l Nachdem mein Vater im Jahre 1877 das Hotel Casino erworben hatte und nach Marienbad übergesiedelt war, bestimmte er mich für das Wirtsfach. Auf Anraten seines Schwagers Kühn in Heidelberg schickte er mich zunächst als Volontär in die französische Schweiz, und zwar nach Vevey in das Hotel "TROIS COURONNES". Mit 15 Jahren reiste ich Anfang September 1877 nach dort und verblieb zwei Jahre in dieser Stellung.

In Mentone in Frankreich

      l Im Sommer 1879 arbeitete ich bei meinem Vater im Hotel CASINO in Marienbad und ging im Herbst nach Südfrankreich - nach Mentone in das Hotel "D´lle Britannik".
      l Mein Schlafkamerad war ein junger Balte, ein Junge wie Milch und Blut - kein Flaum im Gesicht. Eines Tage hatte er Ausgang, kam aber bald zurück mit der Nachricht, daß am Abend ein großer Maskenball sei. Es war Fasching. "Du," sagte er, "hast du Lust, mit mir heute abend dahin zu gehen ? Ich besorge für uns zwei Masken!" Abends kam er tatsächlich mit zwei Kostümen an - Spanier und Spanierin. "Ich ziehe die Spanierin an, ich war schon beim Friseur," und auf mich zeigend: "Du den Spanier." Er sah wirklich zum Anbeißen aus, und niemand konnte ihn für einen Mann halten. Also, wir zogen los, und im Nu meine Spanierin verschwunden. Ich gab es bald auf, sie zu suchen und amüsierte mich auf meine Art.
      l So war es langsam 2 Uhr früh geworden, und von meiner Spanierin war immer noch nichts zu sehen. Ich stöberte alle Winkel durch und fand sie schließlich in einer dunklen Ecke auf dem Schoß eines Herrn sitzend, der sie mit Champagner und Bonbons fütterte. Ich konnte nicht an mich halten und musste laut lachen. Da vergaß sie sich wohl und brüllte: "Raus!", so daß der Herr an der Stimme merken musste, daß er an eine falsche Maske sein Geld verschwendet hatte. Kurz, in wenigen Sekunden war die Spanierin bei mir und zog mich fort, - nur schnell! - und draußen waren wir. - "Wir gehen aber nicht nach Hause!", dabei zeigte er mir einen 50-Francs-Schein. - "Woher hast du denn das viele Geld ?" frug ich erstaunt, denn 50 Francs waren dazumal für uns ein Vermögen. - "Das ist es ja, weshalb wir Hals über Kopf fort mussten. Ich hatte dem Herrn vorgelogen, daß ich einen neuen Mantel benötige und er war so splendid und gab mir das Geld. Nun muss ich fürchten, daß er es mir wieder abnimmt!" - In einer Brauserie tranken wir auf das Wohl dieses edlen Spenders eine gute Flasche Wein.
      l Im nächsten Jahr war ich in Cannes im Hotel "Des Englaises" und wurde in diesem Jahr auch als Genfer Mitglied aufgenommen. In den Sommermonaten war ich wieder in Marienbad tätig.

In England

      l Im Herbst 1881 fuhr ich nach England, um die englische Sprache zu erlernen. Ich bewarb mich zunächst um eine Dienerstellung und war zuerst in einer Pension für angehende Schauspieler tätig. Nach kurzer Zeit verließ ich aber diesen Posten, da mir zu viel Theater gemacht wurde. Ich wohnte dann im Genfer Clubhaus.
      l Eines Tages erfuhr ich dort, daß mehrere Stuarts für einen Weltreisedampfer gesucht wurden. Ich war damals 19 Jahre alt und wollte die Zustimmung meine Eltern für diese Reise mithaben. Ich schrieb, die Antwort kam sofort: "Untersteh´ dich!"
Ich dummes Schaf hätte gar nicht fragen, sondern einfach mitfahren sollen. Meine sämtlichen Kollegen waren engagiert worden, und das Schiff AUSTRALIA kam nach sechs Monaten wohlbehalten von der Weltreise zurück.
      l Die nächste Stellung bekam ich bei einem Richter. Auch hier blieb ich nicht lange. Ich bekam wunde Füsse, so daß ich auf Anraten des Arztes diesen Posten wieder verließ.

Beim Sir Walter Hughes

      l Nach achttägiger Ruhepause fand ich eines Tages eine Annonce in der Times "Footman wanted - Sir Walter Hughes, Forchester Street 48. "Ich machte mich sofort auf, um mich vorzustel- len. Ein großes schloßartiges Gebäude vor mir, bekam ich es mit der Angst zu tun und ging, ohne mich vorzustellen, wieder nach Hause. - "Blödsinniger Kerl!", sagte ich mir, "marsch umdrehen!" Und so stand ich wieder vor dem Schloß.
      l Mein Empfang durch den Buttler war nicht sehr ermutigend: "Na, von deiner Sorte waren heute ungefähr schon ein Dutzend hier!" Ich ließ mich jedoch nicht irre machen und bat mich anzumelden. Eine alte ehrwürdige Dame empfing mich und frug nach meiner Heimat: "Wie lange sind Sie in England ?", und ich erwiderte: "Ungefähr vier Monate," - ziemlich befangen, da ich kaum der englische Sprache mächtig war. "Sprachen Sie vorher schon englisch ?" - "No." -"Wie kommt es", so frug sie nun, "daß sie kaum vier Monate im Land sind und schon leidlich englisch sprechen können ?" - Nun wurde ich dreister und sagte: "Wenn ich nicht englisch spräche, könnte ich Ihre Fragen nicht beantworten." Mit einem Lächeln frug sie mich nun, in welchem Haus ich vorher war. Nun wurde es brenzlig, aber freiweg erklärte ich ihr, daß ich bei einem Richter war. "Cat," sagte sie, "ich werde mich dort nach ihrem Charakter erkundigen." Damit war ich entlassen. Adieu Partie, so dachte ich beim Nachhause gehen.
      l Am nächsten Tag, ich lag noch im Bett, kam eine Eilkarte mit dem Wortlaut: "Ihr Charakter ist gut. Sie können sofort antreten." So schnell war ich noch selten aus dem Bett heraus.
      l Diese Stellung hat mich nie gereut. Drei Personen Herrschaft und zahlreiche Dienerschaften. Ich musste zunächst servieren und war unter drei Dienern auserkoren, bei Ausfahrten auf dem Kutschbock mitzufahren.
      l Im Sommer ging es auf´s Land - ein Sommerhaus "Brookland" genannt, in der Nähe von Southampton. Die Herrschaft besass eine Segeljacht AUSTRALIA, ein 40-Tonnen-Schiff. Ich erwähne das alles, da für mich eine ziemliche Änderung meiner Stellung damit verbunden war. Wenn das Schiff im eigenen Hafen einlief, zählte die Dienerschft über 30 Personen.
      l Eines Tages feierte der Kapitän mit unserem Buttler irgendeine Feier und sie betranken sich derartig, daß sie in Streit gerieten und sich so mit Messern bearbeiteten, daß beide ins Spital gebracht werden mussten.
      l Englische Dienerschaft ist eine eigentümliche Sorte: Faul, Männer und Frauen sehr trinksüchtig und unzuverläßig, so daß mich Sir Walter Hughes immer mehr bevorzugte. Diese Bevorzugung brachte mir viel Feindschaft ein.
      l Einige Tage nach dieser Messerstecherei - es bestand keine Aussicht, daß der Buttler, der ziemlich zugerichtet worden war, bald wieder in Dienst treten konnte - rief mich der alte Herr in sein Zimmer und sagte: "Fahren Sie heute nach Southampton und geben Sie eine Annonce auf, daß ich einen Buttler suche." - Ich erwiderte, daß er keinen Buttler benötige.
      l "Warum nicht ?" frug er ganz erstaunt. - "Ich kann selber den Buttler machen!" - "Go on, You are a fool!". - "Noch nicht ganz trocken hinter den Ohren und Sie wollen eine solche Stellung versehen? " Kurz und gut, er lachte so mächtig, daß seine Frau hereinkam und frug, was denn los sei. "Denk dir nur," rief er, "der will die Buttlerstelle haben, das Greenhorn ! Wie alt sind Sie eigentlich? " Ich sagte: "19 Jahre." Dann konnte ich gehen, wie ein Pudel begossen. Schon halb bei der Tür draußen, rief er mich wieder zurück und sagte: "Komm mal her, du bist ein tüchtiger Kerl. Hat Bismark mehr solcher Leute ?" - Ich gab keine Antwort. - "Also wir werden es probieren. Ich bin neugierig, wie Sie sich mit dieser Stellung abfinden!"
      l Nun war der Teufel los unter der Dienerschaft. Ein Deutscher als Vorgesetzter. Kirche und Polizei wurde von dieser Gesellschaft in Bewegung gesetzt, mich aus der Stellung zu verdrängen. Es half nichts; ich fand eine gute Stütze in meiner Herrschaft. - Ich blieb zwei Jahre in dieser Stellung und musste dann zurück in die Heimat, um mich dem Militärdienst zu stellen. Die Abschiedsworte des Sir Walter Hughes waren: "Bismark braucht Sie nicht, er hat genug Soldaten." Er hatte mich lieb gewonnen, und ich bewahre ihm ein gutes Andenken.

Eine kleine Geschichte beim Feuer in London

      l Ich komme nun zu einem Erlebnis, daß wohl erwähnenswert ist, da es ausschlaggebend war für das fernere Prosperieren des Hotels CASINO in Marienbad. Eines Tages brannte nach der Vorstellung das Alhambra-Theater ab. Zu dieser Zeit waren wir in London, und ich fuhr mit der Untergrundbahn zur Brandstelle. Es hatte sich dort eine große Menschenmenge angesammelt, so daß die Polizei allein nicht genügte und Militär für die Absperrung hinzugezogen worden war.
      l Rücksichtslos wurden die Menschen zurückgedrängt, und ich wurde an eine Haustür gepresst, daß ich mich nicht rühren konnte, und nur durch lautes Rufen machte ich mir etwas Luft. Da ging hinter mir die Haustür auf, und eine Hand zog mich ins Haus. Ich bedankte mich, worauf mich der Herr mit in den ersten Stock nahm. Hier befand ich mich in einem Club von Herren, die teils kartenspielend, teils sich unterhaltend beieinander sassen. Der Herr aber, der mich ins Haus hineingezogen hatte, frug mich, ob ich etwas zu mir nehmen möchte. Ich dankte, worauf er erwiderte: "Bitte, was Sie hier nehmen, kostet nichts. Sie sind hier im italienischen Courrier-Club und unser Gast."
      l Getränke wurden gebracht. Man stiess mit mir an und frug, woher ich käme. Man merkte mir an meiner Sprache an, daß ich Deutsche bin. Ich erzählte, daß ich in Marienbad beheimatet bin und mein Vater dort Besitzer des Hotels CASINO ist. Bald hatte ich einen großen Kreis von Zuhörern, die alle etwas über Marienbad erfahren wollten, da - wie sie sagten - noch keiner dagewesen war. Meine Ausführungen interessierten sie so, daß sie mich um Bilder und Zimmerpläne des Hotels baten.
      l Insbesondere sollte ich versuchen, meinen Vater zu veranlasssen, Mitglied des Courrier-Clubs zu werden. Sie wollten sich dann verpflichten, wenn je ein Courrier mit einer Familie nach Marienbad käme, im Hotel CASINO abzusteigen. Ich versprach, meinem Vater darüber zu berichten. Als ich mich verabschiedete, luden sie mich ein, wann immer ich kommen wolle, würde ich gern gesehen sein.
      l In einem meiner nächsten Briefe an meinen Vater teilte ich ihm diese Zusammenkunft mit und schrieb, er möge Mitglied dieses Klubs werden und den Jahresbeitrag von ein Pfund Sterling an mich senden. Was sich mein Vater gedacht hat, geht daraus hervor, daß er den Mitgliedsbeitrag nicht einschickte und sich wohl gesagt haben mag, der Junge braucht wieder einmal Geld. Des öfteren ging ich in den Klub, wobei ich auch einmal sagte, daß ich meinen Vater persönlich sprechen müsste. Vorderhand wäre nichts zu machen.
      l Im Jahre 1883 kehrte ich im April heim, um der Militärpflicht nachzukommen. In dieser Zeit konnte ich meinen Vater von den Vorteilen der Mitgliedschaft in dem Kurierklub überzeugen und er schickte tatsächlich mit einem Schreiben den Jahresbeitrag ein. Kurze Zeit darauf erhielt er die Mitgliedskarte mit der Liste der Namen sämtlicher italienischer Kuriere.

Unerwartete Gäste in Marienbad

     
l Wie bald sich der Erfolg einstellte, beweist folgendes. Meine Schwester Klara feierte am 7. Mai 1883 ihre Hochzeit. Während wir bei Tisch sassen kamen verschiedene Telegramme und Glückwunschschreiben. Ich öffnete diese und las sie vor. Auf einmal stutzte ich mitten im Vorlesen, nahm das Telegramm, welches ich in der Hand hatte, übergab die anderen Briefschaften meinem Nebenmann und bat ihn, weiter vorzulesen. Mit diesem Telegramm ging ich zu meinem Vater und bat ihn, mit mir ins Nebenzimmer zu kommen. Das Telegramm lautete, aus Spanien kommend:
      "Reservieret für seine Hoheit den Herzog von Norfolk mit Familie und Suite 7 Schlafzimmer und 2 Salons, ferner 4 Dienerschaftzimmer für 18. Mai, für längeren Aufenthalt. Citti."
      l Ich veranlasste meinen Vater sofort in der Kurierliste nachzusehen, ob ein Herr Citti hierin vorkommt, und richtig fanden wir den Namen. Mein Vater war so erfeut, daß er mich umarmte. Als wir zur Tafel zurückkehrten, sahen uns alle verwundert an und frugen, was denn geschehen sei. Ich las das Telegramm, das in englischer Sprache lautete, vor, und die Freude hierüber war sehr groß.
      l Als der Herzog ankam und mit ihm der Kurier, kam ich aus dem Staunen nicht heraus, denn vor mir stand der Herr, der mich damals ins Haus in London hineingezogen hatte. Unser Wiedersehen war sehr herzlich. Citti schmunzelte und sagte: "Na, hat die Mitgliedschaft doch geholfen !"
      l Der Herzog, der einen sogenannten Kretin als Sohn hatte, für dessen Gesundheit er Unsummmen ausgab, blieb über fünf Wochen in Marienbad und kam im Jahre 1885 noch einmal. Kurze Zeit darauf starb seine Frau am Säuferwahnsinn (delirium tremens), woraus wohl auch dieser unglückliche Sohn sein Leiden hatte.

Erstes Tennis

      l Ich hatte in England öfters Tennisplätze besucht, die damas noch etwas Neues waren. Eines Tages frug ich im Kurierklub, wer Schläger und Bälle liefert. Es wurde mir die Firma Slessinger empfohlen, bei der ich auch ein Buch erhielt, aus dem ich alles Wissenswerte entnehmen konnte.
      l Als ich 1883 nach Hause gekommen war, machte ich meinem Vater den Vorschlag, einen solchen Tennisplatz - wie ich ihn in England gesehen hatte - im Garten, unterhalb der Terrasse, anzulegen. Mein Vater, der keine Ahnung hatte, was Tennis ist, schlug es mir ab.
      l Mir liess die Angelegenheit aber keine Ruhe, und so trat ich wieder an meinen Vater heran, er möge mir den Platz - einen Sandplatz, der für ihn keinen Wert hatte - überlassen. Unter der Voraussetzung, daß er keinerlei Auslagen habe, willigte er ein. Nun ging die Arbeit los. Der Platz wurde eingeebnet, die Größe wurde gesteckt, aber es fehlten Netz, Schläger und Bälle. Weder in Deutschland noch in Österreich war das Spiel bekannt und ich konnte die Schläger usw. nirgends bekommen. Ich musste nach England schreiben, bestellte vier Schläger und zwei Dutzend Bälle, sowie das Mittelnetz. Mittlerweise wurde der Platz fertig und von einem Drahtzaun umgeben.
      l Als die Sachen aus England eintrafen, bekam ich eines Tages die Mitteilung, im Zollamt zu erscheinen. Das Paket wurde geöffnet, und es kamen die Schläger zum Vorschein. - "Was ist das?", wurde ich gefragt. "Rakets!" - "Was ?" - "Schläger sind das." Nun wurde in den Zollbüchern gesucht, aber man fand nichts dergleichen. Ein Beamter nahm so einen Schläger in die Hand und zupfte daran herum. Auf einmal klärte sich sein Gesicht auf und er sagte: "Uns werden Sie nichts vormachen, das sind Musikinstrumente. Hören Sie? ", und dann zupften alle daran herum. Ich mag wohl ein sehr dummes Gesicht dazu gemacht haben, aber schließlich dachte ich mir: Auch nicht schlecht! - "Bitte nachzusehen, wie hoch der Zoll ist." So wurden die Schläger damals als Musik- instrumente verzollt.
      l Dabei meinte noch einer der Beamten: "Sie können von Glück sagen, daß wir selbst darauf gekommen sind, denn wenn wir Anzeige gemacht hätten, wären Sie bestraft worden." Schmunzelnd verliess ich mit meinen "Musikinstrumenten" das Zollamt.
Ich hatte Erfolg. Im ersten Jahr nahm ich 600 Gulden ein. Im zweiten Jahr schon über 1000 Gulden. Nun fand mein Vater Geschmack daran, und er meinte, ich hätte ihn im Ungewisse gelassen, daß damit so viel Geld zu verdienen sei. Er hatte es aber rundweg abgelehnt, Geld für den Platz auszugeben, und dabei blieb es auch.
      Es war der erste Tennisplatz in Österreich, den ich damals gebaut hatte (1883).
      l Das erste Tennisturnier wurde in Marienbad auf diesem Platz abgehalten, bei einem der späteren Turniere war der Prince of Wales Protektor und hat hierbei im Hotel CASINO seine Empfänge abgehalten.

Vizekönig Ismail Pascha im Hotel Casino

      l Nun war der Weg für das internationale Publikum im CASINO frei.
      l Schon im Jahre 1884 kam aus Wien vom Hotel Goldenen Lamm, nach dem man durch die Zeitungsberichte vom Herzog von Norfolk gehört hatte, die Aufforderung, unverzüglich Bilder und Zimmerpläne des Hotels einzusenden und zwar für den Vizekönig Ismail Pascha und Gefolge für 14 Zimmer, die anfangs September 1884 zu reservieren seien. Verlangt wurde möglichst eine ganze Etage, die vollständig abgetrennt sein müsste, mittels Türen und guter Schlösser.
      l Die Ängstlichkeit dieses Herrschers war so groß, daß er zum Beispiel sämtliche Mahlzeiten nur in seinem Zimmer einnahm und ich alle Speisen und Getränke vorher persönlich kosten musste. Bei der Tafel trug ich immer den Frack; und er behandelte mich wie einen Kellner, ohne zu wissen, daß ich der Sohn des Hauses war. So musste ich ihn auch jeden Tag wiegen. Wenn ich gerade nicht da war, sagte er: "Ich warte bis Monsieur Viktor kommt !", da er wohl Vertrauen zu mir gewonnen hatte.
      l Bei der Abreise ließ er sich von seinem Sekretär die Liste des Personals, welche Trinkgelder zu bekommen hatten, vorlegen. Auf seine Frage, wo denn Monsieur Viktor bleibt, entstand große Verlegenheit, denn der Sekretär wusste, wer ich war. Schließlich sagte einer der englischen Begleiter, ich glaube, es war ein englischer Bankier: "Majestät, Monsieur Viktor ist der Sohn des Hauses." Nun fing er an, zu spektakeln, daß er in Unwissenheit über mich gelassen woden war, und einer seiner Herren musste mich holen. Er erging sich in Entschuldigungen, drückte mir die Hand und bedauerte, mir kein Geschenk machen zu können, sagte aber, daß er ein solches in Wien für meinen Vater bestellt habe. Mein Vater bekam eine goldene Uhr mit seinem Namenszug in Brillanten.
      l Trotzdem drückte er mir beim Abschied ein Etui in die Hand. Als ich ins Büro zurückgekehrt war, machte ich das Etui auf, in dem wohlgeordnet 20 Louisdors lagen. Mein erster Gedanke war: Mit diesem Geld fährst du nach Paris!

Nach Paris

      l So kam ich Anfang Oktober 1884 nach Paris. Lange Zeit hindurch war jedes Jahr ein Ungar, Professor Ujfally mit Namen, zur Kur nach Marienbad gekommen, mit dem mein Vater und ich sehr befreundet waren. - Dieser Professor hatte sich in Paris an der Sorbonne habilitiert und mir gesagt, wenn ich jemals nach Paris käme, müsste ich bei ihm Besuch machen. Also mein erster Weg in Paris war zu ihm.
      l Am nächsten Tage ging er mit mir in das Hotel "L´Opera", stellte mich dort vor, und ich wurde sofort engagiert. Mir wurde freigestellt, ob Büro oder Speisesaal. Ich nahm den Zimmerkellnerposten. - "Also, jetzt sehen Sie sich erst einmal Paris an, und in einigen Tagen treten Sie ein."
      l Wir verabschiedeten uns und ich bummelte in den Strassen herum. Am nächsten Tage kam ich am "Grande-Hotel" vorüber, als mich jemand am Arm festhielt. Ich drehte mich um: "Ja, Ali, was machen Sie in Paris ?" - Es war der Leibdiener des Königs Ismail Pascha.
      l "Ich erwarte den König, der jeden Augenblick von der Bahn kommen muss; ich bin vorausgereist." - "Dann warte ich auch," und ich stellte mich an seine Seite. In kurzer Zeit erschienen einige Herren, alle im Frack, Direktoren des Hotels, um den König zu empfangen.
      l Beim Aussteigen erblickte dieser mich, ließ die Direktoren an der Seite und gab mir die Hand. Nach einigen verbindlichen Worten drehte er sich um, entschuldigte sich bei den anderen Herren und nahm deren Begrüßung entgegen. Zwei der Herren verschwanden mit dem König, und ein dritter trat auf mich zu, fing meinen Arm und bat mich, ins Büro einzutreten.
      l "Mit wem habe ich die Ehre ?" Ich teilte ihm alles Nötige mit, worauf er sagte: "Suchen Sie sich bei uns eine Stellung aus, Sie können sofort bei uns eintreten." - Ich antwortete, bereits eine Stellung zu haben. "Nun, wenn es Ihnen nicht behagt, bitte über uns zu verfügen. Auf jeden Fall, wenn Sie heute nichts vorhaben, bleiben Sie zum Dinner unser Gast." Wir hatten einen sehr vergnügten Abend, und mit Dankesworten verließ ich das Hotel.
      l König Ismail war vorher in Dresden beim König von Sachsen gewesen, was ich wusste, nicht aber, daß er nach Paris kommen wollte. Am nächsten Tage reiste war er nach Neapel ab, wo er auf einem Felsenschloß unter Bewachung von Engländern wohnte. Späterhin reklamierten ihn die Türken, dessen Vasall er eigentlich war.
      l Die Engländer lieferten ihn nach Konstantinopel aus; also war er in Marienbad nicht ohne Grund so mißtrauisch um sein Leben gewesen.

In Liebe entflammt

      l Im Jahre 1885 war ich während des Sommers wieder zu Hause und wurde für den kommenden Winter nach Landsberg a.W. ins Hotel "Pascdag" von einem Herrn Vater mit Namen als Buchhalter engagiert.
      l Im nächsten Sommer wieder daheim, konnte ich für den darauffolgenden Winter keine Stellung finden, was einen besonderen Grund hatte, den ich hiermit verraten will.
      l Ich war in Liebe entflammt und zwar nicht zu knapp. Eines Tages ging ich zu meinem Vater, ich war damals 24 Jahre alt, und sagte ihm, daß ich Fräulein X.Y. liebe und die oder keine heiraten möchte! - Mein Vater sagte eine Weile nichts, aber eine merkte ich: Was kommen wird, ist nichts Erfreuliches! Endlich sagte er nur ein Wort: "Keine!"
      l Wie ich später erfuhr, hatte mein Vater eine Unterredung mit dem Vater des Mädchens gehabt. Die Folge war, daß mich das geliebte Wesen mied, wo es nur konnte. "Aus!"
      Nun schwor ich mir, nicht zu Hause zu bleiben.

In Ägypten

      l Im Winter 1887 fuhr ich nach Ägypten und zwar ohne eine Ahnung zu haben, wohin. Wegen der Cholera, die in Triest und Italien herrschte, musste ich über Frankreich reisen und schiffte mich in Marseille ein. Mein Reisegefährte war Herr Franiek, der bei meinem Vater Küchenchef gewesen war, und auf dem Schiff trafen wir noch einen Bekannten, einen Konditor namens Schmidt. Der Dampfer fuhr Freitag morgens ab; am folgenden Sonntag spielten wir nach Tisch unseren üblichen Tarock, als ich fragte, ob es den anderen auch so heiß sei wie mir, und sie bestätigten das.
      l Ich wollte gerade auf Deck gehen, als ich ins Kollern kam. Die beiden anderen wollten mir Hilfe leisten, kugelten aber á tempo so wie ich in der Kabine herum. Der schönste Sturm hatte uns erfasst und nur mit Mühe erreichten wir das Deck. Schmidt hatte noch schnell seine Flasche Rum erwischt.
      l Wir kamen oben an, als durch die Matrosen das ganze Deck geräumt und die Passagiere in ihre Kabinen befördert wurden. Schmidt klammerte sich eben an einem eisernen Ring fest, als ihm durch eine Woge die Flasche aus der Hand gerissen wurde. - Eine Dame mit ihrem Kind konnte nicht rasch genug von Deck kommen, sie wurde an die Bordwand geschleudert und brach sich einen Arm.
      l Dieser scheussliche Sturm hielt an bis Dienstag nachmittag kurz vor Alexandrien. Mein Magen hatte nichts mehr herzugeben. Ein elendes Gefühl, seekrank zu sein; und mir war alles gleich, so schlecht war mir. Aber merkwürdig, sobald Land in Sicht war, war die Übelkeit verschwunden.
      l Wir standen an Deck, als das Lotsenboot herankam, das wie eine Nusschale von den Wellen herumgeworfen wurde. Schließlich kamen wir doch noch in den Hafen, aber an Land zu gehen, war unmöglich. So wurde das Schiff von einer Unzahl von Kähnen, die alle Passagiere an Land bringen wollten, umringt.
      l Wie die Katzen kletterten sie an Deck, und man hatte zu tun, die Zudringlichsten abzuhalten. Endlich entdeckten wir das Boot mit dem Schild Hotel "Abbas" - dort wollten wir absteigen. Wir winkten, aber das Boot konnte durch die vielen Araber-Kähne nicht heranrudern, und wir mussten von Kahn zu Kahn springen, um auf unser Boot zu kommen, was natürlich mit viel Schimpferei der Araber vor sich ging.
      l Ich fuhr dann nach Kairo und fand eine Stelle im Shepperts-Hotel. Das war nun etwas Neues für mich. In der ersten Zeit waren nicht so viele Gäste da, und ich hatte Musse, mir das Treiben ordentlich anzusehen.
      l Meinen Pass hatte ich in Alexandrien abgegeben. Ägypten war damals das einzige Land, für welches man einen Pass haben musste. Ich erwähne dies, weil ich später ziemliche Schwierigkeiten damit hatte.
      l Alle Einzelheiten über andere Vorkommnisse anzuführen, würde zu weit führen. Ich erwähne nur eine Begebenheit, um zu zeigen, daß damals der Revolver ziemlich leicht in der Tasche sass. Ich besuchte während meines Aufenthaltes öfter auch das Café ÄGYPTIENNE oder den WURSTJAKOB, ein deutsches Bierrestaurant. - Im Café ÄGYPTIENNE spielte eine Brösnitzer Damenkapelle unter der Leitung eines Kapellmeisters Kaiser. Hier hörte ich, daß mein Chef in die Trommelschlägerin verliebt sei und sie heiraten wolle. Sie war auf einmal verschwunden, und man hörte nichts mehr von ihr.

Ich hatte Typhus

     
l Ich wurde Ende Dezember schwer krank und kam in das deutsche Diakonissenhaus, wo ich etwa drei Monate an Typhus krank lag. Ich lag allein in einem Zimmer mit zwei Betten. Eines Tages, ich war Rekonvaleszent, erwachte ich früh - ich war noch so schwach, daß ich mich kaum im Bett aufsetzen konnte, - und da hörte ich etwas schnarchen. Ich konnte aber nicht ausmachen, was es war. Die Betten waren wegen der Moskitos wie Himmelbetten ringsherum fest verschlossen.
     
l Auf einmal regte und streckte sich jemand im anderen Bett. Ein Mann kam zum Vorschein, trat an mein Bett und fing an, englisch zu reden. Bald hatte ich heraus, daß er kein Engländer war, sondern ein Deutscher und noch dazu ein Sachse. Ich sprach ihn deutsch an, dann sagte er: "Herrgottchen, Sie sind wohl och ´ne Sachse?" - Nach meiner Bejahung fing er an zu erzählen, daß er beim XI. sächsischen Grenadierregiment Unteroffizier gewesen sei. Nach seinem Abgang habe er sich für den englischen Dienst in Ägypten auf sechs Jahre bei der Leibwache des Generals Higgs Pascha verpflichtet, der eine Armee zusammengezogen hatte zum Entsatz des Generals Gordon Pascha, welcher in Chartum vom Mahdi eingeschlossen war.
     
l Er erzählte weiter, daß diese Entsatz-Armee von etwa 6 000 Mann mit einem gewaltigen Tross in die Wüste losmarschiert sei. Man sei bereits drei Wochen unterwegs gewesen, als eines Tages am Fusse eines Hügels ein Lager aufgeschlagen worden war. Die Truppe lag unten am Berg und der Stab oben. Etwa um Mitternacht - wahrscheinlich sind die Wachen überrumpelt worden - kurz schilderte er, sei es auf einmal Schwarz dahergekommen und die ganze Armee mitsamt dem Tross von den Mahdis restlos aufgerieben worden.
     
l Der Stab mit wenigen Leuten habe alles im Stich gelassen und sei geflohen. Nach Wochen seien sie erschöpft endlich in Kairo angelangt. Das Tragische daran sei, daß man nicht gewusst habe, daß Chartum längst gefallen und Gordon Pascha ermordet war, so daß alle Opfer umsonst waren.
     
l Viel später habe ich einmal über den Feldzug Higgs Paschas gelesen - aber in englischer Fürbung. Dieser Feldwebel und Leibgardist hatte mir die Unzulänglichkeit der Führung in einem anderen Licht geschildert. Erst Kitschener war es vorbehalten, nach sorgfältigster Vorbereitung die Mahdis zu bezwingen.
     
l Er erzählte weiter, daß man ihn dann in die ägyptische Polizei gesteckt habe, da er sich je auf sechs Jahre verpflichtet hatte.. Nun habe er sich krank gemeldet: "Und da bin ich nun". Auf meine Frage, was ihm fehle, meinte er: "Garnichts, ich will mich nur mal ausruhen, jetzt frühstücke ich, dann gehe ich spazieren, und abends komme ich und lege mich wieder krank ins Bett." - Etwa eine Woche ging das so, dann blieb er weg und ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.

Ein kleiner Sudanese

     
l Ich erinnere mich weiter, daß im Spital ein kleiner Sudanese tiefschwarz, mit einem wolligen Lockenkopf herumlief. Auf meine Frage an die Schwester, was es mit diesem Jungen für eine Bewandtnis habe, erzählte sie mir, daß er eines Tages als nuegeborenes Kind an der Tür des Spitals gefunden wurde. Das Kind habe an der Hand den Knochenfrass gehabt und sei gepflegt worden. Die Mutter habe sich nie mehr sehen lassen. Jetzt sei das Kind ziemlich geheilt und werde von den Schwestern erzogen.
     
l Der Junge, der leidlich deutsch sprach, wusste, daß man mir öfters vom Hotel gute Sachen schickte: Torte, Schokolade, Früchte, etc. Jedesmal nun, wenn die Schwester mir das Essen brachte, hing er an ihrem Schürzenzipfel. Jedesmal betete die Schwester ein Vaterunser, und ich gab dann dem Jungen regelmäßig etwas von den guten Sachen.
Später kam er öfters auch ohne Begleitung, kniete sich an mein Bett nieder und fragte, ob er beten solle. Auf meine Bejahung betete er und bekam dann auch immer irgendeinen guten Bissen. Es kam ihm gar nicht darauf an, das Vaterunser zehnmal am Tage zu beten. - Als ich erstarkte, wurde ich tagsüber auf einem Liegesessel in die Veranda gebracht, und dann hockte er mit einem Wedel an meiner Seite und verscheuchte die Fliegen. Er war ein liebes Kerlchen, und ich hätte ihn gern mit mir genommen.
     
l Erst im März wurde ich mit einem großen Vollbart gesund entlassen. Die Hotelleitung hatte sich mir gegenüber sehr generös benommen. Der Hausarzt musste sich wöchentlich mehrmals nach mir erkundigen und alle Delikatessen, die mir zu essen erlaubt waren, wurden vom Hotel geliefert.
     
l Zum Abschied kam ich in das Hotel und wurde zum Speisesaal geführt, denn ich war so schwach, daß ich an zwei Krücken gehen musste. Eine Festtafel war hergerichtet, Ich wurde zu einem jungen Paar an die Hochzeitstafel geführt und konnte meinen Glückwunsch der jungen Trommelschlägerin bringen. Sie war in einer Schweizer Pension ausgebildet und eine perfekte junge Dame geworden.
     
l Mein Gehalt wurde für die ganze Zeit ausgezahlt, außerdem noch die Rückreise, welche sich bis Marienbad auf 100 Gulden belief.

Schießerei beim Wirt

     
l Am Abend hatten wir bei Bettelheim & Katuner, einem Bierrestaurant, in welchem wir sehr oft waren, mit einigen Kollegen ein Abschiedsfeier, bei der auch mein nachmaliger Schwager, Herr Max Franiek, Sohn des Buchdruckereibesitzers Franiek in Karlsbad, anwesend war.
     
l Hier sollte es zu einer Schießerei kommen, die die ganze Feier zunichte machte. Schuld daran war einer der Gotscheepers (aus dem Ort Gotscheep), der mit Waren handelte, aber außerdem das Lotto Spiel mit 90 Nummern betrieb. Der Wirt sagte ihm, daß er Waren verkaufen kann, aber nicht spielen dürfe, da es dabei immer zu Streitigkeiten kam. Er erwiderte, daß er Familienvater sei und sein Geschäft mache, wie er wolle. Der Wirt liess nicht nach, und der Gotscheeper musste gehen.
     
l Die Gotscheeper sind meist Griechen, eine gefürchtete Sorte Menschen. Kurze Zeit darauf setzten sich zwei Herren in unsere Nähe. Ihrer Sprache nach waren es Griechen. Auf einmal erschien der Gotscheeper wieder, ging direkt auf die beiden zu und fing an, mit ihnen Lotto zu spielen.
     
l Der Wirt, der hinter seinem Bierschenk stand, verbot das Spielen wieder, aber der Gotscheeper, der seinen Korb neben sich gestellt hatte, kümmerte sich nicht darum. Ein junger Beamter vom österreichischer Konsulat, der mit in unserer Gesellschaft sass, stand auf, nahm den Korb mit Waren und trug ihn zur Tür hinaus. In diesem Augenblick rief der Wirt hinter seiner Schenke: "Achtung, der schießt!"
     
l Der junge Wiener sprang zur Seite, der Schuß ging los und traf einen Kutscher, der gerade vorüberfuhr, in die Brust. Der Wirt riss seinen Revolver heraus und schoß nach dem Gotscheeper, traf aber nicht.
     
l Im Augenblick waren wir alle in Deckung. Der Gotscheeper flüchtete, und wir liefen alle hinterher. In der Tür drehte sich der Gotscheeper um und schoß und traf den Wirt am Arm. Unter Geschrei liefen wir dem Gotscheeper nach. Dieser war zu einem griechischen Schneider in den Laden geflüchtet. Da dazumal noch das Lex Napoleon galt, durfte die ägyptische Polizei den Attentäter, der Zuflucht bei einem Griechen gesucht hatte, nicht arrestieren. Der Gotscheeper wurde von uns belagert. - Es wurde zum griechischen Konsulat geschickt, und schließlich führte ihn ein Kawasse des Konsulats ab. Ob er bestraft wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, da ich am nächsten Morgen, nachdem ich noch einen Krankenbesuch bei dem verletzten Wirt gemacht hatte, der am Wundfieber darniederlag, zusammen mit Franiek abreiste.

Problem mit meinem Pass

     
l Um 6 Uhr früh kamen wir in Alexandrien an. Ich musste zum deutschen Konsulat, um meinen Pass zu holen. Im Hotel "Abbas" nahm ich einen Wagen - man gab mir einen Hotel -Kawasse mit - und ich fuhr zum Konsulat. Dort musste ich warten, da dieses erst um 8 Uhr geöffnet wurde. Um 9 Uhr sollte das österreichische Schiff abfahren.
     
l Man suchte nach meinem Pass, der war nicht zu finden. Endlich fragte mich der Beamte, wohin ich mich bei der Ankunft angemeldet hatte. "Nach Kairo", sagte ich. "Dann liegt ihr Pass dort im Konsulat!" - Nun war guter Rat teuer, da mein Schiff in einer Stunde abfuhr. Auf meine Frage, was ich machen sollte, zuckte er die Achseln und ließ mich stehen.
     
l Der Kawasse neben mir hörte die ganze Unterhaltung, zog mich hinaus und sagte: "Was zahlen Sie mir, wenn ich Sie ohne Pass durch das Passamt bringe ?" Wir einigten uns auf zehn Franken. Während der Heimfahr instruierte er mich: "Sie gehen an ihren zwei Krücken, und wenn Sie an das Passamt kommen, weisen Sie hinter sich, als ob ich Ihr Diener sei, der alles regeln würde." Wir gingen zum Hafen, der in unmittelbarer Nähe des Hotels lag.
     
l Ich durchschritt mit Grandezza, soweit es meine Füsse erlaubten, die Passsperre, deutete hinter mich, ging über die Schiffsbrücke und war auf österreichischem Boden. Nun konnte mir nichts mehr passieren. Hinterher kam der Kawasse mit meinem Gepäck. "Na", sagte er, "hat´s geklappt ?". Er sprach recht gut deutsch.
     
l Ich gab ihm noch ein Trinkgeld und sah ihm beim Weggehen nach. Da fiel mir ein: "Hallo!", rief ich, "bitte meinen Pass!" Ich wollte doch sehen, wie er mich über die Grenze gebracht hatte. Er überreichte mir eine Menu-Karte des Hotels "Abbas", die er mit mehreren Stempeln versehen hatte. Franiek und ich lachten aus vollem Herzen. Der Kawasse winkte und verschwand.
     
l Diese Menukarte habe ich zum Andenken aufgehoben, wohl mein originellster Pass-Ausweis.

Meine Seereise nach Triest

     
l Ein altes österreichisches Schiff ETORRE nahm uns auf. Wir waren nur wenige Passagiere. Als es zur ersten Mittagsmahlzeit ging, humpelte ich an meinen zwei Krücken zur Tafel. Ober an sass der Kapitän, ihm zur Seite zwei Schiffsoffiziere, dann die wenigen Gäste, vielleicht zwölf an der Zahl. Gegenüber von mir sass eine Diakonissin, neben mir Herr Franiek.
     
l Während der Mahlzeit fragte mich der Kapitän, was mir fehle. Bevor ich antworten konnte, sagte die Schwester, die ich gar nicht kannte: "Der junge Mann hat Typhus gehabt, lag im Victoria-Auguste-Spital in Kairo und heisst Viktor Petzoldt und ist aus Marienbad, der Sohn eines Hoteliers daselbst."
     
l Bei jedem Wort wurde mein Erstaunen größer, bis die Schwester das Rätsel aufklärte und erzählte. daß eine andere Schwester, die mich gepflegt hatte, sich infizierte und in ihr Heim nach Jerusalem als Rekonvaleszentin geschickt worden war. - "Sie beschrieb uns das Aussehen, nannte uns den Namen und die Heimat und hatte uns gesagt, daß sie wahrscheinlich nicht vor Ende März das Spital verlassen würden." - Nach der Beschreibung konnte ich nur dieser Kranke gewesen sein. Die Welt ist doch recht klein. In der Folge nahmen wir uns der schwester, die zur Erholung in ihre Heimat nach Dresden fuhr, an und trennten uns erst in Gmünden.
     
l Die Seereise hatte mich so gestärkt. daß ich in Triest meine beide Krücken ins Meer warf mit dem Zuruf: "Marsch, zurück nach Ägypten!" Ich konnte nun mit einem Spazierstock gehen.

Wieder in Marienbad

     
l 1888 blieb ich in Marienbad und übernahm unter Anleitung meines Vaters die Führung des Hotels. In diesen Jahren wurde die Reklame für das Hotel in England und Amerika ausgebaut und auch für Russland intensiv aufgenommen. Der Erfolg blieb nicht aus. Das Hotel bekam eine vornehme ausländische Kundschaft, darunter den Großfürsten Wladimir, den Bruder des russischen Kaisers Alexander II.
     
l Großfürst Wladimir weilte mehrere Male zur Kur im Hotel CASINO. Mein Vater bekam den russischen Hoftitel und die Genehmigung, diesen Hoftitel in Reklamebriefschaft, Silber, Porzellan usw. zu führen. Meine Mutter bekam eine Brosche, ein Zwanzigrubelstück mit dem Bildnis der Kaiserin Katharina in Email, von Brillanten umgeben.
     
l Dafür, daß hoher Stand keine Gewähr für den Charakter eines Menschen ist, erwähne ich, daß den Großfürst im ersten Jahr einen Fürsten Dimourius Obolenski als Adjutanten mitgebracht hatte, der das Geld für Trinkgelder zum größten Teil unterschlug. Im zweiten Jahr gab der Großfürst Obolenski den Laufpass. Das Trinkgeld, welches er unterschlagen hatte, wurde generös nachgezahlt.
     
l Das Hotel bekam nach und nach Weltruf und erhielt im Laufe der Jahre viele prominente Gäste aller Stände und Länder. Ich will nur einige Namen nennen, die mir im Gedächtnis geblieben sind:
      Alfred Nobel, Anton Rubinstein, Johann Strauss, welcher in Vaters Gästebuch die ersten vier Takte des "Blauen Donauwalzers" eintrug, Marzella Sembrich, Alfred Grünfeld, Lord Westminster, Lord Caventish, der österreichische Finanzminister Dunajevski, Fürst Cantacuzene, Bukarest, Chukry Pascha, Kabinetts-Chef aus Kairo, amerikanische Finanzgrößen, deutscher Hochadel und viele andere mehr.
     
l So kam das Jahr 1890 heran, als ich mich heimlich verlobte; jedoch auch diesmal sollte es mir nicht gelingen, die Geliebte heimzuführen. Die Mutter des Mädchens war geschäftlich vom Stift Tepl abhängig und hatte das Tepler Haus gepachtet.
     
l Die Geistlichkeit machte Schwierigkeiten, da ich evangelischen Glaubens war, und brachte es soweit, daß das Mädchen gezwungen wurde, mir abzuschreiben. In den nächsten Tagen wurde sie mit ihrem Cousin Josef Hammerschmidt verlobt, der, wie sich später herausstellte, schon bei der Verlobung ein Todeskandidat war. Ich klagte meiner Mutter mein Leid, die mich mit den Worten tröstete: "Sie hat dich nicht lieb genug gehabt!" Ich wollte nun auf alle Fälle wieder weg von Marienbad, was mir auch bald gelang.

Beim Herrn Sendig in Dresden

     
l Zu dieser Zeit wohnte der Dresdner Hotelier Herr Weiss bei meinem Vater; er wollte mir eine Stellung verschaffen. Kurze Zeit nach seiner Abreise bekam ich einen Brief, sofort nach Dresden zu kommen und im Hotel "Europäischer Hof" bei Herrn Sendig vorzusprechen. Meine Siebensachen hatte ich bald beisammen, und ich meldete mich bei Sendig.
     
l Ich wurde als Restaurant-Direktor mit teilweisem Rezeptionsdienst eingestellt. Bei meinem Antritt mahnte er, immer eingedenk zu sein, daß er, wie er sagte, an der Tété der deutschen Hoteliers marschiere. Bei allem, was ich sah, sollte mir bald klar werden, daß es mit der "Tété" noch sehr haperte.
     
l So kam es im März anlässlich eines Ronn-Diners, bei dem auch der Bruder der deutschen Kaiserin, Herzog Günther von Schleswig-Holstein anwesend war, zum Krach. Das Menu enthielt unter anderem auch Rheinsalm. Wie es nun kam, weiss ich nicht mehr, jedoch an dem Tisch, an dem der Herzog sass wurde statt Rheinsalm Kabeljau serviert. Auf meine sofortige Beschwerde in der Küche erfuhr ich, daß Herr Sendig nicht genug Rheinsalm gekauft hatte und daher Kabeljau serviert werden musste.
     
l Daraufhin fing ich an, mit dem Küchenchef zu spektakeln. Am nächsten Tage liess mich Herr Sendig rufen und meinte, wie ich mir erlauben könnte, in der Küche gegen seine Verfügung zu randalieren. Ich war derartig perplex, daß ich ihn an seine Antrittsrede von der "Tété" erinnerte und sagte: "Wenn Sie glauben mit solchen Unterschiebungen an der Tete zu marschieren, habe ich hier nichts mehr verloren." - "Gut," sagte er, "Sie können in 14 Tagen gehen."
     
l Ich sah mich verpflichtet, Herrn Weiss über diese Sache zu unterrichten, und suchte ihn auf. Bei meinem Eintritt sass er in seinem Lehnstuhl und rief: "Sie kommen mir aber sehr gelegen!" Er frug mich, ob ich jemand wüsste, der nach Vöslau bei Wien gehen könnte, um seiner Nichte zu helfen, das Hotel "Back" zu führen.
     
l Nun setzte ich ihm meinen Krach mit Herrn Sendig auseinander. "Das ist aber großartig," meinte er, "dann gehen Sie nach Vöslau und zwar reisen Sie sofort. Alles andere ist meine Sache. Ich werde mit Sendig reden, er muss Sie sofort freigeben."
     
l Er erzählte, daß seine Nichte, Frau Eberhard, eine Hotelierstochter aus Cannstadt, bisher mit ihrem Bruder das Hotel "Maurice" in Paris geführt habe. Der Bruder habe sich verheiratet, so daß sie sich überflüssig fühle und als Direktrice in das Hotel nach Vöslau ginge, unter der Bedingung, daß für das Restaurant ein eigener Direktor zu engagieren sei. Hiermit habe sie sich an ihn gewendet.
     
l Frau Eberhard war eine sehr liebenswürdige ältere Dame, welche zwei erwachsene Töchter hatte, die, wie ich im vorhinein bemerken möchte, beide bedeutend älter als ich waren. Unsere Zusammenarbeit war sehr freundschaftlich, nur liess das Hotel, das 120 Zimmer hatte, viel zu wünschen übrig. Eine Wanzenhochburg und völlig vernachlässigt!
     
l Da die Brüder Back für das Hotel nichts tun wollten, mussten wir schließlich drohen, sofort zu gehen, wenn nicht alles getan würde, um das Hotel einigermassen instandzusetzen. Der eine Bruder meinte zum anderen, immer schon gesagt zu haben, das Hotel als Ruine verfallen zu lassen und dann gegen Eintritt zur Besichtigung freizugeben. Man kann sich vorstellen, wie das Haus ausgesehen hat.
     
l Wir machten eine Aufstellung über Reparaturen und Anschaffungen, kurz: der Spass sol lte 40 000 Gulden kosten. - Nach großem Gejammer wurde die Summe bewilligt, uns jedoch aufgegeben, zunächst zu versuchen, das Haus zu verkaufen. Der Preis sei einschließlich eines Parks 80 000 Gulden. - Ich machte Herrn Gustav Schlummberger, eine Wein-Großfirma, dar auf aufmerksam, da dieser Preis sehr niedrig war. Dieser hatte Lust, konnte sich aber nicht entschließen.
     
l Anfang Mai wurde das Hotel nach Fertigstellung der Arbeiten eröffnet, nachdem noch die Einrichtung einer Gasbeleuchtung mit Auer-Glühlicht, damals etwas ganz Neues, nachbewilligt worden war. Der Erfolg war ausgezeichnet. Wir hatten eine gute Saison; das Restaurant mit Garten war das Ziel der guten Gesellschaft.
     
l Eines Tages kam Herr von Schlummberger und frug an, was jetzt das Hotel kosten würde. Nach Rücksprache mit der Firma Back konnte ich den Preis von 250 000 Gulden, also sechsmal so viel wie früher, mitteilen. Hierauf meinte Herr von Schlummberger: "So ist es, wenn man eine gute Gelegenheit versäumt!" - Ich erwiderte, daß das Hotel auch um diesen Preis nicht zu teuer sei, und riet ihm, nochmals 50 000 Gulden hereinzustecken, um ein Millionen-Objekt zu besitzen. Im gleichen Herbst wurde das Hotel an einen Schweizer namens Babrutt für 660 000 Gulden verkauft.

Der Nuntius von Wien in Marienbad

HOTEL CASINO (Nr. 121) rechts hinten - MARIENBADER MÜHLE (Nr. 61) rechts unten; hinten in der Mitte VILLA NEWA (Nr. 124) im Jahre 1902      In den nächsten Jahren blieb ich in Marienbad bei meinem Vater, der mich immer mehr her anzog, unter seiner Leitung das Hotel zu führen.
     
Eine interessante Begebenheit war folgende:
     
l Der Nuntius von Wien, Galimberti, hatte sich bei uns für die ganze Saison einlogiert. Eines Tages frug er mich, ob wir keinen Rotweinsekt hätten, was ich verneinte. Ich frug jedoch bei Kattus in Wien an und erhielt den Sekt, worüber sich der Nuntius so freute, daß wir gute Freunde wurden. Er kam nun öfters zu mir ins Büro und unterhielt sich mit mir, wobei er wohl gemerkt haben mag, daß ich der evangelischen Konfession angehörte.Er hatte einen Diener namens Pietro, einen Schleicher, wie er im Buche steht.
     
l Eines Tages kam der Nuntius wie gewöhnlich ins Büro, setzte sich zu mir an den Schreibtisch und erzählte. Auf einmal sah er zur Tür hinaus, kam zurück und steckte mir dann ein Schreiben zwischen die Seiten meines Kassabuches und sagte: "Wollen Sie so freundlich sein und diesen Brief, der rekommandiert werden muss, selbst zur Post bringen ? Ich hole mir das Recipise selbst von Ihnen ab. Strenges Stillschweigen ohne Ausnahme; ich gehe jetzt spazieren, und wenn ich zurückkomme, geben Sie mir den Einlageschein."
     
l Kaum war er aus dem Büro, erschien Pietro: "Was wollte der Nuntius von Ihnen ?", mit diesen Worten setzte er sich zu mir an den Schreibtisch. "Keinen Schritt machen Sie heute ohne meine Begleitung." - Ich sagte, daß ich jetzt fertig sei und in das Thermal-Bad gehe. Er ging mit mir. In der Kabine zog ich mich aus, er stand davor. Den Schlüssel zur Kabine trug ich zur Kasse mit dem Auftrage, niemandem den Schlüssel auszuhändigen, denn der Brief, dessen Adresse ich noch gar nicht kannte, steckte in meiner Tasche. Ich ging ins Wasser, Pietro stierte mir immer nach. Ich blieb 60, 70 Minuten, er hielt standhaft Wache. Endlich, ich war schon ein und einhalb Stunden im Wasser und Pietro wartete immer noch, wurde es mir zu dumm, und ich ging nach Hause. Pietro war immer an meiner Seite. Zu Hause angekommen, setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch, er setzte sich zu mir.
     
l Auf einmal kam der Nuntius und schickte ihn aufs Zimmer, mit dem Auftrag, ihm seine Kleider für das Diner zurechtzulegen. Als der Nuntius mich fragte, ob ich den Brief besorgt habe, erzählte ich ihm die ganze Sache. "Warten Sie", sagte er,"jetzt werde ich den Diener beschäftigen, und während dieser Zeit gehen Sie zur Post." So geschah es, und nun erst erfuhr ich, daß der Brief an den Vatikan gerichtet war. Was mag den Nuntius veranlasst haben, diesen Brief als Geheimnis zu behandeln ?
     
l Nach dem Super kam er, von Pietro gefolgt und sagte, er wolle zusammen mit mir einen Spaziergang machen. "Es ist schon dunkel und man geht besser zu zweit im Wald", meinte er. Wir gingen, und nun erzählte er mir unter Schimpfen - dabei erging er sich in den unflätigsten Ausdrücken -, daß sein Diener in Diensten der Jesuiten stehe und ihn auf Schritt und Tritt bewache. Da er zum Kardinal ernannt werden sollte, freute er sich, daß sein Nachfolger aus München diesen Diener übernehmen müsste. Auf meine Frage, warum er den Diener nicht schon längst entlassen habe, sagte er, daß das nicht gehe, da dieser der Nuntiatur zugeteilt und der jeweilige Diener des Nuntius sei. Dieser infame Hund, so titulierte er ihn. Ich sagte dann, er möchte mir noch eine Frage gestatten: "Eminenz, Sie wussten, daß ich nicht Ihrer Konfession angehöre, warum hatten Sie zu mir dieses Vertrauen ?" - "Eben darum", meinte er.
     
l In der Folgezeit forderte er mich öfters auf, am Abend mit ihm spazieren zu gehen. Er war sehr bewandert am Himmelszelt und erklärte mir die Gestirne. "Ja, ja," sagte er einmal, "ich bin bewandert in der Astronomie und Sie sind es in der Gastronomie." Es waren interessante Abende.

Meine Verlobung in Marienbad

      In den nächsten Jahren blieb ich in Marienbad.
     
l Meine Mutter starb im Jahre 1895 an Urämie, einer Art Blutvergiftung. Sie war eine herzensgute Mutter und tüchtige Wirtin. Ich war von neun Kindern das älteste und an ihrem Begräbnistage war nach vielen Jahren zum ersten Mal die ganze Familie wieder beisammen. Schon am nächsten Tage zerstoben sie wieder in alle Winde.
     
l Zu dieser Zeit war auch mein Vater nicht recht gesund, so daß ich mich mehr dem Geschäft widmen musste. Das Mädchen, mit dem ich mich schon im Jahre 1890 heimlich verlobt hatte, war inzwischen Witwe geworden. Wir fanden uns wieder, und wieder war die katholische Geistlichkeit gegen uns an Werk. Aber ihre Mutter war diesmal standhaft, indem sie sagte, daß ihre Tochter nunmehr großjährig sei und sie keine Macht habe, ihr die Verlobung zu verbieten. So kam es 1897 zur öffentlichen Verlobung.

Heirat und unsere Lebensperiode in Budweis

     
l Mein Vater, der das Hotel noch nicht abgeben wollte, da er gesundheitlich wieder oben auf war, riet mir, etwas zu pachten. Eine Gelegenheit bot sich in Budweis, mit dem Restaurant "Patzaun". Der Pachtvertrag kam zustande, und ich heiratete am 29. Januar 1898 und übernahm am 4. Februar das Restaurant, das ich für drei Jahre gepachtet hatte. Es war ein kleines Geschäft. Der Bierausstoß war ca. 600 Hektoliter Pilsner, wenig Küche, aber wir verdienten, da ich den Bierausstoß bis auf 1 300 Hektoliter brachte und auch die Küche später gut arbeitete.
     
l Eine kleine spassige Begebenheit muss ich hier erwähnen. Meine Frau hatte einmal als Mädchen ein Obstgeschirr erhalten, bestehend aus einer Schale und Tellern, sehr bunt und geschmacklos. Sie konnte das Geschirr nicht leiden und gab es eines Tages zur Verlosung in eine Tombola des Turnvereines. Ihr Bruder Franz, welcher Mitglied des Vereins war, gewann dieses Geschirr und siehe, es war wieder im Hause. Bei einer nächsten Gelegenheit hatte sie Geschirr wieder zur Verlosung verschenkt und diesmal gewann ich es! Bei unserer Verheiratung brachte ich unter anderem auch dieses Geschirr zum Vorschein, und so bekam es meine Frau wieder. "Nun," meinte sie, "zerschlage ich es, sonst werde ich es nicht los." Die Schale ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.
     
l Mein Vater hatte mittlerweile meinen dritten Bruder Fritz zur Mitarbeit herangezogen. Dieser hatte ebenfalls in der Schweiz seine Laufbahn begonnen und war in Südfrankreich und England gewesen. Nur vertrug er sich nicht mit meinem Vater, so daß dieser eines Tages bei mir in Budweis erschien und mir ein Kaufangebot machte und zwar für das Hotel CASINO in Marienbad. Er wollte eine Hypothek auf dem Hause stehen lassen und für den Rest sollte ich eine Hypothek aufnehmen, der Preis betrug nämlich 360 000 Kronen. Der Kauf kam zustande, da mir die Sparkasse in Eger die nötige Hypothek bewilligte.
     
l Mittlerweile war mein ältester Sohn Viktor geboren. Am Tage der Geburt - meine Frau lag noch in den Wehen - bekam ich die Aufforderung zur Polizei zu kommen. Als ich dort erschien, teilte man mir mit, daß ich schon ein Jahr in Budweis, aber noch nicht polizeilich gemeldet sei. Man nahm die Personalien auf: "Haben Sie Kinder ?" - " Nein! Pardon. Ja!" - "Was heisst das, einmal ja und einmal nein?" Ich wurde sehr verlegen und .erklärte nun unter Gelächter den Sachverhalt. "Gehen Sie schnell nach Hause und kommen Sie in den nächsten Tagen wieder. Bis dahin werden Sie ja wohl Vater sein", meinte er. Als ich nach Hause kam, war ein Bub da.

Auf der Spitze der zwei Geschäfte

     
l Ich hatte nun vor, beide Geschäfte in Marienbad und Budweis zu führen. Mein Vorgänger in Budweis, ein weitläufiger Verwandter meiner Frau, wollte aber das Geschäft wieder übernehmen, und so kamen wir überein, daß er, da ich noch ein Jahr Pacht hatte, eine Entschädigung bezahlte. Für ihn war es umso leichter, als ich ihm ja jetzt einen bedeutend höheren Umsatz garantieren konnte. So übersiedelten wir 1900 im Februar in Marienbad.
     
l Das CASINO wurde im selben Stil von mir weitergeführt, nur mussten verschiedene Neuerungen, wie zum Beispiel ein Lift, Zentralheizung etc. eingebaut werden. Im Jahre 1902 bot sich Gelegenheit, ein Grundstück zu verkaufen, so daß es mir möglich wurde, zunächst einen Aufzug von der Firma Stigler in Mailand einbauen zu lassen. Die Möbel, die veraltet waren, wurden nach und nach erneuert und jährlich fast der ganze Gewinn hierfür aufgewendet. So hielt ich Schritt mit der Konkurrenz.


Unser königlicher Gast - Ferdinand von Bulgarien

      l Im Jahre 1904 las ich eines Tages in der "Neuen Freien Presse", daß Fürst Ferdinand von Bulgarien die Absicht habe, eine Kur in Marienbad vorzunehmen. Ich fuhr kurzerhand nach Wien, ging in das Palais Coburg und wurde tatsächlich vom Bruder des Fürsten, Prinz Leopold von Coburg, empfangen.
      l Anhand von Hotelbildern machte ich mein Angebot und legte außerdem Referenzen verschiedener Gäste vor. Der Prinz hörte mich an und wollte nach Sofia berichten. Meine Mission war vorerst erledigt. Einige Wochen darauf kam ein Herr mit dem Marienbader Arzt Dr. Floderer zu mir, um sich Zimmer anzusehen, ohne daß ich wusste für wen.
Nach meiner Unterlagen führe ich nun der Reihenfolge nach die Ereigniss an. Am 29. Januar kam folgendes Telegramm:
      l "Ihre Königliche Hoheit Herzogin Clementine von Sachsen Coburg Gothas akzeptiert den Mitpreis ..... Kronen pro Woche für die proponierten 10 Herrschaftszimmer, einen Salon, ein Speisezimmer, 10 Dienerzimmer, reservieret dieselben ab 8. oder 10.Juli. Das genaue Datum der Ankunft der Gäste wird Ihnen später mitgeteilt.
gez.Hofmeisteramt."
      l Die Kurliste vom 14.Juli 1904 weist folgende Namen aus:
"S.Königliche Hoheit der Graf von Murany
I. Königliche Hoheit die Prinzessin Clementine von Sachsen Coburg Gotha
S. Königliche Hoheit Prinz Phillipp von Sachsen Coburg Gotha
S. Königliche Hoheit Kronprinz Boris von Bulgarien
S. Königliche Hoheit Prinz Cyrill von Bulgarien
I. Königliche Hoheit Prinzessin Eudoxia von Bulgarien
I. Königliche Hoheit Prinzessin Nadìžda von Bulgarien
Herr Geheimrat Ritter von Fleischmann
Herr Generaladjutant Generalmajor Peter Markow
Herr Flügeladjutant Major Alex Stajanov
Herr Legationssekretär Paul de Chevremont
Fräulein Okoore de Fort Faulknor
Herr Hauptmann Curtocliew aus Sofia zusammen 28 Personen."
      l Es waren zwei Etagen komplett besetzt. Gespeist wurde im Privat-Salon. Da ich sehr knapp an Zimmern war, schickte ich meine drei Kinder mit einer Erzieherin zur Sommerfrische nach Tepl. Dort wurden alle drei Kinder krank. Ein Kellner, den wir mit allerlei Sachen nach Tepl ge- schickt hatten, kam am Abend zurück und sagte,daß etwas mit den Kindern geschehen sei. Am selben Abend fuhr meine Frau nach Tepl, um zu sehen, was los sei. Sie telephonierte, daß der Arzt noch keine Diagnose gestellt habe und bat unseren Hausarzt Primarius dr. Zickler sofort zu schicken. Aus der Erzieherin sei nicht herauszubekommen, was passiert war. Dr.Zickler verlangte die sofortige Überführung der Kinder nach Marienbad, um sie beobachten zu können.
      l Wenige Tage danach wurde bei allen drei Kindern Typhus konstatiert und behördlich gemeldet. Der Bezirksarzt Dr.Sternberger verlangte die sofortige Einlieferung in das Krankenhaus.
      l Die Bezirksbehörde legte dem Fürsten von Bulgarien nahe, das Hotel zu verlassen. Meine Tochter Mizzi war damals drei Jahre alt, und am schlimmsten dran, so daß ich den Bezirksarzt fragte, ob ich hoffen könnte, daß das Kind lebend ins Krankenhaus kommt. Er zuckte die Achseln und sagte: "Ich übernehme keine Garantie, aber raus muss sie aus dem Hotel." Den Kindern wurde der Isolierpavillon des städtischen Krankenhauses eingeräumt. Meine Frau wurde, nachdem sie mit den Kindern in Berührung gekommen war, mit isoliert. Zu ihrer Hilfe nahm ich noch eine Schwester Kalesantia.
      l Der Fürst liess mich rufen und fragte mich, wie es den Kindern gehe. Mir stiegen die Tränen auf, so daß er mir auf die Schultern klopfte und sagte: "Man hat mir nahegelegt wegen der Krankheit ihrer Kinder das Hotel zu verlassen. Ich bleibe jedoch, wenn Sie alles tun, damit die Krankheit nicht verschleppt wird. Ich bitte Sie, aus sänitäten Rücksichten die Kinder zunächst nicht zu besuchen. Überlassen Sie die Pflege Ihrer Frau, die, wie ich gehört habe, mit isoliert ist."
      Ich dankte ihm von ganzem Herzen für seine Anteilnahme. Zwei Tage später meldete sich König Eduard VII. von England zum Diner an, obwohl auch ihm die Sache hinterbracht worden war. In der Nacht, wenn es an meine Zimmertür klopfte, schrak ich auf, in der Erwartung - jetzt komme eine Todesnachricht. Es war eine schreckliche Zeit. Die Ursache der Krankheit war wohl schlechtes Wasser. Die Erzieherin war mit den Kindern in einem Erbsenfeld gewesen und die Kinder hatten von dem Erbsenessen Durst bekommen und aus einem Feldbach getrunken. Gott sei Dank konnten sie spät im Herbst gesund entlassen werden.

Amtsschimmel

      l Ich erwähne noch eine Sache, die mit der Krankheit meiner Kinder zusammenhängt, benannt: "Der löbliche Amtsschimmel".
      l Meine Kinder wurden im Juli krank. Der Wagen, in dem die Kinder nach Marienbad gefahren wurden, war mein eigener. Im Laufe des November fiel nun der Behörde ein, mich zu fragen, welcher Wagen die Kinder von Tepl gebracht habe. "Mein eigener!" - "So, ist der denn desinfiziert worden ?" - "Nein! Als meine Kinder abgeholt wurden, war noch gar nicht festgestellt, was ihnen fehlt. Seit dieser Zeit haben viele Gäste den Wagen benutzt, und niemandem ist etwas geschehen." - "Das geht nicht! Der Wagen muss bei Strafandrohung desinfiziert werden." So wurde der Wagen nach vier Monaten desinfiziert.

Könige Eduard und Ferdinand

König Ferdinand von Bulgarien mit seinem Adjutanten General Markow auf der Kolonnade      l Der "Herzog von Lancaster" (Eduard VII.) war keineswegs so musikbegeistert wie sein Kollege und Verwandter König Ferdinand von Bulgarien. Beide waren die häufige Besucher Marienbads, aber der bulgarische König gern einige Becher Kreuzbrunnen kohlensaures Bad "schwänzte", um im Automobil nach Bayreuth sich zu begeben und dort der Sphärenmusik Wagners in Grals Tempel zu lauschen. Und ging dieser Koburger auch hervorhebt, wie mutig sein Urgroßvater, der Prinz von Orleans, auf dem Schafott sich verhalten. Ihn verlangte es nur nach einem Glas Chablis, das er frohgemut leerte.
      l Für die kompliziertere Unterhaltung des Königs Ferdinand, bei dem Gelehrte und Künstler leichter ihre Rechnung finden alsmondäne Menschen, hatte König Eduard vielleicht weniger Sinn, wiewohl beiden manche Züge gemein waren. So die eklatante Vorurteilslosigkeit und die erkenntnise von der Verschwisterheit von Politik, Geschäft und Kapital. König Ferdinand war wie König Eduard ein treuer Freund des Barons Hirsch, des sogenannten Türkenhirsch, dessen Bahnbau Sofia an Konstaninopel so nahe herangerückt hatte, und beide Könige waren Bewunderer der Wagnerschen Musik, wenn auch der Beulgarenherrscher unvergleichlich mehr sachliches Verständnis ihr entgegenbrachte.
Aus Sigmund Münz: Eduard VII. in Marienbad, Brünn 1936
Hoftitel vom Fürst

      l Kurz vor der Abreise des Fürsten kam der Cabinets-Graf Dobrowitsch zu mir, mit dem ich später enge Freundschaft schloss. Er meinte: "Ich komme im Auftrage des Fürsten, um Sie zu fragen, was Ihnen lieber ist, ein Orden oder der Hoftitel?" Ohne Überlegung bat ich um den Hoftitel. Am Tage der Abreise liess mich der Fürst rufen, drückte mir seine Zufriedenheit aus, bedankte sich für die ausgezeichnete Verpflegung seiner Kinder und für die Vorsicht bezüglich der Krankheit meiner eigenen Kinder. Ich war entlassen. Gleich danach kam Dobrowitsch und teilte mir mit, daß mir der Fürst den Hoftitel bewilligt habe und ich das Dekret noch erhalte. Gleichzeitig sagte er: "Sie bekommen nicht nur den Hoftitel, sondern auch einen Orden. Sie haben wohl noch keinen Orden ?" - "Doch", sagte ich, "bereits das goldene Verdienstkreuz vom österreichischen Kaiser."
      l Hierauf meinte er, er müsse sofort zum Fürsten gehen und dies mitteilen, damit mir dieser einen höheren Orden verleihe als das österreichische Verdienstkreuz. Und so bekam ich das Ritterkreuz mit Krone für zivile Verdienste.
      l Im nächsten Jahr kam er wieder, diesmal ohne Kinder, und meine Frau bekam beim Abschied Brillant-Ohrringe, die wie alle seine Geschenke, die ich im Laufe der folgenden Jahre, nachdem er ein treuer Stammgast geworden war, von ihm noch bekam, bedeutenden Wert hatten.
      l Fürst Ferdinand, der spätere König Ferdinand, war schwer zu nehmen. Man musste ungeheuer aufpassen, daß nichts verquer ging, dann sparte er aber auch nicht mit seiner Anerkennung. Unter uns gesagt, er war ein Vielfrass. Sein Bruder Phillipp sagte einmal zu ihm: "Ferdinand, du reisst das Maul auf wie Scheunentor."


Amerikaner in Casino

      l Eines Tages kam ein Amerikaner mit seiner Frau und wollte mehrere Zimmer haben. Ich zeigte ihm das Appartement, welches kürzlich eine hohe Persönlichkeit bewohnt hatte. "Diese Zimmer möchte ich haben", meinte er, "Was kosten Sie für etwa vier Wochen ?" - Als ich ihm den Preis genannt hatte, sagte er: "Lächerlich, einen so hohen Preis wende ich nicht an", und ging. Plötzlich drehte er sich um und fragte: "Wer zahlt denn solche Preise ? Wer waren diese Leute ?" - "Großfürst Wladimir von Russland", antwortete ich. Wie erstarrt blieb er stehen und wollte die Zimmer noch einmal sehen. Ohne mit der Wimper zu zucken, sagte er anschließend: "Gut, ich nehme diese Zimmer."
      O du liebe Eitelkeit!

Ein Gast mit zwei Zimmern

      l Eines Tages wurden brieflich zwei zusammenhängende Einbett-Zimmer bestellt, von denen eines ein Eckzimmer sein sollte. Der betreffende Herr kam an und sagte, daß er im Eckzimmer schlafe. Das andere könnte ganz ausgeräumt worden. Meine Frage, ob ich ihm dafür einen Salon einrichten solle, verneinte er und sagte: "Wissen Sie, ich bin ein großer Schnarcher und will niemanden stören, darum nehme ich die beiden Zimmer."

Belgische Prinzessin - Fürstin Lonyay in Marienbad

     
l Im Jahre 1903 - genau kann ich mich nicht erinnern - las ich in der Neuen Freien Presse: Fürstin Lonyay, die ehemalige österreichische Kronprinzessin, hatte die Absicht eine Kur in Marienbad zu machen. Die Notiz kam aus Innsbruck. Ich schrieb sofort an ihre Adresse und bekam nach wenigen Tagen einen Brief von der Hofdame Baronin Gagern, ziemlich unhöflich, mit den Schlußworten, daß das Hotel Casino nie in Betracht kommen würde!
      l Nachträglich hörte ich, daß er der Hotelier Emil Baruch in Innsbruck war, der ihr das Palasthotel Fürstenhof angetragen hatte. Kurze Zeit darauf wurde sie in der Kurliste gemeldet, abgestiegen im Hotel Fürstenhof. Gefallen hat er ihr, wie es scheint, nicht, denn in den nächsten Jahren wohnte sie im Haus Belvedere. Es war nichts zu machen, aber geärgert haben mich die Worte, daß das Hotel Casino nie in Betracht komme, doch. Was war die Ursache zu solcher Äusserung ? So vergingen die Jahre.

Unerwartete Überraschung

      l Es war im Jahre 1908 im Frühjahr, als der Bezirkshauptmann Prinz Lichtenstein mich bat, zu ihm zu kommen. Da ich dazumal Obmann der Marienbader Hoteliers und Gastwirte war, meinte ich, er habe mit mir etwas zu besprechen. Als ich bei ihm war, sagte er, ich möchte meine Lebensgeschichte schriftlich einreichen. Auf meine verwunderte Frage, sagte er kurz, sich für Lebensgeschichten zu interessieren.
      l In dem Jahr war Hotelkongress in Italien. Da wir eine gute Saison gehabt hatten, überraschte ich meine Frau damit, die Reise zusammen zu machen. Meine Frau freute sich sehr, und so fuhren wir anfangs November ab.
      l Wir waren etwa vier Wochen unterwegs und ich freute mich schon auf zu Hause. Ich hatte diese fremdländische Kost mehr als satt, und wir wurden von einem Diner zum anderen geschleppt, wobei es immer hoch herging. Also wir kamen am 7. Dezember wieder zu Hause an, und ich bat meine Frau, wieder ein anständiges Rindfleisch oder Gulasch zu kochen und mich morgens ausschlafen zu lassen. Damit war es aber nichts. Am nächsten Morgen weckte mich meine Frau und gab mir ein Telegramm:
      "Zur allerhöchsten Auszeichnung gratuliert herzlichst Graf Coudenhove, Statthalter von Böhmen."
      l "Tu das Telegramm weg, es ist sicher falsch abgegeben!" sagte ich noch ganz verschlafen, drehte mich um und schlief weiter. Nach einiger Zeit rüttelte mich meine Frau wieder wach und sagte, daß noch zwei Telegramme, eines vom Prinz Lichtenstein und das zweite vom Marienbader Bürgermeister gekommen seien. Beide gratulierten. Nun machte ich aber einen Satz aus dem Bett und war munter. "Verstehst du das?" fragte ich meine Frau. "Nun muss ich aber zum Bezirkshauptmann und ihn um Aufklärung bitten."
      l Bei meinem Eintritt lachte er: "Na! Ihr Lebenslauf hat etwas eingetragen, Sie sind vom Kaiser dekoriert worden und haben das goldene Verdienstkreuz mit der Krone bekommen!" Auf meine Frage, wer der Auftraggeber für meinen Labenslauf war, erwiderte er, die Statthalterei in Prag, mehr wisse er auch nicht. "Ihnen bleibt nur übrig, mit einem Schreiben für die allerhöchste Auszeichnung zu danken, das ich dann weitergeben werde. Ich gratuliere noch einmal herzlichst." Damit war ich entlassen.

Neue Gäste

      l Das Hotel prosperierte als im Jahre 1911 ein Herr Dr. Floderer vorsprach, um sich Zimmer anzusehen. Kurze Zeit darauf kam ein Brief aus der kaiserlichen Kabinettskanzlei in Berlin. Eine Anfrage für 2 Schlafzimmer, 1 Salon, 2 Dienerzimmer und Garage, bei zivilen Preisen. Ich offerierte. Der Preis entsprach, und Anfang Juli traf ein Sohn des Kaisers, Prinz Adalbert mit Korvettenkapitän von Haxthausen ein. Der Prinz war ein liebenswürdiger junger Mann. Ich unterhielt mich öfters mit Herrn von Haxthausen und fragte eines Tages: "Nehmen wir einmalden Fall an, England würde Deutschland den Krieg erklären, oder umgekehrt. Was glauben Sie, wie sich die deutsche Flotte bewähren wird ?" - "Tja," meinte er, "von unserer Flotte wird wohl nicht viel übrigbleiben. Die Übermacht wird uns erdrücken. Aber was von den englischen Schiffen übrigbleibt, damit können sie keine Parade bei Spihead mehr veranstalten. In der Schiess kunst sind wir ihnen über."
      l Bei der Abreise bekam ich vom Prinzen eine Krawattennadel mit seinem Monogramm. "Auf Wiedersehen im nächsten Jahr", meinte er. Er kam auch wieder, und wir waren nun schon besser bekannt.
      l Ich muss hier etwas nachholen, was in späteren Jahren für mich wichtig wurde. - Der Prinz fragte mich einmal im ersten Jahr,warum die Prinzessin Stephanie nicht bei mir wohne. er habe bei ihr Besuch gemacht, und sie wohne doch sehr primitiv. Ich erzählte ihm daraufhin die ganze Angelegenheit mit dem Brief von der Baronin Gagern. "Nun", meinte er, "ich werde die Prinzessin einmal zu mir zum Tee einladen, damit sie hier die Zimmer sieht." Ich antwortete: "Königliche Hoheit, es würde mir ein Vergnügen sein, die Prinzessin zu begrüßen." - "Die wird einmal eingeladen", sagte er. Und richtig, kurze Zeit darauf kam sie zum Tee. Es dauerte nicht lange, da kam der Kammerdiener des Prinzen und sagte, daß sich die Prinzessin Zimmer ansehen möchte.
      l Ich brauchte nicht viel zu sagen. Das besorgte der Prinz. Er lobte und pries, daß er, wenn er nicht Prinz gewesen wäre, ein sehr guter Receptions-Chef hätte sein können. Beim Verlassen des Hotels sagte die Prinzessin zu mir: "Ich habe gar nicht gewusst, daß Sie so schöne Zimmer haben, mit so prachtvoller Aussicht." - Der Prinz schmunzelte. Als er sich von der Prinzessin verabschiedet hatte, nahm er mich Arm in Arm in seinen Salon und sagte: "Na, habe ich das gut gemacht ?"
      l Im folgenden Jahr im Mai kam ein Brief aus Oroszvar, geschrieben von der Baronin Gagern: "Ich ersuche um Preisangabe der Zimmer, die sich Ihre königliche Hoheit bei Ihnen angesehen hat. Die Vorschläge sind für 8 Personen zu machen."
      l Der Brief war unfreundlich, um nicht zu sagen hinterlistig verfasst, so daß ich in sehr höflichem Ton um nähere Angaben über die Zimmer bat, die ich auch sehr präzis bekam und nun meine Offerte machte, die akzeptiert wurde. Die Ankunft war Mitte Juni 1912 festgesetzt. Als zuvor Prinz Adalbert kam, konnte ich ihm hierüber Mitteilung machen. Hocherfreut sagte er: "Die hab´n wir erwischt!"

Spezial Eis Tutti Frutti

      l Tennis spielte der Prinz fleißig. Dabei hatte er sich in zwei ungarische Damen, zwei Schwestern, verschaut. Es ging das Gespräch, daß er sich verlobt habe, die Kaiserin aber Einspruch erheben und nach Marienbad kommen würde. Alles Klatsch.
      l Eines Tages gab er ein größeres Diner. Unter anderen waren die zwei Schwester eingeladen, einige Herren der Behörde und Freunde, darunter auch der bekannte Tennismeister Kleinschrott und Graf Zuboff, über den ich später noch berichten werde. Der Prinz dekorierte die Tafel selber. Das Menü sollte auserlesen sein und meine kleine Salonkapelle "Die Geigerbub´n" mussten spielen. In deren Musik war er direkt verliebt.
      l Serviert wurde unter anderem zum Schluß ein Eis "Tutti Frutti", eine Spezialität des Hotels. "Bei der nächsten Gelegenheit müssen Sie mir das Eis wieder servieren, das war delikat," sagte er. Er gab mir bald Gelegenheit dazu. Diesmal sagte er: "Wenn ich nur einmal das Eis der Kaiserin servieren könnte." Ich sagte diesen Wunsch meiner Frau. "Das geht schon", meinte sie. "Der Prinz fährt doch jedes Jahr zu seinem Geburtstag nach Wilhelmshöhe zur Kaiserin. Da kann er ja das Eis mitnehmen."
      l "Wir setzen es in einer Bombe in einen Kübel, dann klappt die Sache." Am nächsten Tag sagte ich dies dem Prinzen. "Gut", meinte er, "den Kübel nehme ich zu mir in den Salonwagen. Ich fahre nachmittags um 4 Uhr hier ab und bin um Mitternacht in Kassel. Dort übergebe ich den Kübel persönlich dem Küchenchef."
      l So geschah es. Das Eis hatte sich ausgezeichnet gehalten. Am selben Nachmittag bekam ich ein Telegramm: "Eis sehr gut geschmeckt." Einige Tage später bekam ich einen Brief aus Potsdam, wie folgt:
      l "Sehr geehrter Herr, Seine königliche Hoheit Prinz Adalbert hatte zwei Bomben Eis mitgebracht. Wenn uns die Zusammensetzung auch bekannt ist, so habe ich doch den allerhöchsten Auftrag Sie um ein genaues Rezept dafür zu bitten. Wollen Sie die Güte haben und das beigefügte Couvert dazu benutzen. Mit Hochachtung ergebenst Hofküchermeister Müller"
      l Wie es scheint, war er seiner Sache doch nicht sicher. Einige Tage vorher war ein Telegramm aus dem kaiserlichen Palais in Potsdam gekommen:
      "Seine Königliche Hoheit Prinz August Wilhelm lassen bitten um baldgefällige Mitteilung des Rezepts von rosarothen Fruchteis, welches hochderselbe körzlich zweimal gegessen haben. Hofmarschallamt Villa Liegnitz."

Ein Besuch Grafes Zuboff

      l Ich erwähnte früher den Namen Zuboff. Ich komme nun auf diesen Herrn zurück. Eines Tages fragte mich Prinz Adalbert, ob ich für die nächsten Tage für einen Freund ein Zimmer frei hätte. Als dieser Freund ankam, stellte ihn mir der Prinz vor als Graf Zuboff. Den Namen musste ich schon einmal gehört haben. Ich besann mich, konnte aber nicht zurecht kommen. Schließlich sah ich im Bilderalbum meines Vaters nach, und richtig, ich fand ein Bild und zeigte es beim Diner dem Grafen Zuboff mit der Frage, ob er den Herrn kenne. "Das ist mein Vater", rief er, "wie kommen Sie zu diesem Bild ?"
      l Ich wies ihn auf die Widmung auf der Rückseite hin und erklärte ihm, daß laut Fremdenbuch vom Jahre 1894 Graf Zuboff mit Gattin und zwei Kindern, und mit Dienerschaft im Hotel gewohnt hatte. Nun, meinte er zum Prinzen: "Dann habe ich schon als kleines Kind in diesem Hotel gewohnt. Jetzt freue nich erst recht, daß Du mir hier Unterkunft besorgt hast."
Alles Geschehen ist relativ wichtig!

Im Theater

      l Wegen eines Fussleidens war ich bettlägerig. Da ich es aber nicht den ganzen Tag im Bett aushielt, hatte mir meine Frau ein Paar schwarze weiche Lederschue gekauft, so daß ich wenigstens zeitweise in´s Geschäft gehen konnte. Ich sass gegen Abend im Büro, als der Prinz hereingestürzt kam. "Gott sei Dank, daß Sie wieder da sind. Denken Sie nur was mir soeben passiert ist. Ich habe heute mit zwei ungarischen Damen Tennis gespielt und sie eingeladen, mit mir ins Theater zu gehen. Ich fuhr zur Theaterkasse, um eine Loge zu bestellen.
      l Als mir die Kasssiererin sagte, daß leider alle Logen ausverkauft seien, wollte ich dies nicht glauben, bis sie mich anfuhr, Platz zu machen für die anderen Leute, die noch Billets haben wollten. Ich bin ganz verzweifelt und kann die Damen nicht mehr verständigen. Mein Auto steht draußen und wird sie hinbringen."
      l Bevor ich mich versah, schleppte er mich mit dem Portier zum Auto, obwohl ich ihm versicherte, daß ich nicht laufen könnte, um ihm zu seiner Loge zu verhelfen. Im Theater ging ich zu Direktor Julius Laska und erzählte ihm, daß die Kassiererin den Prinzen, den sie nicht kannte, angeschnaut habe und der Prinz unbedingt eine Loge haben müsse.Nun wurde er munter. Er meinte, es komme allein die Loge des Bezirkshauptmanns in Frage, aber ich müsste ihn darum ersuchen. Ich telephonierte mit dem Ergebnis, daß er leider die Loge an einen Sektions-Chef aus Wien verschenkt habe. Schließlich kam ich mit ihm überein, daß zwei Plätze in der großen Fremdenloge für den Sektions-Chef freigemacht wurden und der Prinz die Loge bekam. Hiervon machte ich dem Prinzen Mitteilung und stellte mich vor die Loge und wartete.
      l Als der Sektions-Chef kam, erklärte ich ihm, daß er die Loge nicht haben könne, aber in der großen Loge Plätze für ihn reserviert seien. Er meinte zwar, daß ihn der Prinz nichts angehe, gab sich aber damit zufrieden. Als der Prinz mit den Damen kam, drückte er mir die Hand und ließ mich nach Hause fahren. Später fiel er mir um den Hals und bedankte sich, als ob ich ihn in einer Staatsaffaire geholfen hätte.
      l Prinz Adalbert wurde jährlicher Stammgast bis 1914. Nach einem kurzen Besuch beim Herzog von Meiningen teilte er mir mit, daß Erzherzog Ferdinand d´Éste und Frau in Sarajewo ermordet worden seien. Ganz verstört nahm er mich bei den Schultern und sagte: "Was wird aus Euch, Gott schütze Österreich!" - Kriegsgerüchte schwirrten bereits durch die Welt.
      l Bevor ich fortfahre, möchte ich noch einiges von Gästen und lästigen Begebenheiten erzählen.

Johann Strauss - der Walzerkönig im Hotel Casino

     
l Es war noch zu meines Vaters Zeiten, als Johann Strauss mit seiner jungen zweiten Frau in den Parterrezimmern Nr. 1 und 2 und 3 wohnte. An dem Zimmer Nr.1 war eine große Veranda. wo er täglich mit seinen Freunden Tarock spielte. Eines Tages - ich machte den Kiebitz - bekam er ein großes Blatt in die Hand, sagte 10 Tarock, Pagat und noch anderes an, kurz ein Bombenblatt. Plötzlich legte er die Karten zusammen, ging einen Augenblick in´s Nebenzimmer und notierte sich ein paar Takte auf seine Manschette. "So", meinte er dann, "nun aber los! Die Herren laufen mir nicht davon, aber die Melodie!" Seine Manschetten waren immer voll mit Noten beschrieben. Zum Abschied schrieb er meinem Vater die ersten drei Takte der "Schönen blauen Donau" in sein Album.
      l Am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Johann Strauss zu den drei populärsten Persönlichkeiten der Welt - neben der englischen Königin Viktoria und Bismarcks. Er hat die alte Welt im Rhythmus des Wiener Walzers vertanzt, trotzdem er ein sehr ungeschickter Tänzer war.
      l Der zweite Marienbader Aufenthalt des Komponisten mit seiner Familie war 1891 in der Nachbarvilla Newa (Haus Nr.124 in der heutigen Russischen Straße). Vom dortigen Balkon folgte er den Konzerten einer Militärkapelle im damaligen schönen Casino-Park (zwischen dem Hotel Casino und der Villa Newa). In dieser Zeit entstand in Marienbad eine schöne Tradition der Strausschen Konzerte - am Café Bellevue (wo er selbst im J. 1891 seine Walzer dirigierte), im Kursaal, am Panorama, beim Waldbrunnen usw. Diese Strausssche Konzerte, die nie in Marienbad fehlen durften, wurden nach dem Ersten Weltkriege durch Wagnersche Konzerte verdrängt.

Anton Rubinstein - König der Pianisten

      l Anton Rubinstein, der berühmteste Komponist und Klavierspieler, übte täglich in seinem Salon. Eines Tages trat ich behutsam ein, aber sein Gehör war sehr scharf, und er drehte sich nach mir um und meinte, sich wegen der Fingerübungen, die er spielte, entschuldigen zu müssen.
      l Er sagte: "Ja, wenn ich nicht jeden Tag übe, merke ich das sofort, übe ich aber zwei Tage nicht, dann merkt es das Publikum."
      l Am selben Tag war eine große Überschwemmung in Polen. Zu Gunsten der Betroffenen gab er im Kursaal ein Konzert und konnte über 3000 Gulden dem Hilfsfond überweisen. Im darauffolgenden Winter ging er nach Dresden und wohnte im Hotel Europäischer Hof. Da mich der Besitzer, Herr Sendig, im gleichen Winter engagiert hatte, trafen wir hier wieder zusammen.

Rubinstein und Haus Sanssouci

      l In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Marienbad glänzende Kurzeiten. Aus aller Herren Ländern kamen Gäste, die in den waldumsäumten, eleganten Badeort Heilung und Freude fanden. Da kam an das Bürgermeisteramt die Nachricht, daß der in aller Welt gefeierte Pianist Anton Rubinstein mit seiner Familie nach Marienbad kommen wolle; man möge für den Künstler eine passende Wohnung suchen.
      l Das war schwer jetzt in der Hochsaison. Doch da gerade im Haus SANSSOUCI, das damals noch einstöckig war und mit seiner ruhig vornehmen Fassade, seinem eleganten Vestibül sich als ein vornehmes Herrschaftshaus zeigte, gerade eine Partei abreiste, wurde die Wohnung im I.Stock gemietet.
      l Die Wiener Pianofabrik Bösendorfer schickte einen großen Konzertflügel zur Benützung für den Meister, und als dieser durch die großen, 4 Meter hohen, eleganten Zimmer schritt, sein Blick in das ruhevolle Grün des Kurparks schweifte, war Rubinstein sehr zufrieden und meinte, hier werde er sich ausruhen können und an seiner Oper "Der Dämon" arbeiten. Rubinstein war von Marienbad entzückt, und nachdem er sich einige Tage eingelebt hatte, lud er einige Bekannte zu einer abendlichen Plauderstunde ein.
      l Wie gerne alle kamen, darunter eine Polin mit ihren schönen Töchtern, kann man sich vorstellen. Der Fürst im Reich der Töne war in glänzenden Laune. Er fühlte sich sehr wohl in Marienbad, und eine angeregte, geistvolle Unterhaltung schwirrte durch den Salon.
      l Aber immer wieder streiften die Augen der Gäste den großen Konzertflügel, der stumm dastand. Der Wunsch, daß ihn des Meisters Zauberhände zum Klingen bringen möchten, kam wohl aus allen Herzen, sprach aber besonders stark aus den Blicken der schönen Polinnen. Als der Künstler einen dieser bittenden Blicke auffing, lächelte er gütig, schritt zum Flügel, öffnete den Deckel und dann griffen seine Hände in die Tasten. Zuerst leise, wie probierend; aber dann quoll ein Wohllaut ohnegleichen aus dem Instrument. Rubinstein, der Pianist von Weltruf, bereitete seinen Gästen eine Feierstunde erlesenster Schönheit. Alle lauscht glücklich und ergriffen.
      l Da klopfte es hart an der Türe. Die Zuhörer erschraken und wurden jäh aus ihrer Glücksstimmung gerissen - doch Rubinstein, dessen Seele weltentrückt im reich der Töne schwebte, spielte weiter. Da klopfte es noch energischer und eine laute Männerstimme fragte, ob denn nicht bald Ruhe würde, es sei ja schon spät und morgen früh müsse man ja zeitig zum Brunnen.
      l Da erwachte der Meister aus seiner Weltentrissenheit, er sprang auf und schlug erregt den Deckel des Instrumentes hart zu. Zerstört war die wunderschöne Feierstunde - der große Künstler, dem solch Unerhörtes geschehen, war böse. "Hier kann ich nicht bleiben" rief er aus, "wenn ich keine andere Wohnung bekomme, reise ich ab!" - Und er wiederholte das auch, als er am nächsten Vormittag beim Bürgermeister erschien. Doch dem weltgewandten Stadtoberhaupt gelang es bald, den erzürnten Künstler zu beruhigen. Es wurde gleich Umschau gehalten nach einer anderen, passsenden Wohnung und nun fand diese in Villa TRIANON (Hauptstraße Nr. 99). Die schöne am Ende der oberen Kaiserstraße liegende kleine Villa gehörte einem Advokaten, der für einige Wochen verreiste und seine ganze Villa zur Verfügung stellte.
      l Hier war es nun der große Künstler zufrieden. Er blieb einige Wochen in Marienbad, das sein für das Schöne so empfängliche Herz begeisterte. Und als in dieser Zeit eine kleine Stadt in Marienbads Umgebung (Stadt Plan) von einer verheerenden Brandkatastrophe heimgesucht wurde, bei der viele Menschen Hab und Gut verloren und sich die Kurstadt Marienbad an die Spitze der Hilfsaktion stellte, fand sich Anton Rubinstein gleich bereit, öffentlich in Marienbad für die Opfer des Brandes zu spielen. Die Matinee im Kursaal wurde das größte künstlerische Ereignis des Sommers. Von nah und fern kamen die Zuhörer, und obgleich der billigste Platz 100 Gulden kostete, waren bald alle Sitze verkauft, und viele, die von weit herkamen, fanden keinen Einlaß mehr. Anton Rubinstein, ein Fürst im Reich der Töne, spielte hinreißend und wurde von den begeisterten Zuhörern umjubelt. Dem Hilfswerk aber floß durch die edle, warmhezige Mithilfe des Künstlers eine große Summe zu..
      Zickler Maria "Ein Erlebnis Anton Rubinsteins in Marienbad" - 1950 (Erinnerugen an Marienbad)

Piano BÖSENDORFER ?

      l Anton Rubinstein ist am 20.Juli 1884 nach Marienbad gekommen und wohnte zuerst im Haus SANSSOUCI, dann in Villa TRIANON (heute Polizei). Der Konzertflügel von Wiener Pianofabrik Bösendorfer wurde aus dem Haus Sanssouci ins Hotel CASINO abtransportiert; der Hotelier Christian Viktor Petzoldt hat wahrscheinlich das Instrument gekauft und Anton Rubinstein übte hier im Hotelsalon täglich und fleißig. Das haben wir schon gelesen.
      l Was ist mit dem Flügel geschehen ? Es kann unerglaublich werden, wenn wir mit dem hiesigen Primarius MUDr. Vladimír Køížek, DrSc., den alten Klavier im Salon der Poliklinik des damaligen Forschungsinstitutes für Balneologie geöffnet haben (1993), haben wir auf dem Pianodeckel ein Aufschrift "BÖSEN- DORFER" gelesen. Der alte Flügel, auf welchem der König von Pianisten im Jahr 1884 in Marienbad konzertierte, war vor uns. Dieses Instrument befindet sich heute im Goethe-Museum auf der Goetheplatz.
      Švandrlík Richard "Pøíbìh starého klavíru" in Mariánskolázeòské listy è.14 z 9. dubna 1993

Otto´sche Maschine

      l Einmal bekam ich ein Telegramm: "Ankomme nächsten Dienstag, reservieret Einbettzimmer. Otto". Ich ging meine ganze Verwandtschaft durch, fand aber keinen Otto.
      l Am folgenden Dienstag kam ein Herr an und stellte sich vor "Otto". Ich kannte ihn nicht, war aber jetzt im Bilde, daß sein Familienname Otto war. Ich führte ihn auf das Zimmer und während wir Verschiedenes besprachen, kam der Portier und brachte ein Telegramm für Herrn Ingenieur Otto. er öffnete es und fing an zu jubeln und führte einen richtigen Veitstanz um mich herum auf.
      l Ich wartete bis er sich ausgetobt hatte. Endlich hielt er mir das Telegramm vor die Nase: "Da lesen Sie!". Es lautete: "Soeben Ihr Patent nach England verkauft," - und dann folgte eine Summe, die mir entfallen ist, aber sie war bedeutend. "Heute abend," sagte er, "sind Sie mein Gast, das Menü überlasse ich Ihnen." Im scherzenden Ton sagte ich, daß es mir nur leid tue, daß das Telegramm nicht früher gekommen ist, bevor ich den Preis genannt habe. "Auch gut," meinte er, "wenn ich eine Freude habe, sollen Sie auch eine haben. Berechnen Sie mir den doppelten Preis." Herr Otto ist durch seine Otto´sche Maschine einer der berühmtesten Ingenieure geworden.
      Vermutlich geht es um Nikolaus OTTO (1832-1891), Ingenieur-Erfinder u.a. des Viertaktmotors, sog. Otto-Motor.

Scheck von Lord Lonsdale

      l Lord Lonsdale wohnte mehrere Saisons bei mir. Er hatte meist Gäste bei Tisch und fragte eines Tages, ob er die Kurkapelle zu Mittag spielen lassen kann. Damals war Direktor Schreyer Kapellmeister. Dieser verlangte für eine Stunde Mittagskonzert 1 000 Kronen. "Gut," meinte Lord Lonsdale, " sooft schönes Wetter ist, lassen Sie die Kapelle spielen."
      l Lord Lonsdale hatte ziemliche Einkäufe gemacht u.a. mehrere Kühe und Ziegen, zwei Sportwagen etc. und alles mußte ich auslegen. Eines Tages fragte ich seinen Kurier, ob ich die Wochenabrechnung bezahlt bekommen könnte. Ich wies darauf hin, daß ich schon so viel ausgelegt hätte, daß ich schon gar nicht mehr wüsste, wie ich meine Lieferanten bezahlen sollte. Der Kurier riet mir, abzuwarten, da sein Herr nur einmal und zwar bei der Abreise zahlen würde. Tatsächlich war es so, und ich bekam dann einen so großen Scheck, daß die Bank ihn bei der Vorlage gar nicht auszahlen konnte, da nicht genug Geld in der Kasse war. Lord Lonsdale war einer meiner nobelsten Gäste.

Sohn des Generals Dinklage

      l Ein ständiger Gast war ein deutscher Rittmeister, Herr von Dinklage, dessen Vater ein bekannter General im Siebziger Krieg gewesen war. Herr von Dinklage war Anfang Mai immer einer meiner ersten Gäste. Er reiste mit großem Gepäck und brachte sogar einen Rauchtisch und einen Teetisch mit allem Zubehör mit. Gleich nach der Ankunft rief er jedesmal den Hausmeister und ging zum Leidwesen sämtlicher Stubenmädchen inspizieren.
      l Hierbei holte er sich aus den verschiedensten Zimmern, was er zum Ausschmücken seines Wohnzimmers brauchte. Auf die schüchternen Einwendungen der Zimmermädchen, daß die verschiedenen Möbel zum jeweiligen Inventar gehört, beruhigte er sie mit einem douceur und meinte, daß sie sich, wenn er abgereist sei, alles wieder holen können. Ich kannte diese Eigentümlichkeiten und ließ ihn gewähren. Er war ein guter Gast und Liebhaber von Bordeaux-Weinen.

Prager Baronin

      l Eine andere Schrulle hatte eine Baronin, eine Sternkreuz-Ordensdame aus Prag. Der Hausmeister bekam von ihr den Auftrag, so viel wie möglich Fensterwatte zu kaufen. Sie brachte nämlich Katzen mit, die keine Zugluft bekommen durften. Es mussten sämtliche Fenster und Türen mit Watte ausgefüttert werden. Komische Leute, mit denen man manchmal zu tun bekam.

Ein hiesiger Erfinder

      l Ein hiesiger Arzt, Dr. St. , kam oft zum Speisen ins Hotel. Eines Tages hatte er die Speisekarte vor sich liegen und schrieb emsig auf die freie Rückseite. Nachdem das Blatt schon ganz vollgeschrieben war, rief er mich und erzählte mir, daß er eine bedeutende Erfindung gemacht hätte. Neugierig frug ich, ob ich es wissen dürfe. Nun entwickelte er mir, wie man Schnee chemisch trocknen könnte und dann zur Verstärkung des Kreuzbrunnens benutzen. Ich war im ersten Moment starr, er hatte so konfus gesprochen, daß es in seinem Kopf nicht ganz richtig sein konnte.
      Kurze Zeit darauf musste er ins Irrenhaus gebracht werden.

Ein englischer Major

      l Ein englischer Major, der mit Frau und Tochter bei mir wohnte, meinte eines Tages: "Wir Engländer sind doch ein recht unkultivierstes Volk!" Auf meine Frage, wie er zu einer solchen Meinung über seine eigene Landsleute komme, sagte er: "Sehen Sie, ich kann in Ihrem Hotel hinkommen, wohin ich will, ich werde überall Englisch angesprochen. Ob das nun der Portier, Liftboy, Ober oder Kellner ist, ja sogar die Stubenmädchen sprechen etwas Englisch. Das sind doch alles kleine Leute, Leute aus unteren Ständen, und sie sprechen Sprachen. Ich bin zum ersten Mal auf dem Kontinent, bin nie aus England herausgekommen. Nun merke ich erst, daß wir uns gar nicht einbilden können, daß wir eine Weltnation sind."
      l Dann erwähnte er einmal, daß er hier ausgezeichnet schlafen könne.
      l Im Herbst bekam ich einen Brief von ihm, den ich aber der schlechten Schrift wegen nicht entziffern konnte. Ich drehte den Brief hin und her. Er war nicht zu lesen. Da erinnerte ich mich des Direktors Herzog im Hotel Klinger, der mehr als zehn Jahre in Amerika gelebt hatte. Ich bat ihn, den Brief zu enträtseln. Auch er drehte ihn nach allen Seiten. "So eine Schrift habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen." Er bat mich, ihn den Brief dazulassen, da es ihn interessierte, diesen zu enträtseln. Acht Tage später ging ich zu ihm, und er meinte: "Einen großen Teil habe ich herausbekommen, aber ganz fertig bin ich auch nicht damit geworden." Nun setzten wir uns zusammen und verglichen die Buchstaben, und endlich hatten wir das Resultat. Er wünschte die genauen Maße des Bettes, in dem er bei mir geschlafen hatte, da er sich in England hiernach eins bauen lassen wollte.

Eine falsche Amerikanerin

      l Eines Tages, in der Nachsaison kam ein Amerikaner und fragte, ob ich für einige Tage ein Doppelzimmer für ihn hätte. - "Wenn drei Tage genügen, kann ich dienen. So lange habe ich das Zimmer noch frei.." - "Das genügt mir", meinte er, "ich komme sofort mit meiner Frau."
      l Bei der Abreise, als er die Rechnung bezahlte, kam seine Frau zu ihm und bat ihm, er möchte ihr 20 Heller geben. Auf seine Frage wozu, sagte sie, sie möchte das Personal tippen. Trotzdem es bei mir nicht Sitte war, Bedienungsgeld zu rechnen, sagte ich nun, daß das Bedienungsgeld berechnet sei. Sie muckte auf und meinte: "Wir Amerikaner sind nicht gewohnt, Bedienungsgeld zu bezahlen. Wir tippen das Personal selbst. - Mir schwoll nun der Kamm. Mit zwanzig Heller ! - "Sie sind ja gar keine Amerikanerin!" - "So ? Was bin ich densonst ?", fragte sie. Verärgert sagte ich: "Sie sind aus Lemberg!" - Mit schallenden Gelächter schlug ihr Mann sich auf die Schenk und rief: "She is really from Lemberg." Zorbebend schoß sie hinaus, und der Amerikaner bezahlte ohne Widerrede das Bedienungsgeld.

Mein Freund aus der Jugendszeit nach 30 Jahren

     
Eine Episode aus meine Volontärzeit, die erst dreißig Jahre später endete:
      l Ich war 15 Jahre alt, als mich mein Vater aus der Realschule nahm. Er meinte: "Du kommst ja doch in der Schule nicht weiter." Durch einen Freund seines Schwagers Kühn, Besitzer des Hotels Schrieder in Heidelberg, brachte er mich noch im selben Herbst in Vevey am Genfer See, ins Hotel TROIS COURONNES, unter, um da das Hotelgewerbe zu erlernen. Harr Schott, mein Prinzipal, war sehr streng mitunter auch sehr ungerecht. Wir waren vier Volontäre, die wie Pech zusammenhingen. Einen geregelten Ausgang gab es nicht. Wir mussten uns den Ausgang erst verdienen und das war so. - Alle 14 Tage mussten zwei Hut Zucker zu Würfeln geschnitten werden. Zu zweit wechselten wir uns immer ab und zwar mussten die Zucker-Hüte zuerst in Scheiben gesägt werden, die dann mit einem Habelmesser in Würfel geschnitten wurden. War es nun aus Sparsamkeit oder gab es damals in der Schweiz noch keinen Würfelzucker, darauf kann ich mich nicht entsinnen. Erst dann, wenn die zwei Zucker-Hüte in Würfel verarbeitet waren, durften wir zur Belohnung ausgehen. Selbstverständlich waren wir haste was kennste was fertig, um unseren Ausgang nicht zu schmälen. Wir hatten uns bald zusammengefunden, wie wir uns am besten untereinander vertrugen. Mein Kumpan war ein Berliner Junge.
      l Anderen Ausgang verschafften wir uns dadurch, daß wir abend einfach ausbrechen. Erwischt durften wir natürlich nicht werden, da dann der Ausgang für Wochen gesperrt wurde.
      l Gut dreißig Jahre später stehe ich eines Tages vor dem Hotel CASINO, als ein Herr vom Café Egerländer herunterkam und mich schon von weitem mit Namen anrief. Ich ging ihm entgegen. - "Du heißt doch Pertzoldt ?", fragte er. Holflos stand ich vor ihm. "Du hast mir im Genfer See das Schwimmen beigebracht. Mein Name ist Speisewagen-Klicks." - Dabei schaute er am Haus in die Höhe und fragte: "Gehört dir das Hotel ? Du hast es ja weit gebracht!" Nun dämmerte es bei mir: Klicks aus Berlin. Sein Bruder, Direktor im Hotel Continental, hatte meine Anstellung nach Vevey vermittelt.
      l Nun erzählte er, daß ihm sieben Speisewagen gehören und vier weitere im Bau sind. Vier stück habe er sozusagen von seinem Prinzipal geerbt, der ihn liebgewonnen hatte. Da er nur zwei Töchter gehabt habe, die sehr gut versorgt waren, hatte er eines Tages einen Hotel kommen lassen und ihm vier Wagen für einen lächerlich billigen Preis übereignet. Die Kaufsumme sollte erst nach seinem Tode in Raten an seine Töchter ausgezahlt werden. Noch heute staune ich über sein fabelhaftes Gedächtnis, umso mehr als ich beim Wiedersehen einen Vollbart trug.

Ein Petersburger im Hotel

      l Zu der Zeit als Großfürst Wladimir, der Bruder des russischen Kaiser, im Hotel wohnte, war ein russischer Fabrikant, Herr Fechtel, ein alter Stammgast, im Hotel. Ein älterer, sehr sorgfältig gekleideter Herr, der immer einte Tuba-Rose im Knopfloch trug. Auch grüßte er nach allen Seiten, wenn er zu Tisch ging. Dies bemerkte der Großfürst und eines Tages sprach er Herrn Fechtel an und was ihm fehle. "Mir fehlt nicht viel, Kaiserliche Hohait. Ich bin mehr zu meiner Erholung hier." - "Denn schneiden Sie wohl mehr den Damen die Kur ?", sagte lächend der Großfürst. Herr Fechtel sagte mir nachträglich: "Wenn ich das Gespräch meinen Freunden in Petersburg erzähle, erklären sie mich für verrückt, denn es wäre ganz ausgeschlossen, daß der Großfürst in Rußland irgendjemand, der nicht zum Hofe gehöre, ansprechen würde.

Alfred Nobels Abschied

      l Anfang der 90-er Jahre war Alfred Nobel, der durch Erfindung des Dynamits bekannt gewoirden war, als Gast im Hotel CASINO.Als er abreisen wollte, ging mein Vater und ich auf sein Zimmer, um uns zu verabschieden. Herr Nobel bedankte sich sehr für die gute Aufnahme im Hotel und nahm dann zu unserem Erstaunen von allen vier Zimmerwänden einzeln Abschied indem er sich gegen jede Wand verneigte und sagte: "Adieu du liebe Wand!" Dann trat er auf den Balkon hinaus und nahm von Marienbad Abschied, indem er sagte: "Adieu, du liebes Marienbad und du schöner Wald!" - Wir haben den Eindruck gehabt, daß er nicht mehr ganz normal sei. Ein oder zwei Jahre später ist er gestorben, ohne Marienbad wieder besucht zu haben.

Der Bräutigam aus Hamburg

      l Die Post brachte eines Tages einen Brief, über den mein Vater herzlich lachte, und den er einsteckte. Zu Pfingsten hatten sich vier fidele Herren aus Zwickau zu einer Kegelpartie angesagt, darunter auch mein Onkel Rosenbaum. Es wurde ein opulentes Mittagessen, an dem auch mein Vater teilnahm gereicht und man war sehr lustig. Da erinnerte er sich an diesem Brief und las ihn vor: "Unterschriebener ist ein wohlbestallter Magistrats-Beamter in Hamburg und möchte gern in den Stand der Ehe eintreten. Da ich gehört habe, daß in Marienbad das Eldorado der Dicken ist, wende ich mich certrauensvoll an Sie und möchte Sie bitten, mir die Adresse einer solchen dicken Dame bekannt zu geben. Es ist doch möglich, daß eine solche Dame, die unverheiratet ist, bei Ihnen wohnt. Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie mir in dieser Angelegenheit Hilfe leisten können." -
      l Unter Jubel wurde dieser Brief unter dem Motto: "Darum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was dickeres findet," beantwortet.

Alfred Grünfeld

      l Alfred Grünfeld war eines Tages mit anderen Künstlern zu einer Jause zu Madamme Zembrich, einer berühmtern Sängerin, die bei mir wohnte, eingeladen. Es wurde gesungen und musiziert. Herr Grünfeld ließ sich eine Kleiderbürste bringen und spielte den Faustwalzer, indem er mit der rechten Hand die Kleiderbürste benützte. Der Aplaus war natürlich groß, es war ein Bravourstück. Vielspäter, vielleicht nach 20 Jahren, erinnerte ich ihn anläßlich eines Konzertes in Karlsbad, im Savoy-Hotel, an diese Sache, wozu er meinte, daß er damals wohl betrunken gewesen sein müsste.

In der Kriegszeit 1914-1918

      l Noch eine andere Sache mit Grünfeld. Eines Tages kam eine Amerikanerin und fragte, ob ich ein Diner servieren möchte, für 20 Personen, unter Bedingung, daß das Klavier aus dem Musiksalon in die Marmorhalle gebracht wird. An dem betreffenden Tag war auch Herr Alfred Grünfeld eingeladen. Die Suppe war serviert - ich stand mit einem Herr im Vestibül im Gespräch - da huschte Herr Grünfeld in Hut und Mantel an uns vorüber und verschwand. Später erst erfuhr ich die Ursache, daß er wohl befürchtete zum Spielen aufgefordet zu werden. Wer Herrn Grünfeld näher kannte, wusste, wie erpicht er auf sein Honorar war und es wird ihm wohl das Diner allein nicht genügt haben. Ich erinnere mich, daß im ersten Augenblick die ganze Gesellschaft auf der Suche nach Grünfeld war.
      l Immer mehr bekam nun auch Marienbad den Krieg zu spüren. Der Besuch wurde immer schwächer, die Lebensmittel wurden nach und nach knapp. Die Verbote wurden zwar durchbrochen, aber es wurde schließlich unmöglich auch den kleinsten Ansprüchen der Gäste nachzukommen. Diese Zeit war schrecklich - auf der einen Seite die Verbote, auf der anderen Seite die Gäste, welche verpflegt werden wollten.
      l Prinzessin Stephanie blieb auch während des Krieges mein treuer GaST: In den ersten beiden Jahren ließ sie oft große Körbe mit belegten Broten füllen, um sie an den Zügen an die von Eger aus an die Front gehanden Soldaten zu verteilen. Später ging auch das nicht mehr, nachdem wir Lebensmittelkarten erhalten hatten. Von ihren belgischen Verwandten sprach sie nicht zweimal gut^, sie war doch eine gute Österreicherin geworden. Während des ganzen Krieges unterhielt sie in Oroszvar ein Spital und schickte mir auch eines Tages ihr Bild in Schwesterntracht.
      l Nach vier Jahren waren wir durch den Hunger auf die Knie gezwungen worden. Bedeutende Reparaturen und Neuschaffungen standen mir bevor, andererseits waren die Schuldzinsen sehr hoch ange schwollen.

Verkauf des Hotels CASINO

      l Meine Frau hatte der Krieg schwer mitgenommen, so daß ich beschloss das Hotel bei nächsten Gelegenheit zu verkaufen. Diese Gelegenheit kam bald. Eines Tages sassen wir beim Nachmittagskaffee, als ein Herr den Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte: "Wollen Sie 1 500 000 Kronen für das Hotel - ich bin sofortiger Kaufer!" Meine Antwort war: "Nein." - Er trank mit uns eine Tasse Kaffee, nachdem er sich als Herr Rosner vorgestellt hatte. Einige Wochen später kam der Verkauf zustande zum Preis von 1 650 000 Kronen.
      l Im Oktober 1919 übergab ich das Hotel an die Firma Rosner & Co., Prag Silber, Wäsche und Porzellan wurde nach dem Inventar übergeben, die Zimmer komplett eingerichtet. Vorräte aller Art waren nicht einbegriffen, darunter auch die Weine. Die Gesellschaft erbat sich für die Vorräte Bedenkzeit bis Anfang November 1919. Ich bot den ganzen Weinvorrat, worunter viele Qualitätsweine waren, um mir die Mühe des Einpackens zu ersparen, mit 30 000 Kronen an.
      l Österreich war inzwischen aufgeteilt worden, wir waren tschechenangehörig geworden und hatten tschechische Währung erhalten. Unverständlicher Weise wurde der Wein nicht übernommen. Ich bot ihn nun meinen Kollegen an und in wenigen Tagen war der Keller geräumt. Ich habe 54 000 Kronen eingenommen. So ist es, wenn Unverstand vorherrscht - sie waren keine Hotelfachleute und konnten das Hotel auch nicht halten. Aber Glück hatten die doch, denn der Tschechoslowakische Staat übernahm von ihnen nach einigen Jahren das Hotel zum Preis von 2 500 000 Kronen. Freilich hatten sie mehr als für 1 Million hineingebaut.

Wieder im Hotelbetrieb - in Karlsbad

      l Ich war nun frei, mietete in der Villa Hammerschmied eine Wohnung, aber nur wenige Monate war mir Ruhe vergönnt. Gegen Ende Juni 1920 trat Generaldirektor Wei der Hotel und Bäder A.G. an mich heran, ob ic nicht das Hotel Savoy in Karlsbad führen wollte. Ich hatte keine große Lust, noch zumal meine Frau gerade eine Operation hinter sich hatte. Er meinte, er sei unterrichtet, aber er wisse auch, daß ich am heutigen Tage meine Frau abhole, da sie in häuslicher Pflege bleiben könnte. Kurz und gut, er setzte mir so zu, daß ich um Bedenkzeit bat, bis ich mit meiner Frau gesprochen hatte. "Ich komme morgen früh um 9 Uhr, um mir Ihre Antwort zu holen." Damit ging er. - Am selben Nachmittag holte ich meine Frau aus dem Krankenhaus und teilte ihr meine Unterredung mit. Wir wurden ening, daß ich die Stelle annehmen soll. Am nächsten Morgen bat mich Direktor Weil meine Bedingungen zu stellen. Ich verlangte 35 000 Kronen für die Sommermonate und wir wurden einig, daß ich den Posten am 23. Juni antrete. Um mir das Hotel zu zeigen, fuhren wir noch am gleichen Tag nach Karlsbad.
      l Nach kurzem Einblick in den Betrieb war es mir klar, warum er solche Eile hatte. Der bisherige Direktor hatte infolge einer im Kriege erlittenen Kopfverletzung vollkommen versagt. So nahe ich Ende Juni die Tätigkeit auf, während meine Frau noch in Marienbad blieb. Sie hat später das Economat geführt, wofür ihr ebenfalls 10 000 Kronen bewilligt waren.
      l Ende der ersten Saison wurden die Aktien der Hotel und Bäder A.G. an den Prager Trabrennverein verkauft, an dessen Spitze ein gewisser Herr Bauer stand. Die Ansichten dieses Herrn über Hotelführung, wovon er nichts verstand, veranlassten mich, nachdem ich vier Jahre das Hotel geleitet hatte, wieder abzutreten, womit ich auch meine Hotelierlaufbahn beendete. Das Hotel Savoy hatte bis 1923 ausgezeichnet gearbeitet und auch hier hatte ich bald wieder ein auserlesenes Publikum herangezogen. Unter anderen hatte sich auch Präsident T.G.Masaryk in das Hotelbuch eingetragen. Das Jahr 1923 brachte, wie nach dem Wirtschaftsniedergang in der ganzen Welt zu erwarten war, schwere Enttäuschungen, so daß ich mich entschloßen hatte, die zwei Depandancen Villa Cleopatra und Carlton überhaupt nicht zu öffnen. - Der Pariser Zug hatte aufgehört zu verkehren. Die internationale Züge waren zu größten Teil eingestellt, was für mich besonders schlimm war, da meine Kundschaft zu 90 Prozent aus Ausländern bestand.
      l Während wir in den letzten Jahren nur unser Winterquartier in Marienbad gehabt hatten, übersiedelten wir jetzt wieder ganz nach dort, aler es sollte mir auch jetzt nicht gelingen als Privatmann zu leben.

Aus Karlsbader Hotel Savoy

      l Eines Tages kam eine Dame und bat mich ihre in tschechisches Schriftstück zu übersetzen. Ich antwortete ihr, daß ich hierzu leider nicht im Stande bin, da ich die tschechische Sprache nicht beherrsche. Darüber war sie aufgebracht und meinte, er wäre ungehört, daß ich meine eigene Landessprache nicht verstände. Scheinbar hatte sie auch bei verschiedenen Ange stellten schon angefragt und es hatte ihr niemand helfen können. Ich beruhige sie und sagte, daß ich ihr unsere Lage an einem Beispiel erklären möchte. Ich erzählte ihr nun, sie möchte einmal annehmen Amerika und Japan erklären sich den Krieg. Japan besiegt Amerika und wird Herr des Landes. Auf meine Frage, ob sie dann in der Lage wäre ein Schriftstück der neuen Regierung zu übersetzen, musste sie auch klein laut den Kopf schütteln.
      l Wir waren aber in dieser Lage. Durch den unglückseligen Krieg wurden wir aus poitischem Unverständnis uns Hass einem Lande zugewiesen, dessen Sprache wir nicht verstanden. Plötzlich gab sie mir die Hand und wollte sich entschuldigen, zog sie dann wieder zurück und sgate: "Ich wollte Ihnen nicht weh tun und bin nicht wert Ihnen die Hand zu geben."
      l Einer meiner Gäste, ein amerikanischer General, dessen Name mir entfallen ist, war während des Weltkrieges Adjutant beim Oberkommandierenden der amerikanischen Truppen Pershing. Eines Tages fragte er mich gesprächsweise, wer nach meiner Meinung in der Armeeführung der Entente ausschlaggebend gewesen sei, daß der Weltkrieg gewonnen wurde. Auf meine Antwort, daß dies wohl Marschall Foch gewesen sei, sagte er: " Nein! Wir Amerikaner haben den Weltkrieg gewonnen. Nachdem wir von den Französen und Engländern anfangs nur als Kanonenfutter verwendet worden waren, drohte Pershing seine Armee von der Front zurück zu ziehen. Hierüber war große Bestürzung bei den Alliierten gewesen, aber es ist ihnen nichts anderes übrig geblieben, als Pershing entscheidenden Einfluß auf den Einsatz der Vereinigten Heere zu geben. So wurde er für Deutschland, angesichts der ÜBermacht, aussichtslos den Krieg zu gewinnen." -

Wie ich zu dem Segen vom Papst gekommen bin:

      l Eine ältere amerikanische Dame, die im vierten Stock ein Zimmer nahm, teilte mir eines Tages mit, daß sie die einzige amerikanische Prinzessin sei. Auf meine Frage erklärte sie mir, daß sie den Titel vom Papst bekommen habe. Sie war für sich sehr geizig, schien aber doch für die katolische Kirche viel Geld auszugeben. Einiger Zeit darauf kam sie zu mir undsagte, daß sie bald ihren Geburtstag feiere und sie gewohnt sei hierzu ein Geschenk zu bekommen. Es blieb mir nichts übrig, als ihr eine Torte und Blumen zu schenken. Als sie sich bedankte und auch sonst bei jeder Gelegenheit versuchte sie mich zum katholischen Glauben zu bekehren. Eines Tages wurde es mir aber zu dumm und ich verbat mir ihre Bekehrungsversuche. Als Antwort hierauf erhielt ich in der Weihnachtszeit ein Ablasschreiben des Papstes für mich und alle meine Angehörigen für alle Zeiten. Wahrscheinlich wollte sie mich hierdurch für ohre Kirche gewinnen. Der Ablass und Segen des Papstes hängt unter Glas und Rahmen heute noch über meinem Schreibtisch.
      l Noch während des Weltkrieges bekam ich eines Tages einen Brief vom Kammerdiener Meinking des Prinzen Adalbert, von dessen Minensuchboot HUMOR. Ein netter Name für ein Kriegsschiff. Er teilte mit, daß der Prinz jetzt dieses Boot kommandiere. Er beschrieb, daß vor einigen Tagen der Kaiser an Bord gewesen ist, um es zu besichtigen. Sie waren durch das ganze Schiff gegangen und zuletzt hatte der Prinz auch seine Kabine gezeigt und gesagt, daß sie soch sehr klein sei und er sich kaum herumdrehen könnte. "Noch viel zu groß für Dich," hatte der Kaiser geantwortet. Ferner unterrichtete er mich, daß der Pronz in nächster Zeit seine Köchin zu mir schicken möchte, damit diese besonders die Gemüse richtig kochen lerne. Der Prinz würde mir jedoch nocch selbster schreiben. Kurze Zeit später kam auch dieser Brief, mit der Bitte, seine Köchin für echt österreichischer Art kochen zu lernen. Sie kam dann auch und wurde ordentlich in die Schule genommen.

Meine Tätigkeit in Marienbader Dampfwäscherei

      l Ich trat nun in das Privatleben ein, aber ganz sollte es mir doch noch nicht gelingen. Ich hatte einen Anteil an der Marienbader Dampfwäscherei, die von acht Hoteliere gemeinsam im Jahre 1911 gebaut und 1912 in Betrieb genommen worden war. Da der bisherige Leiter kränklich war und ich doch nichts zu tun hatte, bot man mir an die Leitung zu übernehmen. Hierfür musste ich natürlich umlernen und mich mit Maschinen befassen. Aber ein Ingenieur bin ich nicht geworden und werde es auch niemals werden; einen Begriff davon habe ich aber doch bekommen. Ende 1936 habe ich mich dann endgültig von jeder geschäftlichen Tätigkeit zurück gezogen. 20. September 1937 feierte ich 75. Lebensjahrjubiläum.

Diese Erinnerungen hat Viktor PETZOLDT bei seinem Aufenthalt beim Sohn Eduard Petzoldt in Berlin in September 1938 gefertigt. Beendet den 1.Oktober 1938 Berlin-Nikolassee."


Auszug aus Marienbader Grundbuch

Marienbad - Grundbuch V., Seite 261:

      "Auf Grund der Erklärung vom 2. August 1875 wird die Dienstbarkeit des Fußsteiges und der Durchführung des Deratskanals über die ... Bauparzelle des Hauses NC 123 in Marienbad angemerkt."
     
"Auf Grund des Kaufvertrages von 13. Januar 1877 wird das Eigenthumrecht für Christian Viktor Petzoldt einverleibt."
      "Auf Grund der Ausfertigung des Notariatsaktes vom 10. October 1899 wird das Eigenthumsrecht für Viktor PETZOLDT einverleibt."
      "Auf Grund des Kaufvertrages vom 28. Dezember 1919 wird das Eigentumrecht für die offene Handelsgesellschaft, Internationales Sanatorium CASINO Prof.Dr.Mladìjovský und Rosner in Marienbad einverleibt."
      "Auf Grund des Notariatsaktes vom 23. Dezember 1920 und des Fundatsregisterungsendes am 16. Feber 1920 wird das Eigentumrecht für Marianne Rosner durch das Belastungs- und Verausserungsverbot einverleibt."
      "Auf Grund des Trauungsscheines vom 6. November 1921 wird der, der Marianne Rosner durch Verehelung zukommende Name BECK angemerkt."
      Übernahme für staatliche Besitz -Tschechoslowakischer Staat durch den Kaufvertrag: "Podle smlouvy trhové z 31.12.1924 ... vkládá se právo vlastnické pro "Èeskoslovenský stát".
      "Auf Grund der Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung der für den ehemaligen tschechoslowakischen Staat eingetragene Rechte vom 18. August 1940 und des Erlaßes des Reichsministers der Finanzen vom 9. Mai 1940 wird das Eigentumrecht für das Deutsche Reich - Reichsfinanzverwaltung einverleibt." (Eingelangt am 1. October 1940)
      "Auf Grund des Kaufvertrages vom 23. März/ 10. Juni 1943 wurd das Eigentumrecht für Nationalsozialistische Deutsche Arbeitspartei vertreten durch Reichsschatzminister einverleibt." (Eingelangt am 28. Juli 1943)
      Eingelangt den 5.9.1946: "Podle pøípisu správní komise v Mariánských Lázních z 3.9.1946 se dùm èp.123 CASINO jmenuje "Státní balneologický ústav výzkumný a vyšetøovací v Mariánských Lázních." (Umbennenung des Hauses)
      Nach dem Dekret des Presidents der Republik vom 27. Oktober 1945 wurde das Eigentumrecht NSDAP ausgelöscht und das staatliche Eigentumrecht (ÈSR) erneuert. (Eingelangt erst 21. 3. 1955) .
      Eingelangt den 20. März 1956: "Die Staatsverwaltung auf Forschungsinstitut für Bäderwesen in Marienbad sich überführt."
      In Jahren 1968-1992 nannte man in der Forschungsinstitut für Balneologie die hiesige Klinik als PELNÁØ nach dem berühmten Prager Akademiker Josef Pelnáø. Im Jahre 1992 wurde dieses Institut ausgelöst. Das Gebäude hat die Kommerzialbank als neuer Besitzer übergenommen und das bleibt bis 1997 verlassen.

 

1000. Todesjubiläum des hl. Adalberts

      l Im Jahre 1997 erinnert sich die römisch-katholische Welt an den 1000. Todestag des heiligen Adalbert. Dieser zweite böhmische Bischof (tschechisch und polnisch: Vojtìch - sein Taufname, deutsch: Adalbert - sein Firmenname, ungarisch: Bella) starb den 23.(21.) April 997 im Alter von 41 Jahren durch Märtyrertod in Preussen. Adalberts Reliquien sind heute in der Kirche hl. Veits in Prag beigesetzt.
     
l In der Umgebung von Marienbad, unweit vom Stift Tepl lag ein Dorf Namens Sct. ADALBERT. Der Tepler Schul lehrer Franz KLEMENT schrieb darüber in seiner Heimatkunde "Der politische Bezirk TEPL" (1878) sehr interessantes. Damals hatte die Gemeinde 24 Häuser, 158 Einwohner, eine Kirche zum hl.Adalbert und eine einklassige Schule.
     
l Die Kirche stand schon vor dem Jahre 1589 und wurde vom Abt Matthias Göhl neuerbaut, sie wurde 1664 vom Abt Wilfert I. erweitert und mit einem Turm versehen. Aus den Jahren 1722-1723 stammten die steinernen Statuen zu Ehren der vier böhmischen Landespatronen hl. Johann von Nepomuk, hl.Veit, hl. Prokop und hl. Wenzel. Noch im 18. Jahrhundert pilgerten Prozzesionen von Wallfahrern aus den Nachbardörfern und vor allem aus dem Stift Tepl in diesen Ort. An den Festtagen der böhmischen Landespatronen wurde die Prozzesion vom Stift Tepl aus oft von den jeweiligen Stiftsabten selbst angeführt. Im Jahre 1857 wurde die Lokalie Skt.Adalbert zur Pfarrei erhoben.
     
l Warum und wann entstand der Ortsname nach dem zweiten böhmischen Bischof hl. Adalbert ?
     
l Dazu schrieb F.KLEMENT im Jahre 1878:
      "Alten Überlieferungen zufolge soll der hl. Adalbert nach seiner Rückkehr aus Italien einige Zeit an dem Orte, wo jetzt Sct.Adalbert steht, verweilt haben, welchem Umstande die Entstehung des Namens Sct.Adalbert zuzuschreiben wäre.
     
Eine Quelle, unweit der Kirche, heißt heute noch der Wojtìchbrunnen (Adalbertsbrunnen). Aus diesem soll der hl.Adalbert getrunken haben, weshalb dort eine Bildsäule zu Ehren dieses Heiligen errichtet und dieselbe von vielen Wallfahrern besucht wurde.
     
Das Dorf selbst entstand erst im 18. Jahrhundert. Früher bestand bloß ein kleines Häuschen neben der Kirche, das ein Einsiedler, der den Messnerdienst versah, bewohnte. Der erste bekannte Bewohner dieses Häuschens war Johann Haas, der es 1694 bezog. Da er in seinen freien Stunden den Kindern der Nachbardörfer Unterricht erteilte, wurde er allegemein der Schulmeister genannt.
     
Sein Ende wurde durch Diebe, die ihn des Nachts überfielen, herbeigeführt. Obwohl seine Tochter sich durch die Flucht rettete und nach dem nahen Dorfe Weserau um Hilfe eilte, kamen die Weserauer doch zu spät und Haas starb noch in derselben Nacht an den erlittenen Wunden. Er wurde in der Kirche vor dem Seitenaltar Sct. Martins begraben. Seine Ruhestätte bezeichnet ein Stein.
     
Das Häuschen, welches dem Stift Tepl gehörte, kam dann käuflich an den Schuhmacher Adalbert Platzer (+ 30. Jänner 1794). Johann Michl Popp aus Habakladrau ehelichte die hinterlassene Witwe und wurde als erster Schullehrer (für die Orte Weserau und Prosau) in Sct. Adalbert angestellt, das schon im August 1789 einen Seel-sorger P. Thomas Beran erhalten hatte und nach und nach durch neue Ansiedlungen vergrößert wurde."
     
Beim 950.Todestag des hl.Adalbert, wurden auch in der Tepler Gegend unter der Leitung des Prelaten Herrmann Josef Tyl größere Gedenk- festlichkeiten durchgeführt. Wallfahrerprozessionen aus dem Stift Tepl zogen nach dem Wallfahrtsort Sct.Adalbert, welcher dadurch wieder gute Zeiten erlebte.
     
Leider nicht lange. In den 50er Jahren wurde das Dorf Sct.Adalbert geräumt und diente von Zeit zu Zeit als Schießstätte für tsch. Minen-werferabteilungen. Im J. 1959 wurde durch besagte militar. Aktion auch die hiesige historische Kirche dem Erdboden gleichgemacht. Das alles wur- de ohne historische Bauunter-suchungen und Bewertungen vollführt. Die vier historischen Statuen wurden in das Stift Tepl, welches damals als Kaserne diente, auf Prelatur-garten überführt. Seit dieser Zeit blieb ein großer Haufen von Steinen und Ziegeln, wo früher die Kirche stand. Das historische Kircheninterieur wurde später (1975) von Herrn Vladimír Kajlík in verschie-denen Kirchen und Museen gesucht. Vergebens.

Das Familiengrab Petzoldts

      befindet sich auf dem Marienbader Friedhof an der Grenze katholischer und evangelischer Abteilung -Viktors Mutter wurde an der evangelischen Seite beerdigt, Vater Christian Viktor Petzoldtd an der katholischen Seite.

 


 

150 Jahre Thomas Alva Edison

      Am 11.Feber 1997 erinnerte sich die technische Welt des 150. Geburtstages des größ-ten amerikanischen Er-finders. Er ist in Ohio geboren, und am 18. 10.1931 in West Oran-ge /Jersey) gestorben.
      Thomas Alva Edison erfand 1876 das Kohlenkörnermikrofon und damit verbesserte er das Bellsche Tele-phon. Im J. 1878 erfand er den Phonograph, 1879 die erste elektrische Glüh-lampe (Kohlenfaden - lampe), 1880 die erste von einer Dampfmaschine angetriebene Dynamo-maschine zur Erzeu gung des elektrischen Stroms, 1881 die erste elektrische Beleuch-tungsanlage in großem Stil. Im Jahre 1905 erfand er den Akkumulator.
      Im Jahre 1911 hat T.A.Edison einen Besuch in Marienbad gemacht. Er ist aus Prag mit der Familie in zwei Autos gekommen und ist im neuen Hotel Esplanade abgestiegen. Er war 64 Jahre alt, hat eine Besichtigung des Kurortes gemacht und schrieb sich in das Goldene Buch Marienbads: "Einen schöneren Kurort habe ich noch nie gesehen." Das heutige Hotel ESPLANADE ist leider schon sieben Jahre ausser Betrieb. Die begonnenen Bauarbeiten wurden eingestellt.


Nikolaj Semjonoviè Leskov

      l Der berühmte russische Schrifsteller des 19. Jahrhun derts, N. S. Leskov (1831-1895), lebte in gleicher Zeit wie L.N. Tolstoj oder F.M. Dostojevskij.
     
l Nikolaj Semjonoviè LESKOV war auch in Böhmen, in Prag und er war auch zweimal zur Kur in Marienbad. Zum erstenmal wohnte in Hotel Casino, kurz nach seiner Eröffnung (1875), der zweite Kuraufenthalt (1884) verbrachte im Haus Heller (No 178). Bei der Heimreise im Juli 1884 er seuzfte sich: "Wunderschöne, angenehme Stadt! Ich werde nie mehr so "frisch und frei" wie hier in Marienbad !"
 


HAMELIKA, vlastivìdné materiály z Mariánskolázeòska. Pøipravil Ing. Richard Švandrlík. Tøetí èíslo XXI. roèníku (poøadové èíslo 265.), Mariánské láznì - vyšlo 23. bøezna 1997.