Jahrgang XXI. (1997)
Nummer 265. |
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Mariánské Láznì
den 23. März 1997 |
Hotel Casino ? |
Hotel Casino ?
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Das heutige Gebäude CASINO nannte sich bis 1945 KURSAAL. Es war ein Zentrum der
Kultur in Marienbad. Unter dem Namen CASINO stand ein ganz anderes Gebäude - ein
Hotel mit des Hausnummers 121 in der heutigen Russischen Straße. Nach dem
Zweiten Weltkrieg, fast 50 Jahre lang, diente dieses Haus als Poliklinik des
Tschechoslowakischen Forschungsinstitutes für Balneologie.
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Dieses Gebäude ist mehr als 120 Jahre
alt und wurde zweimal erbaut. Im Jahre 1873 hat eine Österreichische
Baugesellschaft am Waldrand des Marienbader Tales eine Kurpension im
prachtvollen Baustill erbaut Sein Architekt, Ritter von Förster, wurde schon
durch Bauten von Theater, Musikhallen und Hotels berühmt. Der Marienbader
Baumeister Johann König hat die neue Pension nach den Plänen dieses Ritters
erbaut. Aber kurz nach der Fertigstellung, den 21. September 1875, wurde dieses
Gebäude durch einen Brand vernichtet.
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Die Österreichische Baugesellschaft
hat nicht darauf verzichtet und hat dieses Gebäude nach alten Plänen wieder
erbaut, also zum zweitenmal. Im Jahre 1876 wurde der zweite Bau beendet und im
Jahre 1877 hat dieses Haus ein Leipziger, Christian Viktor Petzoldt, gekauft. Er
hat es HOTEL CASINO genannt.
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Sein Sohn Viktor Petzoldt hat später
von seinem Vater das Hotel CASINO übernommen. und später, im Alter von 75 Jahren
(1938), seine Erinnerungen an verschiedene Hotelgeschichtchen und bekannte Gäste
geschrieben.
Viktor Petzoldt's Auszug
aus Marienbader Grundbuch
Marienbad -
Grundbuch V., Seite 261: 1000.
Todesjubiläum des hl. Adalberts
Das Familiengrab Petzoldts 150 Jahre Thomas Alva Edison Nikolaj Semjonoviè
Leskov
HAMELIKA,
vlastivìdné materiály z Mariánskolázeòska. Pøipravil Ing. Richard
Švandrlík. Tøetí èíslo XXI. roèníku (poøadové èíslo 265.), Mariánské
láznì - vyšlo 23. bøezna 1997.
Erinnerungen an 40-jährige Hoteltätigkeit
VIKTOR PETZOLDT, Besitzer des
Hotels CASINO, Marienbad Nr. 121, geboren 20. September 1862 in
Leipzig, Sohn des Christian Viktor Petzoldt aus Altenburg und der
Therese, geb. Nelböck, aus Salzburg. Verheiratet mit Maria, geb.
Stöhr, aus Wien.
Meine Kindheit
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In Leipzig am 20. September 1862 geboren und mit der Nottaufe
versehen, ist aus meinen Kinderjahren, die ich unter der treuen
Obhut der Eltern verlebte, wenig zu berichten. Durch eine
langwierige Augenkrankheit, die vom 4. bis zum 14. Lebensjahr
andauerte, wurde mein Schulbesuch stark beeinträchtigt, so daß mich
mein Vater, nachdem ich bis zur dritten Realschulklasse gelangt war,
auf Anraten des Schuldirektors aus der Schule nahm. Meine Augen
wurden später wieder gesund.
In der Schweiz
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Nachdem mein Vater im Jahre 1877 das Hotel Casino erworben hatte und
nach Marienbad übergesiedelt war, bestimmte er mich für das
Wirtsfach. Auf Anraten seines Schwagers Kühn in Heidelberg schickte
er mich zunächst als Volontär in die französische Schweiz, und zwar
nach Vevey in das Hotel "TROIS COURONNES". Mit 15 Jahren reiste ich
Anfang September 1877 nach dort und verblieb zwei Jahre in dieser
Stellung.
In Mentone in Frankreich
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Im Sommer 1879 arbeitete ich bei meinem Vater im Hotel CASINO in
Marienbad und ging im Herbst nach Südfrankreich - nach Mentone in
das Hotel "D´lle Britannik".
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Mein Schlafkamerad war ein junger Balte, ein Junge wie Milch und
Blut - kein Flaum im Gesicht. Eines Tage hatte er Ausgang, kam aber
bald zurück mit der Nachricht, daß am Abend ein großer Maskenball
sei. Es war Fasching. "Du," sagte er, "hast du Lust, mit mir heute
abend dahin zu gehen ? Ich besorge für uns zwei Masken!" Abends kam
er tatsächlich mit zwei Kostümen an - Spanier und Spanierin. "Ich
ziehe die Spanierin an, ich war schon beim Friseur," und auf mich
zeigend: "Du den Spanier." Er sah wirklich zum Anbeißen aus, und
niemand konnte ihn für einen Mann halten. Also, wir zogen los, und
im Nu meine Spanierin verschwunden. Ich gab es bald auf, sie zu
suchen und amüsierte mich auf meine Art.
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So war es langsam 2 Uhr früh geworden, und von meiner Spanierin war
immer noch nichts zu sehen. Ich stöberte alle Winkel durch und fand
sie schließlich in einer dunklen Ecke auf dem Schoß eines Herrn
sitzend, der sie mit Champagner und Bonbons fütterte. Ich konnte
nicht an mich halten und musste laut lachen. Da vergaß sie sich wohl
und brüllte: "Raus!", so daß der Herr an der Stimme merken musste,
daß er an eine falsche Maske sein Geld verschwendet hatte. Kurz, in
wenigen Sekunden war die Spanierin bei mir und zog mich fort, - nur
schnell! - und draußen waren wir. - "Wir gehen aber nicht nach Hause!",
dabei zeigte er mir einen 50-Francs-Schein. - "Woher hast du denn
das viele Geld ?" frug ich erstaunt, denn 50 Francs waren dazumal
für uns ein Vermögen. - "Das ist es ja, weshalb wir Hals über Kopf
fort mussten. Ich hatte dem Herrn vorgelogen, daß ich einen neuen
Mantel benötige und er war so splendid und gab mir das Geld. Nun
muss ich fürchten, daß er es mir wieder abnimmt!" - In einer
Brauserie tranken wir auf das Wohl dieses edlen Spenders eine gute
Flasche Wein.
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Im nächsten Jahr war ich in Cannes im Hotel "Des Englaises" und
wurde in diesem Jahr auch als Genfer Mitglied aufgenommen. In den
Sommermonaten war ich wieder in Marienbad tätig.
In England
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Im Herbst 1881 fuhr ich nach England, um die englische Sprache zu
erlernen. Ich bewarb mich zunächst um eine Dienerstellung und war
zuerst in einer Pension für angehende Schauspieler tätig. Nach
kurzer Zeit verließ ich aber diesen Posten, da mir zu viel Theater
gemacht wurde. Ich wohnte dann im Genfer Clubhaus.
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Eines Tages erfuhr ich dort, daß mehrere Stuarts für einen
Weltreisedampfer gesucht wurden. Ich war damals 19 Jahre alt und
wollte die Zustimmung meine Eltern für diese Reise mithaben. Ich
schrieb, die Antwort kam sofort: "Untersteh´ dich!"
Ich dummes Schaf hätte gar nicht fragen, sondern einfach mitfahren
sollen. Meine sämtlichen Kollegen waren engagiert worden, und das
Schiff AUSTRALIA kam nach sechs Monaten wohlbehalten von der
Weltreise zurück.
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Die nächste Stellung bekam ich bei einem Richter. Auch hier blieb
ich nicht lange. Ich bekam wunde Füsse, so daß ich auf Anraten des
Arztes diesen Posten wieder verließ.
Beim Sir Walter Hughes
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Nach achttägiger Ruhepause fand ich eines Tages eine Annonce in der
Times "Footman wanted - Sir Walter Hughes, Forchester Street 48. "Ich
machte mich sofort auf, um mich vorzustel- len. Ein großes
schloßartiges Gebäude vor mir, bekam ich es mit der Angst zu tun und
ging, ohne mich vorzustellen, wieder nach Hause. - "Blödsinniger
Kerl!", sagte ich mir, "marsch umdrehen!" Und so stand ich wieder
vor dem Schloß.
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Mein Empfang durch den Buttler war nicht sehr ermutigend: "Na, von
deiner Sorte waren heute ungefähr schon ein Dutzend hier!" Ich ließ
mich jedoch nicht irre machen und bat mich anzumelden. Eine alte
ehrwürdige Dame empfing mich und frug nach meiner Heimat: "Wie lange
sind Sie in England ?", und ich erwiderte: "Ungefähr vier Monate," -
ziemlich befangen, da ich kaum der englische Sprache mächtig war. "Sprachen
Sie vorher schon englisch ?" - "No." -"Wie kommt es", so frug sie
nun, "daß sie kaum vier Monate im Land sind und schon leidlich
englisch sprechen können ?" - Nun wurde ich dreister und sagte: "Wenn
ich nicht englisch spräche, könnte ich Ihre Fragen nicht beantworten."
Mit einem Lächeln frug sie mich nun, in welchem Haus ich vorher war.
Nun wurde es brenzlig, aber freiweg erklärte ich ihr, daß ich bei
einem Richter war. "Cat," sagte sie, "ich werde mich dort nach ihrem
Charakter erkundigen." Damit war ich entlassen. Adieu Partie, so
dachte ich beim Nachhause gehen.
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Am nächsten Tag, ich lag noch im Bett, kam eine Eilkarte mit dem
Wortlaut: "Ihr Charakter ist gut. Sie können sofort antreten." So
schnell war ich noch selten aus dem Bett heraus.
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Diese Stellung hat mich nie gereut. Drei Personen Herrschaft und
zahlreiche Dienerschaften. Ich musste zunächst servieren und war
unter drei Dienern auserkoren, bei Ausfahrten auf dem Kutschbock
mitzufahren.
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Im Sommer ging es auf´s Land - ein Sommerhaus "Brookland" genannt,
in der Nähe von Southampton. Die Herrschaft besass eine Segeljacht
AUSTRALIA, ein 40-Tonnen-Schiff. Ich erwähne das alles, da für mich
eine ziemliche Änderung meiner Stellung damit verbunden war. Wenn
das Schiff im eigenen Hafen einlief, zählte die Dienerschft über 30
Personen.
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Eines Tages feierte der Kapitän mit unserem Buttler irgendeine Feier
und sie betranken sich derartig, daß sie in Streit gerieten und sich
so mit Messern bearbeiteten, daß beide ins Spital gebracht werden
mussten.
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Englische Dienerschaft ist eine eigentümliche Sorte: Faul, Männer
und Frauen sehr trinksüchtig und unzuverläßig, so daß mich Sir
Walter Hughes immer mehr bevorzugte. Diese Bevorzugung brachte mir
viel Feindschaft ein.
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Einige Tage nach dieser Messerstecherei - es bestand keine Aussicht,
daß der Buttler, der ziemlich zugerichtet worden war, bald wieder in
Dienst treten konnte - rief mich der alte Herr in sein Zimmer und
sagte: "Fahren Sie heute nach Southampton und geben Sie eine Annonce
auf, daß ich einen Buttler suche." - Ich erwiderte, daß er keinen
Buttler benötige.
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"Warum nicht ?" frug er ganz erstaunt. - "Ich kann selber den
Buttler machen!" - "Go on, You are a fool!". - "Noch nicht ganz
trocken hinter den Ohren und Sie wollen eine solche Stellung
versehen? " Kurz und gut, er lachte so mächtig, daß seine Frau
hereinkam und frug, was denn los sei. "Denk dir nur," rief er, "der
will die Buttlerstelle haben, das Greenhorn ! Wie alt sind Sie
eigentlich? " Ich sagte: "19 Jahre." Dann konnte ich gehen, wie ein
Pudel begossen. Schon halb bei der Tür draußen, rief er mich wieder
zurück und sagte: "Komm mal her, du bist ein tüchtiger Kerl. Hat
Bismark mehr solcher Leute ?" - Ich gab keine Antwort. - "Also wir
werden es probieren. Ich bin neugierig, wie Sie sich mit dieser
Stellung abfinden!"
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Nun war der Teufel los unter der Dienerschaft. Ein Deutscher als
Vorgesetzter. Kirche und Polizei wurde von dieser Gesellschaft in
Bewegung gesetzt, mich aus der Stellung zu verdrängen. Es half
nichts; ich fand eine gute Stütze in meiner Herrschaft. - Ich blieb
zwei Jahre in dieser Stellung und musste dann zurück in die Heimat,
um mich dem Militärdienst zu stellen. Die Abschiedsworte des Sir
Walter Hughes waren: "Bismark braucht Sie nicht, er hat genug
Soldaten." Er hatte mich lieb gewonnen, und ich bewahre ihm ein
gutes Andenken.
Eine kleine Geschichte beim Feuer in London
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Ich komme nun zu einem Erlebnis, daß wohl erwähnenswert ist, da es
ausschlaggebend war für das fernere Prosperieren des Hotels CASINO
in Marienbad. Eines Tages brannte nach der Vorstellung das Alhambra-Theater
ab. Zu dieser Zeit waren wir in London, und ich fuhr mit der
Untergrundbahn zur Brandstelle. Es hatte sich dort eine große
Menschenmenge angesammelt, so daß die Polizei allein nicht genügte
und Militär für die Absperrung hinzugezogen worden war.
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Rücksichtslos wurden die Menschen zurückgedrängt, und ich wurde an
eine Haustür gepresst, daß ich mich nicht rühren konnte, und nur
durch lautes Rufen machte ich mir etwas Luft. Da ging hinter mir die
Haustür auf, und eine Hand zog mich ins Haus. Ich bedankte mich,
worauf mich der Herr mit in den ersten Stock nahm. Hier befand ich
mich in einem Club von Herren, die teils kartenspielend, teils sich
unterhaltend beieinander sassen. Der Herr aber, der mich ins Haus
hineingezogen hatte, frug mich, ob ich etwas zu mir nehmen möchte.
Ich dankte, worauf er erwiderte: "Bitte, was Sie hier nehmen, kostet
nichts. Sie sind hier im italienischen Courrier-Club und unser Gast."
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Getränke wurden gebracht. Man stiess mit mir an und frug, woher ich
käme. Man merkte mir an meiner Sprache an, daß ich Deutsche bin. Ich
erzählte, daß ich in Marienbad beheimatet bin und mein Vater dort
Besitzer des Hotels CASINO ist. Bald hatte ich einen großen Kreis
von Zuhörern, die alle etwas über Marienbad erfahren wollten, da -
wie sie sagten - noch keiner dagewesen war. Meine Ausführungen
interessierten sie so, daß sie mich um Bilder und Zimmerpläne des
Hotels baten.
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Insbesondere sollte ich versuchen, meinen Vater zu veranlasssen,
Mitglied des Courrier-Clubs zu werden. Sie wollten sich dann
verpflichten, wenn je ein Courrier mit einer Familie nach Marienbad
käme, im Hotel CASINO abzusteigen. Ich versprach, meinem Vater
darüber zu berichten. Als ich mich verabschiedete, luden sie mich
ein, wann immer ich kommen wolle, würde ich gern gesehen sein.
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In einem meiner nächsten Briefe an meinen Vater teilte ich ihm diese
Zusammenkunft mit und schrieb, er möge Mitglied dieses Klubs werden
und den Jahresbeitrag von ein Pfund Sterling an mich senden. Was
sich mein Vater gedacht hat, geht daraus hervor, daß er den
Mitgliedsbeitrag nicht einschickte und sich wohl gesagt haben mag,
der Junge braucht wieder einmal Geld. Des öfteren ging ich in den
Klub, wobei ich auch einmal sagte, daß ich meinen Vater persönlich
sprechen müsste. Vorderhand wäre nichts zu machen.
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Im Jahre 1883 kehrte ich im April heim, um der Militärpflicht
nachzukommen. In dieser Zeit konnte ich meinen Vater von den
Vorteilen der Mitgliedschaft in dem Kurierklub überzeugen und er
schickte tatsächlich mit einem Schreiben den Jahresbeitrag ein.
Kurze Zeit darauf erhielt er die Mitgliedskarte mit der Liste der
Namen sämtlicher italienischer Kuriere.
Unerwartete Gäste in Marienbad
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Wie bald sich der Erfolg einstellte, beweist folgendes. Meine
Schwester Klara feierte am 7. Mai 1883 ihre Hochzeit. Während wir
bei Tisch sassen kamen verschiedene Telegramme und
Glückwunschschreiben. Ich öffnete diese und las sie vor. Auf einmal
stutzte ich mitten im Vorlesen, nahm das Telegramm, welches ich in
der Hand hatte, übergab die anderen Briefschaften meinem Nebenmann
und bat ihn, weiter vorzulesen. Mit diesem Telegramm ging ich zu
meinem Vater und bat ihn, mit mir ins Nebenzimmer zu kommen. Das
Telegramm lautete, aus Spanien kommend:
"Reservieret für seine Hoheit den Herzog von Norfolk mit Familie und
Suite 7 Schlafzimmer und 2 Salons, ferner 4 Dienerschaftzimmer für
18. Mai, für längeren Aufenthalt. Citti."
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Ich veranlasste meinen Vater sofort in der Kurierliste nachzusehen,
ob ein Herr Citti hierin vorkommt, und richtig fanden wir den Namen.
Mein Vater war so erfeut, daß er mich umarmte. Als wir zur Tafel
zurückkehrten, sahen uns alle verwundert an und frugen, was denn
geschehen sei. Ich las das Telegramm, das in englischer Sprache
lautete, vor, und die Freude hierüber war sehr groß.
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Als der Herzog ankam und mit ihm der Kurier, kam ich aus dem Staunen
nicht heraus, denn vor mir stand der Herr, der mich damals ins Haus
in London hineingezogen hatte. Unser Wiedersehen war sehr herzlich.
Citti schmunzelte und sagte: "Na, hat die Mitgliedschaft doch
geholfen !"
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Der Herzog, der einen sogenannten Kretin als Sohn hatte, für dessen
Gesundheit er Unsummmen ausgab, blieb über fünf Wochen in Marienbad
und kam im Jahre 1885 noch einmal. Kurze Zeit darauf starb seine
Frau am Säuferwahnsinn (delirium tremens), woraus wohl auch dieser
unglückliche Sohn sein Leiden hatte.
Erstes Tennis
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Ich hatte in England öfters Tennisplätze besucht, die damas noch
etwas Neues waren. Eines Tages frug ich im Kurierklub, wer Schläger
und Bälle liefert. Es wurde mir die Firma Slessinger empfohlen, bei
der ich auch ein Buch erhielt, aus dem ich alles Wissenswerte
entnehmen konnte.
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Als ich 1883 nach Hause gekommen war, machte ich meinem Vater den
Vorschlag, einen solchen Tennisplatz - wie ich ihn in England
gesehen hatte - im Garten, unterhalb der Terrasse, anzulegen. Mein
Vater, der keine Ahnung hatte, was Tennis ist, schlug es mir ab.
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Mir liess die Angelegenheit aber keine Ruhe, und so trat ich wieder
an meinen Vater heran, er möge mir den Platz - einen Sandplatz, der
für ihn keinen Wert hatte - überlassen. Unter der Voraussetzung, daß
er keinerlei Auslagen habe, willigte er ein. Nun ging die Arbeit
los. Der Platz wurde eingeebnet, die Größe wurde gesteckt, aber es
fehlten Netz, Schläger und Bälle. Weder in Deutschland noch in
Österreich war das Spiel bekannt und ich konnte die Schläger usw.
nirgends bekommen. Ich musste nach England schreiben, bestellte vier
Schläger und zwei Dutzend Bälle, sowie das Mittelnetz. Mittlerweise
wurde der Platz fertig und von einem Drahtzaun umgeben.
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Als die Sachen aus England eintrafen, bekam ich eines Tages die
Mitteilung, im Zollamt zu erscheinen. Das Paket wurde geöffnet, und
es kamen die Schläger zum Vorschein. - "Was ist das?", wurde ich
gefragt. "Rakets!" - "Was ?" - "Schläger sind das." Nun wurde in den
Zollbüchern gesucht, aber man fand nichts dergleichen. Ein Beamter
nahm so einen Schläger in die Hand und zupfte daran herum. Auf
einmal klärte sich sein Gesicht auf und er sagte: "Uns werden Sie
nichts vormachen, das sind Musikinstrumente. Hören Sie? ", und dann
zupften alle daran herum. Ich mag wohl ein sehr dummes Gesicht dazu
gemacht haben, aber schließlich dachte ich mir: Auch nicht schlecht!
- "Bitte nachzusehen, wie hoch der Zoll ist." So wurden die Schläger
damals als Musik- instrumente verzollt.
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Dabei meinte noch einer der Beamten: "Sie können von Glück sagen,
daß wir selbst darauf gekommen sind, denn wenn wir Anzeige gemacht
hätten, wären Sie bestraft worden." Schmunzelnd verliess ich mit
meinen "Musikinstrumenten" das Zollamt.
Ich hatte Erfolg. Im ersten Jahr nahm ich 600 Gulden ein. Im zweiten
Jahr schon über 1000 Gulden. Nun fand mein Vater Geschmack daran,
und er meinte, ich hätte ihn im Ungewisse gelassen, daß damit so
viel Geld zu verdienen sei. Er hatte es aber rundweg abgelehnt, Geld
für den Platz auszugeben, und dabei blieb es auch.
Es war der erste Tennisplatz in Österreich, den ich damals gebaut
hatte (1883).
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Das erste Tennisturnier wurde in Marienbad auf diesem Platz
abgehalten, bei einem der späteren Turniere war der Prince of Wales
Protektor und hat hierbei im Hotel CASINO seine Empfänge abgehalten.
Vizekönig Ismail Pascha im Hotel Casino
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Nun war der Weg für das internationale Publikum im CASINO frei.
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Schon im Jahre 1884 kam aus Wien vom Hotel Goldenen Lamm, nach dem
man durch die Zeitungsberichte vom Herzog von Norfolk gehört hatte,
die Aufforderung, unverzüglich Bilder und Zimmerpläne des Hotels
einzusenden und zwar für den Vizekönig Ismail Pascha und Gefolge für
14 Zimmer, die anfangs September 1884 zu reservieren seien. Verlangt
wurde möglichst eine ganze Etage, die vollständig abgetrennt sein
müsste, mittels Türen und guter Schlösser.
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Die Ängstlichkeit dieses Herrschers war so groß, daß er zum Beispiel
sämtliche Mahlzeiten nur in seinem Zimmer einnahm und ich alle
Speisen und Getränke vorher persönlich kosten musste. Bei der Tafel
trug ich immer den Frack; und er behandelte mich wie einen Kellner,
ohne zu wissen, daß ich der Sohn des Hauses war. So musste ich ihn
auch jeden Tag wiegen. Wenn ich gerade nicht da war, sagte er: "Ich
warte bis Monsieur Viktor kommt !", da er wohl Vertrauen zu mir
gewonnen hatte.
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Bei der Abreise ließ er sich von seinem Sekretär die Liste des
Personals, welche Trinkgelder zu bekommen hatten, vorlegen. Auf
seine Frage, wo denn Monsieur Viktor bleibt, entstand große
Verlegenheit, denn der Sekretär wusste, wer ich war. Schließlich
sagte einer der englischen Begleiter, ich glaube, es war ein
englischer Bankier: "Majestät, Monsieur Viktor ist der Sohn des
Hauses." Nun fing er an, zu spektakeln, daß er in Unwissenheit über
mich gelassen woden war, und einer seiner Herren musste mich holen.
Er erging sich in Entschuldigungen, drückte mir die Hand und
bedauerte, mir kein Geschenk machen zu können, sagte aber, daß er
ein solches in Wien für meinen Vater bestellt habe. Mein Vater bekam
eine goldene Uhr mit seinem Namenszug in Brillanten.
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Trotzdem drückte er mir beim Abschied ein Etui in die Hand. Als ich
ins Büro zurückgekehrt war, machte ich das Etui auf, in dem
wohlgeordnet 20 Louisdors lagen. Mein erster Gedanke war: Mit diesem
Geld fährst du nach Paris!
Nach Paris
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So kam ich Anfang Oktober 1884 nach Paris. Lange Zeit hindurch war
jedes Jahr ein Ungar, Professor Ujfally mit Namen, zur Kur nach
Marienbad gekommen, mit dem mein Vater und ich sehr befreundet
waren. - Dieser Professor hatte sich in Paris an der Sorbonne
habilitiert und mir gesagt, wenn ich jemals nach Paris käme, müsste
ich bei ihm Besuch machen. Also mein erster Weg in Paris war zu ihm.
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Am nächsten Tage ging er mit mir in das Hotel "L´Opera", stellte
mich dort vor, und ich wurde sofort engagiert. Mir wurde
freigestellt, ob Büro oder Speisesaal. Ich nahm den
Zimmerkellnerposten. - "Also, jetzt sehen Sie sich erst einmal Paris
an, und in einigen Tagen treten Sie ein."
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Wir verabschiedeten uns und ich bummelte in den Strassen herum. Am
nächsten Tage kam ich am "Grande-Hotel" vorüber, als mich jemand am
Arm festhielt. Ich drehte mich um: "Ja, Ali, was machen Sie in Paris
?" - Es war der Leibdiener des Königs Ismail Pascha.
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"Ich erwarte den König, der jeden Augenblick von der Bahn kommen
muss; ich bin vorausgereist." - "Dann warte ich auch," und ich
stellte mich an seine Seite. In kurzer Zeit erschienen einige
Herren, alle im Frack, Direktoren des Hotels, um den König zu
empfangen.
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Beim Aussteigen erblickte dieser mich, ließ die Direktoren an der
Seite und gab mir die Hand. Nach einigen verbindlichen Worten drehte
er sich um, entschuldigte sich bei den anderen Herren und nahm deren
Begrüßung entgegen. Zwei der Herren verschwanden mit dem König, und
ein dritter trat auf mich zu, fing meinen Arm und bat mich, ins Büro
einzutreten.
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"Mit wem habe ich die Ehre ?" Ich teilte ihm alles Nötige mit,
worauf er sagte: "Suchen Sie sich bei uns eine Stellung aus, Sie
können sofort bei uns eintreten." - Ich antwortete, bereits eine
Stellung zu haben. "Nun, wenn es Ihnen nicht behagt, bitte über uns
zu verfügen. Auf jeden Fall, wenn Sie heute nichts vorhaben, bleiben
Sie zum Dinner unser Gast." Wir hatten einen sehr vergnügten Abend,
und mit Dankesworten verließ ich das Hotel.
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König Ismail war vorher in Dresden beim König von Sachsen gewesen,
was ich wusste, nicht aber, daß er nach Paris kommen wollte. Am
nächsten Tage reiste war er nach Neapel ab, wo er auf einem
Felsenschloß unter Bewachung von Engländern wohnte. Späterhin
reklamierten ihn die Türken, dessen Vasall er eigentlich war.
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Die Engländer lieferten ihn nach Konstantinopel aus; also war er in
Marienbad nicht ohne Grund so mißtrauisch um sein Leben gewesen.
In Liebe entflammt
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Im Jahre 1885 war ich während des Sommers wieder zu Hause und wurde
für den kommenden Winter nach Landsberg a.W. ins Hotel "Pascdag" von
einem Herrn Vater mit Namen als Buchhalter engagiert.
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Im nächsten Sommer wieder daheim, konnte ich für den darauffolgenden
Winter keine Stellung finden, was einen besonderen Grund hatte, den
ich hiermit verraten will.
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Ich war in Liebe entflammt und zwar nicht zu knapp. Eines Tages ging
ich zu meinem Vater, ich war damals 24 Jahre alt, und sagte ihm, daß
ich Fräulein X.Y. liebe und die oder keine heiraten möchte! - Mein
Vater sagte eine Weile nichts, aber eine merkte ich: Was kommen
wird, ist nichts Erfreuliches! Endlich sagte er nur ein Wort:
"Keine!"
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Wie ich später erfuhr, hatte mein Vater eine Unterredung mit dem
Vater des Mädchens gehabt. Die Folge war, daß mich das geliebte
Wesen mied, wo es nur konnte. "Aus!"
Nun schwor ich mir, nicht zu Hause zu bleiben.
In Ägypten
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Im Winter 1887 fuhr ich nach Ägypten und zwar ohne eine Ahnung zu
haben, wohin. Wegen der Cholera, die in Triest und Italien
herrschte, musste ich über Frankreich reisen und schiffte mich in
Marseille ein. Mein Reisegefährte war Herr Franiek, der bei meinem
Vater Küchenchef gewesen war, und auf dem Schiff trafen wir noch
einen Bekannten, einen Konditor namens Schmidt. Der Dampfer fuhr
Freitag morgens ab; am folgenden Sonntag spielten wir nach Tisch
unseren üblichen Tarock, als ich fragte, ob es den anderen auch so
heiß sei wie mir, und sie bestätigten das.
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Ich wollte gerade auf Deck gehen, als ich ins Kollern kam. Die
beiden anderen wollten mir Hilfe leisten, kugelten aber á tempo so
wie ich in der Kabine herum. Der schönste Sturm hatte uns erfasst
und nur mit Mühe erreichten wir das Deck. Schmidt hatte noch schnell
seine Flasche Rum erwischt.
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Wir kamen oben an, als durch die Matrosen das ganze Deck geräumt und
die Passagiere in ihre Kabinen befördert wurden. Schmidt klammerte
sich eben an einem eisernen Ring fest, als ihm durch eine Woge die
Flasche aus der Hand gerissen wurde. - Eine Dame mit ihrem Kind
konnte nicht rasch genug von Deck kommen, sie wurde an die Bordwand
geschleudert und brach sich einen Arm.
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Dieser scheussliche Sturm hielt an bis Dienstag nachmittag kurz vor
Alexandrien. Mein Magen hatte nichts mehr herzugeben. Ein elendes
Gefühl, seekrank zu sein; und mir war alles gleich, so schlecht war
mir. Aber merkwürdig, sobald Land in Sicht war, war die Übelkeit
verschwunden.
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Wir standen an Deck, als das Lotsenboot herankam, das wie eine
Nusschale von den Wellen herumgeworfen wurde. Schließlich kamen wir
doch noch in den Hafen, aber an Land zu gehen, war unmöglich. So
wurde das Schiff von einer Unzahl von Kähnen, die alle Passagiere an
Land bringen wollten, umringt.
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Wie die Katzen kletterten sie an Deck, und man hatte zu tun, die
Zudringlichsten abzuhalten. Endlich entdeckten wir das Boot mit dem
Schild Hotel "Abbas" - dort wollten wir absteigen. Wir winkten, aber
das Boot konnte durch die vielen Araber-Kähne nicht heranrudern, und
wir mussten von Kahn zu Kahn springen, um auf unser Boot zu kommen,
was natürlich mit viel Schimpferei der Araber vor sich ging.
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Ich fuhr dann nach Kairo und fand eine Stelle im Shepperts-Hotel.
Das war nun etwas Neues für mich. In der ersten Zeit waren nicht so
viele Gäste da, und ich hatte Musse, mir das Treiben ordentlich
anzusehen.
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Meinen Pass hatte ich in Alexandrien abgegeben. Ägypten war damals
das einzige Land, für welches man einen Pass haben musste. Ich
erwähne dies, weil ich später ziemliche Schwierigkeiten damit hatte.
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Alle Einzelheiten über andere Vorkommnisse anzuführen, würde zu weit
führen. Ich erwähne nur eine Begebenheit, um zu zeigen, daß damals
der Revolver ziemlich leicht in der Tasche sass. Ich besuchte
während meines Aufenthaltes öfter auch das Café ÄGYPTIENNE oder den
WURSTJAKOB, ein deutsches Bierrestaurant. - Im Café ÄGYPTIENNE
spielte eine Brösnitzer Damenkapelle unter der Leitung eines
Kapellmeisters Kaiser. Hier hörte ich, daß mein Chef in die
Trommelschlägerin verliebt sei und sie heiraten wolle. Sie war auf
einmal verschwunden, und man hörte nichts mehr von ihr.
Ich hatte Typhus
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Ich wurde Ende Dezember schwer krank und kam in das deutsche Diakonissenhaus, wo
ich etwa drei Monate an Typhus krank lag. Ich lag allein in einem Zimmer mit
zwei Betten. Eines Tages, ich war Rekonvaleszent, erwachte ich früh - ich war
noch so schwach, daß ich mich kaum im Bett aufsetzen konnte, - und da hörte ich
etwas schnarchen. Ich konnte aber nicht ausmachen, was es war. Die Betten waren
wegen der Moskitos wie Himmelbetten ringsherum fest verschlossen.
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Auf einmal regte und streckte sich jemand im anderen Bett. Ein Mann kam zum
Vorschein, trat an mein Bett und fing an, englisch zu reden. Bald hatte ich
heraus, daß er kein Engländer war, sondern ein Deutscher und noch dazu ein
Sachse. Ich sprach ihn deutsch an, dann sagte er: "Herrgottchen, Sie sind wohl
och ´ne Sachse?" - Nach meiner Bejahung fing er an zu erzählen, daß er beim XI.
sächsischen Grenadierregiment Unteroffizier gewesen sei. Nach seinem Abgang habe
er sich für den englischen Dienst in Ägypten auf sechs Jahre bei der Leibwache
des Generals Higgs Pascha verpflichtet, der eine Armee zusammengezogen hatte zum
Entsatz des Generals Gordon Pascha, welcher in Chartum vom Mahdi eingeschlossen
war.
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Er erzählte weiter, daß diese Entsatz-Armee von etwa 6 000 Mann mit einem
gewaltigen Tross in die Wüste losmarschiert sei. Man sei bereits drei Wochen
unterwegs gewesen, als eines Tages am Fusse eines Hügels ein Lager aufgeschlagen
worden war. Die Truppe lag unten am Berg und der Stab oben. Etwa um Mitternacht
- wahrscheinlich sind die Wachen überrumpelt worden - kurz schilderte er, sei es
auf einmal Schwarz dahergekommen und die ganze Armee mitsamt dem Tross von den
Mahdis restlos aufgerieben worden.
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Der Stab mit wenigen Leuten habe alles im Stich gelassen und sei geflohen. Nach
Wochen seien sie erschöpft endlich in Kairo angelangt. Das Tragische daran sei,
daß man nicht gewusst habe, daß Chartum längst gefallen und Gordon Pascha
ermordet war, so daß alle Opfer umsonst waren.
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Viel später habe ich einmal über den Feldzug Higgs Paschas gelesen - aber in
englischer Fürbung. Dieser Feldwebel und Leibgardist hatte mir die
Unzulänglichkeit der Führung in einem anderen Licht geschildert. Erst Kitschener
war es vorbehalten, nach sorgfältigster Vorbereitung die Mahdis zu bezwingen.
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Er erzählte weiter, daß man ihn dann in die ägyptische Polizei gesteckt habe, da
er sich je auf sechs Jahre verpflichtet hatte.. Nun habe er sich krank gemeldet:
"Und da bin ich nun". Auf meine Frage, was ihm fehle, meinte er: "Garnichts, ich
will mich nur mal ausruhen, jetzt frühstücke ich, dann gehe ich spazieren, und
abends komme ich und lege mich wieder krank ins Bett." - Etwa eine Woche ging
das so, dann blieb er weg und ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.
Ein kleiner Sudanese
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Ich erinnere mich weiter, daß im Spital ein kleiner Sudanese tiefschwarz, mit
einem wolligen Lockenkopf herumlief. Auf meine Frage an die Schwester, was es
mit diesem Jungen für eine Bewandtnis habe, erzählte sie mir, daß er eines Tages
als nuegeborenes Kind an der Tür des Spitals gefunden wurde. Das Kind habe an
der Hand den Knochenfrass gehabt und sei gepflegt worden. Die Mutter habe sich
nie mehr sehen lassen. Jetzt sei das Kind ziemlich geheilt und werde von den
Schwestern erzogen.
l
Der Junge, der leidlich deutsch sprach, wusste, daß man mir öfters vom Hotel
gute Sachen schickte: Torte, Schokolade, Früchte, etc. Jedesmal nun, wenn die
Schwester mir das Essen brachte, hing er an ihrem Schürzenzipfel. Jedesmal
betete die Schwester ein Vaterunser, und ich gab dann dem Jungen regelmäßig
etwas von den guten Sachen.
Später kam er öfters auch ohne Begleitung, kniete sich an mein Bett nieder und
fragte, ob er beten solle. Auf meine Bejahung betete er und bekam dann auch
immer irgendeinen guten Bissen. Es kam ihm gar nicht darauf an, das Vaterunser
zehnmal am Tage zu beten. - Als ich erstarkte, wurde ich tagsüber auf einem
Liegesessel in die Veranda gebracht, und dann hockte er mit einem Wedel an
meiner Seite und verscheuchte die Fliegen. Er war ein liebes Kerlchen, und ich
hätte ihn gern mit mir genommen.
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Erst im März wurde ich mit einem großen Vollbart gesund entlassen. Die
Hotelleitung hatte sich mir gegenüber sehr generös benommen. Der Hausarzt musste
sich wöchentlich mehrmals nach mir erkundigen und alle Delikatessen, die mir zu
essen erlaubt waren, wurden vom Hotel geliefert.
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Zum Abschied kam ich in das Hotel und wurde zum Speisesaal geführt, denn ich war
so schwach, daß ich an zwei Krücken gehen musste. Eine Festtafel war
hergerichtet, Ich wurde zu einem jungen Paar an die Hochzeitstafel geführt und
konnte meinen Glückwunsch der jungen Trommelschlägerin bringen. Sie war in einer
Schweizer Pension ausgebildet und eine perfekte junge Dame geworden.
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Mein Gehalt wurde für die ganze Zeit ausgezahlt, außerdem noch die Rückreise,
welche sich bis Marienbad auf 100 Gulden belief.
Schießerei beim Wirt
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Am Abend hatten wir bei Bettelheim & Katuner, einem Bierrestaurant, in welchem
wir sehr oft waren, mit einigen Kollegen ein Abschiedsfeier, bei der auch mein
nachmaliger Schwager, Herr Max Franiek, Sohn des Buchdruckereibesitzers Franiek
in Karlsbad, anwesend war.
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Hier sollte es zu einer Schießerei kommen, die die ganze Feier zunichte machte.
Schuld daran war einer der Gotscheepers (aus dem Ort Gotscheep), der mit Waren
handelte, aber außerdem das Lotto Spiel mit 90 Nummern betrieb. Der Wirt sagte
ihm, daß er Waren verkaufen kann, aber nicht spielen dürfe, da es dabei immer zu
Streitigkeiten kam. Er erwiderte, daß er Familienvater sei und sein Geschäft
mache, wie er wolle. Der Wirt liess nicht nach, und der Gotscheeper musste gehen.
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Die Gotscheeper sind meist Griechen, eine gefürchtete Sorte Menschen. Kurze Zeit
darauf setzten sich zwei Herren in unsere Nähe. Ihrer Sprache nach waren es
Griechen. Auf einmal erschien der Gotscheeper wieder, ging direkt auf die beiden
zu und fing an, mit ihnen Lotto zu spielen.
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Der Wirt, der hinter seinem Bierschenk stand, verbot das Spielen wieder, aber
der Gotscheeper, der seinen Korb neben sich gestellt hatte, kümmerte sich nicht
darum. Ein junger Beamter vom österreichischer Konsulat, der mit in unserer
Gesellschaft sass, stand auf, nahm den Korb mit Waren und trug ihn zur Tür
hinaus. In diesem Augenblick rief der Wirt hinter seiner Schenke: "Achtung, der
schießt!"
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Der junge Wiener sprang zur Seite, der Schuß ging los und traf einen Kutscher,
der gerade vorüberfuhr, in die Brust. Der Wirt riss seinen Revolver heraus und
schoß nach dem Gotscheeper, traf aber nicht.
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Im Augenblick waren wir alle in Deckung. Der Gotscheeper flüchtete, und wir
liefen alle hinterher. In der Tür drehte sich der Gotscheeper um und schoß und
traf den Wirt am Arm. Unter Geschrei liefen wir dem Gotscheeper nach. Dieser war
zu einem griechischen Schneider in den Laden geflüchtet. Da dazumal noch das Lex
Napoleon galt, durfte die ägyptische Polizei den Attentäter, der Zuflucht bei
einem Griechen gesucht hatte, nicht arrestieren. Der Gotscheeper wurde von uns
belagert. - Es wurde zum griechischen Konsulat geschickt, und schließlich führte
ihn ein Kawasse des Konsulats ab. Ob er bestraft wurde, entzieht sich meiner
Kenntnis, da ich am nächsten Morgen, nachdem ich noch einen Krankenbesuch bei
dem verletzten Wirt gemacht hatte, der am Wundfieber darniederlag, zusammen mit
Franiek abreiste.
Problem mit meinem Pass
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Um 6 Uhr früh kamen wir in Alexandrien an. Ich musste zum deutschen Konsulat, um
meinen Pass zu holen. Im Hotel "Abbas" nahm ich einen Wagen - man gab mir einen
Hotel -Kawasse mit - und ich fuhr zum Konsulat. Dort musste ich warten, da
dieses erst um 8 Uhr geöffnet wurde. Um 9 Uhr sollte das österreichische Schiff
abfahren.
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Man suchte nach meinem Pass, der war nicht zu finden. Endlich fragte mich der
Beamte, wohin ich mich bei der Ankunft angemeldet hatte. "Nach Kairo", sagte
ich. "Dann liegt ihr Pass dort im Konsulat!" - Nun war guter Rat teuer, da mein
Schiff in einer Stunde abfuhr. Auf meine Frage, was ich machen sollte, zuckte er
die Achseln und ließ mich stehen.
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Der Kawasse neben mir hörte die ganze Unterhaltung, zog mich hinaus und sagte:
"Was zahlen Sie mir, wenn ich Sie ohne Pass durch das Passamt bringe ?" Wir
einigten uns auf zehn Franken. Während der Heimfahr instruierte er mich: "Sie
gehen an ihren zwei Krücken, und wenn Sie an das Passamt kommen, weisen Sie
hinter sich, als ob ich Ihr Diener sei, der alles regeln würde." Wir gingen zum
Hafen, der in unmittelbarer Nähe des Hotels lag.
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Ich durchschritt mit Grandezza, soweit es meine Füsse erlaubten, die Passsperre,
deutete hinter mich, ging über die Schiffsbrücke und war auf österreichischem
Boden. Nun konnte mir nichts mehr passieren. Hinterher kam der Kawasse mit
meinem Gepäck. "Na", sagte er, "hat´s geklappt ?". Er sprach recht gut deutsch.
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Ich gab ihm noch ein Trinkgeld und sah ihm beim Weggehen nach. Da fiel mir ein:
"Hallo!", rief ich, "bitte meinen Pass!" Ich wollte doch sehen, wie er mich über
die Grenze gebracht hatte. Er überreichte mir eine Menu-Karte des Hotels
"Abbas", die er mit mehreren Stempeln versehen hatte. Franiek und ich lachten
aus vollem Herzen. Der Kawasse winkte und verschwand.
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Diese Menukarte habe ich zum Andenken aufgehoben, wohl mein originellster
Pass-Ausweis.
Meine Seereise nach Triest
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Ein altes österreichisches Schiff ETORRE nahm uns auf. Wir waren nur wenige
Passagiere. Als es zur ersten Mittagsmahlzeit ging, humpelte ich an meinen zwei
Krücken zur Tafel. Ober an sass der Kapitän, ihm zur Seite zwei
Schiffsoffiziere, dann die wenigen Gäste, vielleicht zwölf an der Zahl.
Gegenüber von mir sass eine Diakonissin, neben mir Herr Franiek.
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Während der Mahlzeit fragte mich der Kapitän, was mir fehle. Bevor ich antworten
konnte, sagte die Schwester, die ich gar nicht kannte: "Der junge Mann hat
Typhus gehabt, lag im Victoria-Auguste-Spital in Kairo und heisst Viktor
Petzoldt und ist aus Marienbad, der Sohn eines Hoteliers daselbst."
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Bei jedem Wort wurde mein Erstaunen größer, bis die Schwester das Rätsel
aufklärte und erzählte. daß eine andere Schwester, die mich gepflegt hatte, sich
infizierte und in ihr Heim nach Jerusalem als Rekonvaleszentin geschickt worden
war. - "Sie beschrieb uns das Aussehen, nannte uns den Namen und die Heimat und
hatte uns gesagt, daß sie wahrscheinlich nicht vor Ende März das Spital
verlassen würden." - Nach der Beschreibung konnte ich nur dieser Kranke gewesen
sein. Die Welt ist doch recht klein. In der Folge nahmen wir uns der schwester,
die zur Erholung in ihre Heimat nach Dresden fuhr, an und trennten uns erst in
Gmünden.
l
Die Seereise hatte mich so gestärkt. daß ich in Triest meine beide Krücken ins
Meer warf mit dem Zuruf: "Marsch, zurück nach Ägypten!" Ich konnte nun mit einem
Spazierstock gehen.
Wieder in Marienbad
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1888 blieb ich in Marienbad und übernahm unter Anleitung meines Vaters die
Führung des Hotels. In diesen Jahren wurde die Reklame für das Hotel in England
und Amerika ausgebaut und auch für Russland intensiv aufgenommen. Der Erfolg
blieb nicht aus. Das Hotel bekam eine vornehme ausländische Kundschaft, darunter
den Großfürsten Wladimir, den Bruder des russischen Kaisers Alexander II.
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Großfürst Wladimir weilte mehrere Male zur Kur im Hotel CASINO. Mein Vater bekam
den russischen Hoftitel und die Genehmigung, diesen Hoftitel in
Reklamebriefschaft, Silber, Porzellan usw. zu führen. Meine Mutter bekam eine
Brosche, ein Zwanzigrubelstück mit dem Bildnis der Kaiserin Katharina in Email,
von Brillanten umgeben.
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Dafür, daß hoher Stand keine Gewähr für den Charakter eines Menschen ist,
erwähne ich, daß den Großfürst im ersten Jahr einen Fürsten Dimourius Obolenski
als Adjutanten mitgebracht hatte, der das Geld für Trinkgelder zum größten Teil
unterschlug. Im zweiten Jahr gab der Großfürst Obolenski den Laufpass. Das
Trinkgeld, welches er unterschlagen hatte, wurde generös nachgezahlt.
l
Das Hotel bekam nach und nach Weltruf und erhielt im Laufe der Jahre viele
prominente Gäste aller Stände und Länder. Ich will nur einige Namen nennen, die
mir im Gedächtnis geblieben sind:
Alfred Nobel, Anton Rubinstein, Johann Strauss, welcher in Vaters Gästebuch die
ersten vier Takte des "Blauen Donauwalzers" eintrug, Marzella Sembrich, Alfred
Grünfeld, Lord Westminster, Lord Caventish, der österreichische Finanzminister
Dunajevski, Fürst Cantacuzene, Bukarest, Chukry Pascha, Kabinetts-Chef aus
Kairo, amerikanische Finanzgrößen, deutscher Hochadel und viele andere mehr.
l
So kam das Jahr 1890 heran, als ich mich heimlich verlobte; jedoch auch diesmal
sollte es mir nicht gelingen, die Geliebte heimzuführen. Die Mutter des Mädchens
war geschäftlich vom Stift Tepl abhängig und hatte das Tepler Haus gepachtet.
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Die Geistlichkeit machte Schwierigkeiten, da ich evangelischen Glaubens war, und
brachte es soweit, daß das Mädchen gezwungen wurde, mir abzuschreiben. In den
nächsten Tagen wurde sie mit ihrem Cousin Josef Hammerschmidt verlobt, der, wie
sich später herausstellte, schon bei der Verlobung ein Todeskandidat war. Ich
klagte meiner Mutter mein Leid, die mich mit den Worten tröstete: "Sie hat dich
nicht lieb genug gehabt!" Ich wollte nun auf alle Fälle wieder weg von
Marienbad, was mir auch bald gelang.
Beim Herrn Sendig in Dresden
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Zu dieser Zeit wohnte der Dresdner Hotelier Herr Weiss bei meinem Vater; er
wollte mir eine Stellung verschaffen. Kurze Zeit nach seiner Abreise bekam ich
einen Brief, sofort nach Dresden zu kommen und im Hotel "Europäischer Hof" bei
Herrn Sendig vorzusprechen. Meine Siebensachen hatte ich bald beisammen, und ich
meldete mich bei Sendig.
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Ich wurde als Restaurant-Direktor mit teilweisem Rezeptionsdienst eingestellt.
Bei meinem Antritt mahnte er, immer eingedenk zu sein, daß er, wie er sagte, an
der Tété der deutschen Hoteliers marschiere. Bei allem, was ich sah, sollte mir
bald klar werden, daß es mit der "Tété" noch sehr haperte.
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So kam es im März anlässlich eines Ronn-Diners, bei dem auch der Bruder der
deutschen Kaiserin, Herzog Günther von Schleswig-Holstein anwesend war, zum
Krach. Das Menu enthielt unter anderem auch Rheinsalm. Wie es nun kam, weiss ich
nicht mehr, jedoch an dem Tisch, an dem der Herzog sass wurde statt Rheinsalm
Kabeljau serviert. Auf meine sofortige Beschwerde in der Küche erfuhr ich, daß
Herr Sendig nicht genug Rheinsalm gekauft hatte und daher Kabeljau serviert
werden musste.
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Daraufhin fing ich an, mit dem Küchenchef zu spektakeln. Am nächsten Tage liess
mich Herr Sendig rufen und meinte, wie ich mir erlauben könnte, in der Küche
gegen seine Verfügung zu randalieren. Ich war derartig perplex, daß ich ihn an
seine Antrittsrede von der "Tété" erinnerte und sagte: "Wenn Sie glauben mit
solchen Unterschiebungen an der Tete zu marschieren, habe ich hier nichts mehr
verloren." - "Gut," sagte er, "Sie können in 14 Tagen gehen."
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Ich sah mich verpflichtet, Herrn Weiss über diese Sache zu unterrichten, und
suchte ihn auf. Bei meinem Eintritt sass er in seinem Lehnstuhl und rief: "Sie
kommen mir aber sehr gelegen!" Er frug mich, ob ich jemand wüsste, der nach
Vöslau bei Wien gehen könnte, um seiner Nichte zu helfen, das Hotel "Back" zu
führen.
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Nun setzte ich ihm meinen Krach mit Herrn Sendig auseinander. "Das ist aber
großartig," meinte er, "dann gehen Sie nach Vöslau und zwar reisen Sie sofort.
Alles andere ist meine Sache. Ich werde mit Sendig reden, er muss Sie sofort
freigeben."
l
Er erzählte, daß seine Nichte, Frau Eberhard, eine Hotelierstochter aus
Cannstadt, bisher mit ihrem Bruder das Hotel "Maurice" in Paris geführt habe.
Der Bruder habe sich verheiratet, so daß sie sich überflüssig fühle und als
Direktrice in das Hotel nach Vöslau ginge, unter der Bedingung, daß für das
Restaurant ein eigener Direktor zu engagieren sei. Hiermit habe sie sich an ihn
gewendet.
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Frau Eberhard war eine sehr liebenswürdige ältere Dame, welche zwei erwachsene
Töchter hatte, die, wie ich im vorhinein bemerken möchte, beide bedeutend älter
als ich waren. Unsere Zusammenarbeit war sehr freundschaftlich, nur liess das
Hotel, das 120 Zimmer hatte, viel zu wünschen übrig. Eine Wanzenhochburg und
völlig vernachlässigt!
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Da die Brüder Back für das Hotel nichts tun wollten, mussten wir schließlich
drohen, sofort zu gehen, wenn nicht alles getan würde, um das Hotel
einigermassen instandzusetzen. Der eine Bruder meinte zum anderen, immer schon
gesagt zu haben, das Hotel als Ruine verfallen zu lassen und dann gegen Eintritt
zur Besichtigung freizugeben. Man kann sich vorstellen, wie das Haus ausgesehen
hat.
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Wir machten eine Aufstellung über Reparaturen und Anschaffungen, kurz: der Spass
sol lte 40 000 Gulden kosten. - Nach großem Gejammer wurde die Summe bewilligt,
uns jedoch aufgegeben, zunächst zu versuchen, das Haus zu verkaufen. Der Preis
sei einschließlich eines Parks 80 000 Gulden. - Ich machte Herrn Gustav
Schlummberger, eine Wein-Großfirma, dar auf aufmerksam, da dieser Preis sehr
niedrig war. Dieser hatte Lust, konnte sich aber nicht entschließen.
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Anfang Mai wurde das Hotel nach Fertigstellung der Arbeiten eröffnet, nachdem
noch die Einrichtung einer Gasbeleuchtung mit Auer-Glühlicht, damals etwas ganz
Neues, nachbewilligt worden war. Der Erfolg war ausgezeichnet. Wir hatten eine
gute Saison; das Restaurant mit Garten war das Ziel der guten Gesellschaft.
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Eines Tages kam Herr von Schlummberger und frug an, was jetzt das Hotel kosten
würde. Nach Rücksprache mit der Firma Back konnte ich den Preis von 250 000
Gulden, also sechsmal so viel wie früher, mitteilen. Hierauf meinte Herr von
Schlummberger: "So ist es, wenn man eine gute Gelegenheit versäumt!" - Ich
erwiderte, daß das Hotel auch um diesen Preis nicht zu teuer sei, und riet ihm,
nochmals 50 000 Gulden hereinzustecken, um ein Millionen-Objekt zu besitzen. Im
gleichen Herbst wurde das Hotel an einen Schweizer namens Babrutt für 660 000
Gulden verkauft.
Der Nuntius von Wien in Marienbad
In den nächsten Jahren blieb ich in Marienbad bei meinem Vater, der mich immer
mehr her anzog, unter seiner Leitung das Hotel zu führen.
Eine interessante Begebenheit war folgende:
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Der Nuntius von Wien, Galimberti, hatte sich bei uns für die ganze Saison
einlogiert. Eines Tages frug er mich, ob wir keinen Rotweinsekt hätten, was ich
verneinte. Ich frug jedoch bei Kattus in Wien an und erhielt den Sekt, worüber
sich der Nuntius so freute, daß wir gute Freunde wurden. Er kam nun öfters zu
mir ins Büro und unterhielt sich mit mir, wobei er wohl gemerkt haben mag, daß
ich der evangelischen Konfession angehörte.Er hatte einen Diener namens Pietro,
einen Schleicher, wie er im Buche steht.
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Eines Tages kam der Nuntius wie gewöhnlich ins Büro, setzte sich zu mir an den
Schreibtisch und erzählte. Auf einmal sah er zur Tür hinaus, kam zurück und
steckte mir dann ein Schreiben zwischen die Seiten meines Kassabuches und sagte:
"Wollen Sie so freundlich sein und diesen Brief, der rekommandiert werden muss,
selbst zur Post bringen ? Ich hole mir das Recipise selbst von Ihnen ab.
Strenges Stillschweigen ohne Ausnahme; ich gehe jetzt spazieren, und wenn ich
zurückkomme, geben Sie mir den Einlageschein."
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Kaum war er aus dem Büro, erschien Pietro: "Was wollte der Nuntius von Ihnen ?",
mit diesen Worten setzte er sich zu mir an den Schreibtisch. "Keinen Schritt
machen Sie heute ohne meine Begleitung." - Ich sagte, daß ich jetzt fertig sei
und in das Thermal-Bad gehe. Er ging mit mir. In der Kabine zog ich mich aus, er
stand davor. Den Schlüssel zur Kabine trug ich zur Kasse mit dem Auftrage,
niemandem den Schlüssel auszuhändigen, denn der Brief, dessen Adresse ich noch
gar nicht kannte, steckte in meiner Tasche. Ich ging ins Wasser, Pietro stierte
mir immer nach. Ich blieb 60, 70 Minuten, er hielt standhaft Wache. Endlich, ich
war schon ein und einhalb Stunden im Wasser und Pietro wartete immer noch, wurde
es mir zu dumm, und ich ging nach Hause. Pietro war immer an meiner Seite. Zu
Hause angekommen, setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch, er setzte sich
zu mir.
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Auf einmal kam der Nuntius und schickte ihn aufs Zimmer, mit dem Auftrag, ihm
seine Kleider für das Diner zurechtzulegen. Als der Nuntius mich fragte, ob ich
den Brief besorgt habe, erzählte ich ihm die ganze Sache. "Warten Sie", sagte
er,"jetzt werde ich den Diener beschäftigen, und während dieser Zeit gehen Sie
zur Post." So geschah es, und nun erst erfuhr ich, daß der Brief an den Vatikan
gerichtet war. Was mag den Nuntius veranlasst haben, diesen Brief als Geheimnis
zu behandeln ?
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Nach dem Super kam er, von Pietro gefolgt und sagte, er wolle zusammen mit mir
einen Spaziergang machen. "Es ist schon dunkel und man geht besser zu zweit im
Wald", meinte er. Wir gingen, und nun erzählte er mir unter Schimpfen - dabei
erging er sich in den unflätigsten Ausdrücken -, daß sein Diener in Diensten der
Jesuiten stehe und ihn auf Schritt und Tritt bewache. Da er zum Kardinal ernannt
werden sollte, freute er sich, daß sein Nachfolger aus München diesen Diener
übernehmen müsste. Auf meine Frage, warum er den Diener nicht schon längst
entlassen habe, sagte er, daß das nicht gehe, da dieser der Nuntiatur zugeteilt
und der jeweilige Diener des Nuntius sei. Dieser infame Hund, so titulierte er
ihn. Ich sagte dann, er möchte mir noch eine Frage gestatten: "Eminenz, Sie
wussten, daß ich nicht Ihrer Konfession angehöre, warum hatten Sie zu mir dieses
Vertrauen ?" - "Eben darum", meinte er.
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In der Folgezeit forderte er mich öfters auf, am Abend mit ihm spazieren zu
gehen. Er war sehr bewandert am Himmelszelt und erklärte mir die Gestirne. "Ja,
ja," sagte er einmal, "ich bin bewandert in der Astronomie und Sie sind es in
der Gastronomie." Es waren interessante Abende.
Meine Verlobung in
Marienbad
In den nächsten Jahren blieb ich in Marienbad.
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Meine Mutter starb im Jahre 1895 an Urämie, einer Art Blutvergiftung.
Sie war eine herzensgute Mutter und tüchtige Wirtin. Ich war von
neun Kindern das älteste und an ihrem Begräbnistage war nach vielen
Jahren zum ersten Mal die ganze Familie wieder beisammen. Schon am
nächsten Tage zerstoben sie wieder in alle Winde.
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Zu dieser Zeit war auch mein Vater nicht recht gesund, so daß ich
mich mehr dem Geschäft widmen musste. Das Mädchen, mit dem ich mich
schon im Jahre 1890 heimlich verlobt hatte, war inzwischen Witwe
geworden. Wir fanden uns wieder, und wieder war die katholische
Geistlichkeit gegen uns an Werk. Aber ihre Mutter war diesmal
standhaft, indem sie sagte, daß ihre Tochter nunmehr großjährig sei
und sie keine Macht habe, ihr die Verlobung zu verbieten. So kam es
1897 zur öffentlichen Verlobung.
Heirat und unsere Lebensperiode in Budweis
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Mein Vater, der das Hotel noch nicht abgeben wollte, da er
gesundheitlich wieder oben auf war, riet mir, etwas zu pachten. Eine
Gelegenheit bot sich in Budweis, mit dem Restaurant "Patzaun". Der
Pachtvertrag kam zustande, und ich heiratete am 29. Januar 1898 und
übernahm am 4. Februar das Restaurant, das ich für drei Jahre
gepachtet hatte. Es war ein kleines Geschäft. Der Bierausstoß war
ca. 600 Hektoliter Pilsner, wenig Küche, aber wir verdienten, da ich
den Bierausstoß bis auf 1 300 Hektoliter brachte und auch die Küche
später gut arbeitete.
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Eine kleine spassige Begebenheit muss ich hier erwähnen. Meine Frau
hatte einmal als Mädchen ein Obstgeschirr erhalten, bestehend aus
einer Schale und Tellern, sehr bunt und geschmacklos. Sie konnte das
Geschirr nicht leiden und gab es eines Tages zur Verlosung in eine
Tombola des Turnvereines. Ihr Bruder Franz, welcher Mitglied des
Vereins war, gewann dieses Geschirr und siehe, es war wieder im
Hause. Bei einer nächsten Gelegenheit hatte sie Geschirr wieder zur
Verlosung verschenkt und diesmal gewann ich es! Bei unserer
Verheiratung brachte ich unter anderem auch dieses Geschirr zum
Vorschein, und so bekam es meine Frau wieder. "Nun," meinte sie, "zerschlage
ich es, sonst werde ich es nicht los." Die Schale ist bis auf den
heutigen Tag erhalten geblieben.
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Mein Vater hatte mittlerweile meinen dritten Bruder Fritz zur
Mitarbeit herangezogen. Dieser hatte ebenfalls in der Schweiz seine
Laufbahn begonnen und war in Südfrankreich und England gewesen. Nur
vertrug er sich nicht mit meinem Vater, so daß dieser eines Tages
bei mir in Budweis erschien und mir ein Kaufangebot machte und zwar
für das Hotel CASINO in Marienbad. Er wollte eine Hypothek auf dem
Hause stehen lassen und für den Rest sollte ich eine Hypothek
aufnehmen, der Preis betrug nämlich 360 000 Kronen. Der Kauf kam
zustande, da mir die Sparkasse in Eger die nötige Hypothek
bewilligte.
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Mittlerweile war mein ältester Sohn Viktor geboren. Am Tage der
Geburt - meine Frau lag noch in den Wehen - bekam ich die
Aufforderung zur Polizei zu kommen. Als ich dort erschien, teilte
man mir mit, daß ich schon ein Jahr in Budweis, aber noch nicht
polizeilich gemeldet sei. Man nahm die Personalien auf: "Haben Sie
Kinder ?" - " Nein! Pardon. Ja!" - "Was heisst das, einmal ja und
einmal nein?" Ich wurde sehr verlegen und .erklärte nun unter
Gelächter den Sachverhalt. "Gehen Sie schnell nach Hause und kommen
Sie in den nächsten Tagen wieder. Bis dahin werden Sie ja wohl Vater
sein", meinte er. Als ich nach Hause kam, war ein Bub da.
Auf der Spitze der zwei Geschäfte
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Ich hatte nun vor, beide Geschäfte in Marienbad und Budweis zu
führen. Mein Vorgänger in Budweis, ein weitläufiger Verwandter
meiner Frau, wollte aber das Geschäft wieder übernehmen, und so
kamen wir überein, daß er, da ich noch ein Jahr Pacht hatte, eine
Entschädigung bezahlte. Für ihn war es umso leichter, als ich ihm ja
jetzt einen bedeutend höheren Umsatz garantieren konnte. So
übersiedelten wir 1900 im Februar in Marienbad.
l
Das CASINO wurde im selben Stil von mir weitergeführt, nur mussten
verschiedene Neuerungen, wie zum Beispiel ein Lift, Zentralheizung
etc. eingebaut werden. Im Jahre 1902 bot sich Gelegenheit, ein
Grundstück zu verkaufen, so daß es mir möglich wurde, zunächst einen
Aufzug von der Firma Stigler in Mailand einbauen zu lassen. Die
Möbel, die veraltet waren, wurden nach und nach erneuert und
jährlich fast der ganze Gewinn hierfür aufgewendet. So hielt ich
Schritt mit der Konkurrenz.
l
Im Jahre 1904 las ich eines Tages in der "Neuen Freien Presse", daß
Fürst Ferdinand von Bulgarien die Absicht habe, eine Kur in
Marienbad vorzunehmen. Ich fuhr kurzerhand nach Wien, ging in das
Palais Coburg und wurde tatsächlich vom Bruder des Fürsten, Prinz
Leopold von Coburg, empfangen.
l
Anhand von Hotelbildern machte ich mein Angebot und legte außerdem
Referenzen verschiedener Gäste vor. Der Prinz hörte mich an und
wollte nach Sofia berichten. Meine Mission war vorerst erledigt.
Einige Wochen darauf kam ein Herr mit dem Marienbader Arzt Dr.
Floderer zu mir, um sich Zimmer anzusehen, ohne daß ich wusste für
wen.
Nach meiner Unterlagen führe ich nun der Reihenfolge nach die
Ereigniss an. Am 29. Januar kam folgendes Telegramm:
l
"Ihre Königliche Hoheit Herzogin Clementine von Sachsen Coburg
Gothas akzeptiert den Mitpreis ..... Kronen pro Woche für die
proponierten 10 Herrschaftszimmer, einen Salon, ein Speisezimmer, 10
Dienerzimmer, reservieret dieselben ab 8. oder 10.Juli. Das genaue
Datum der Ankunft der Gäste wird Ihnen später mitgeteilt.
"S.Königliche Hoheit der Graf von Murany
I. Königliche Hoheit die
Prinzessin Clementine von Sachsen Coburg Gotha
S. Königliche Hoheit
Prinz Phillipp von Sachsen Coburg Gotha
S. Königliche Hoheit
Kronprinz Boris von Bulgarien
S. Königliche Hoheit Prinz Cyrill von
Bulgarien
I. Königliche Hoheit Prinzessin Eudoxia von Bulgarien
I.
Königliche Hoheit Prinzessin Nadìžda von Bulgarien
Herr Geheimrat
Ritter von Fleischmann
Herr Generaladjutant Generalmajor Peter
Markow
Herr Flügeladjutant Major Alex Stajanov
Herr
Legationssekretär Paul de Chevremont
Fräulein Okoore de Fort
Faulknor
Herr Hauptmann Curtocliew aus Sofia zusammen 28 Personen."
l
Es waren zwei Etagen komplett besetzt. Gespeist wurde im Privat-Salon.
Da ich sehr knapp an Zimmern war, schickte ich meine drei Kinder mit
einer Erzieherin zur Sommerfrische nach Tepl. Dort wurden alle drei
Kinder krank. Ein Kellner, den wir mit allerlei Sachen nach Tepl ge-
schickt hatten, kam am Abend zurück und sagte,daß etwas mit den
Kindern geschehen sei. Am selben Abend fuhr meine Frau nach Tepl, um
zu sehen, was los sei. Sie telephonierte, daß der Arzt noch keine
Diagnose gestellt habe und bat unseren Hausarzt Primarius dr.
Zickler sofort zu schicken. Aus der Erzieherin sei nicht
herauszubekommen, was passiert war. Dr.Zickler verlangte die
sofortige Überführung der Kinder nach Marienbad, um sie beobachten
zu können.
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Wenige Tage danach wurde bei allen drei Kindern Typhus konstatiert
und behördlich gemeldet. Der Bezirksarzt Dr.Sternberger verlangte
die sofortige Einlieferung in das Krankenhaus.
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Die Bezirksbehörde legte dem Fürsten von Bulgarien nahe, das Hotel
zu verlassen. Meine Tochter Mizzi war damals drei Jahre alt, und am
schlimmsten dran, so daß ich den Bezirksarzt fragte, ob ich hoffen
könnte, daß das Kind lebend ins Krankenhaus kommt. Er zuckte die
Achseln und sagte: "Ich übernehme keine Garantie, aber raus muss sie
aus dem Hotel." Den Kindern wurde der Isolierpavillon des
städtischen Krankenhauses eingeräumt. Meine Frau wurde, nachdem sie
mit den Kindern in Berührung gekommen war, mit isoliert. Zu ihrer
Hilfe nahm ich noch eine Schwester Kalesantia.
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Der Fürst liess mich rufen und fragte mich, wie es den Kindern gehe.
Mir stiegen die Tränen auf, so daß er mir auf die Schultern klopfte
und sagte: "Man hat mir nahegelegt wegen der Krankheit ihrer Kinder
das Hotel zu verlassen. Ich bleibe jedoch, wenn Sie alles tun, damit
die Krankheit nicht verschleppt wird. Ich bitte Sie, aus sänitäten
Rücksichten die Kinder zunächst nicht zu besuchen. Überlassen Sie
die Pflege Ihrer Frau, die, wie ich gehört habe, mit isoliert ist."
Ich dankte ihm von ganzem Herzen für seine Anteilnahme. Zwei Tage
später meldete sich König Eduard VII. von England zum Diner an,
obwohl auch ihm die Sache hinterbracht worden war. In der Nacht,
wenn es an meine Zimmertür klopfte, schrak ich auf, in der Erwartung
- jetzt komme eine Todesnachricht. Es war eine schreckliche Zeit.
Die Ursache der Krankheit war wohl schlechtes Wasser. Die Erzieherin
war mit den Kindern in einem Erbsenfeld gewesen und die Kinder
hatten von dem Erbsenessen Durst bekommen und aus einem Feldbach
getrunken. Gott sei Dank konnten sie spät im Herbst gesund entlassen
werden.
Amtsschimmel
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Ich erwähne noch eine Sache, die mit der Krankheit meiner Kinder
zusammenhängt, benannt: "Der löbliche Amtsschimmel".
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Meine Kinder wurden im Juli krank. Der Wagen, in dem die Kinder nach
Marienbad gefahren wurden, war mein eigener. Im Laufe des November
fiel nun der Behörde ein, mich zu fragen, welcher Wagen die Kinder
von Tepl gebracht habe. "Mein eigener!" - "So, ist der denn
desinfiziert worden ?" - "Nein! Als meine Kinder abgeholt wurden,
war noch gar nicht festgestellt, was ihnen fehlt. Seit dieser Zeit
haben viele Gäste den Wagen benutzt, und niemandem ist etwas
geschehen." - "Das geht nicht! Der Wagen muss bei Strafandrohung
desinfiziert werden." So wurde der Wagen nach vier Monaten
desinfiziert.
Könige Eduard und Ferdinand
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Der "Herzog von Lancaster" (Eduard VII.) war keineswegs so
musikbegeistert wie sein Kollege und Verwandter König Ferdinand von
Bulgarien. Beide waren die häufige Besucher Marienbads, aber der
bulgarische König gern einige Becher Kreuzbrunnen kohlensaures Bad
"schwänzte", um im Automobil nach Bayreuth sich zu begeben und dort
der Sphärenmusik Wagners in Grals Tempel zu lauschen. Und ging
dieser Koburger auch hervorhebt, wie mutig sein Urgroßvater, der
Prinz von Orleans, auf dem Schafott sich verhalten. Ihn verlangte es
nur nach einem Glas Chablis, das er frohgemut leerte.
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Für die kompliziertere Unterhaltung des Königs Ferdinand, bei dem
Gelehrte und Künstler leichter ihre Rechnung finden alsmondäne
Menschen, hatte König Eduard vielleicht weniger Sinn, wiewohl beiden
manche Züge gemein waren. So die eklatante Vorurteilslosigkeit und
die erkenntnise von der Verschwisterheit von Politik, Geschäft und
Kapital. König Ferdinand war wie König Eduard ein treuer Freund des
Barons Hirsch, des sogenannten Türkenhirsch, dessen Bahnbau Sofia an
Konstaninopel so nahe herangerückt hatte, und beide Könige waren
Bewunderer der Wagnerschen Musik, wenn auch der Beulgarenherrscher
unvergleichlich mehr sachliches Verständnis ihr entgegenbrachte.
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Kurz vor der Abreise des Fürsten kam der Cabinets-Graf Dobrowitsch
zu mir, mit dem ich später enge Freundschaft schloss. Er meinte:
"Ich komme im Auftrage des Fürsten, um Sie zu fragen, was Ihnen
lieber ist, ein Orden oder der Hoftitel?" Ohne Überlegung bat ich um
den Hoftitel. Am Tage der Abreise liess mich der Fürst rufen,
drückte mir seine Zufriedenheit aus, bedankte sich für die
ausgezeichnete Verpflegung seiner Kinder und für die Vorsicht
bezüglich der Krankheit meiner eigenen Kinder. Ich war entlassen.
Gleich danach kam Dobrowitsch und teilte mir mit, daß mir der Fürst
den Hoftitel bewilligt habe und ich das Dekret noch erhalte.
Gleichzeitig sagte er: "Sie bekommen nicht nur den Hoftitel, sondern
auch einen Orden. Sie haben wohl noch keinen Orden ?" - "Doch",
sagte ich, "bereits das goldene Verdienstkreuz vom österreichischen
Kaiser."
l
Hierauf meinte er, er müsse sofort zum Fürsten gehen und dies
mitteilen, damit mir dieser einen höheren Orden verleihe als das
österreichische Verdienstkreuz. Und so bekam ich das Ritterkreuz mit
Krone für zivile Verdienste.
l
Im nächsten Jahr kam er wieder, diesmal ohne Kinder, und meine Frau
bekam beim Abschied Brillant-Ohrringe, die wie alle seine Geschenke,
die ich im Laufe der folgenden Jahre, nachdem er ein treuer
Stammgast geworden war, von ihm noch bekam, bedeutenden Wert hatten.
l
Fürst Ferdinand, der spätere König Ferdinand, war schwer zu nehmen.
Man musste ungeheuer aufpassen, daß nichts verquer ging, dann sparte
er aber auch nicht mit seiner Anerkennung. Unter uns gesagt, er war
ein Vielfrass. Sein Bruder Phillipp sagte einmal zu ihm: "Ferdinand,
du reisst das Maul auf wie Scheunentor."
Amerikaner in Casino
l
Eines Tages kam ein Amerikaner mit seiner Frau und wollte mehrere
Zimmer haben. Ich zeigte ihm das Appartement, welches kürzlich eine
hohe Persönlichkeit bewohnt hatte. "Diese Zimmer möchte ich haben",
meinte er, "Was kosten Sie für etwa vier Wochen ?" - Als ich ihm den
Preis genannt hatte, sagte er: "Lächerlich, einen so hohen Preis
wende ich nicht an", und ging. Plötzlich drehte er sich um und
fragte: "Wer zahlt denn solche Preise ? Wer waren diese Leute ?" -
"Großfürst Wladimir von Russland", antwortete ich. Wie erstarrt
blieb er stehen und wollte die Zimmer noch einmal sehen. Ohne mit
der Wimper zu zucken, sagte er anschließend: "Gut, ich nehme diese
Zimmer."
O du liebe Eitelkeit!
Ein Gast mit zwei Zimmern
l
Eines Tages wurden brieflich zwei zusammenhängende Einbett-Zimmer
bestellt, von denen eines ein Eckzimmer sein sollte. Der betreffende
Herr kam an und sagte, daß er im Eckzimmer schlafe. Das andere
könnte ganz ausgeräumt worden. Meine Frage, ob ich ihm dafür einen
Salon einrichten solle, verneinte er und sagte: "Wissen Sie, ich bin
ein großer Schnarcher und will niemanden stören, darum nehme ich die
beiden Zimmer."
Belgische Prinzessin - Fürstin Lonyay in Marienbad
l
Im Jahre 1903 - genau kann ich mich nicht erinnern - las ich in der
Neuen Freien Presse: Fürstin Lonyay, die ehemalige österreichische
Kronprinzessin, hatte die Absicht eine Kur in Marienbad zu machen.
Die Notiz kam aus Innsbruck. Ich schrieb sofort an ihre Adresse und
bekam nach wenigen Tagen einen Brief von der Hofdame Baronin Gagern,
ziemlich unhöflich, mit den Schlußworten, daß das Hotel Casino nie
in Betracht kommen würde!
l
Nachträglich hörte ich, daß er der Hotelier Emil Baruch in Innsbruck
war, der ihr das Palasthotel Fürstenhof angetragen hatte. Kurze Zeit
darauf wurde sie in der Kurliste gemeldet, abgestiegen im Hotel
Fürstenhof. Gefallen hat er ihr, wie es scheint, nicht, denn in den
nächsten Jahren wohnte sie im Haus Belvedere. Es war nichts zu
machen, aber geärgert haben mich die Worte, daß das Hotel Casino nie
in Betracht komme, doch. Was war die Ursache zu solcher Äusserung ?
So vergingen die Jahre.
Unerwartete Überraschung
l
Es war im Jahre 1908 im Frühjahr, als der Bezirkshauptmann Prinz
Lichtenstein mich bat, zu ihm zu kommen. Da ich dazumal Obmann der
Marienbader Hoteliers und Gastwirte war, meinte ich, er habe mit mir
etwas zu besprechen. Als ich bei ihm war, sagte er, ich möchte meine
Lebensgeschichte schriftlich einreichen. Auf meine verwunderte
Frage, sagte er kurz, sich für Lebensgeschichten zu interessieren.
l
In dem Jahr war Hotelkongress in Italien. Da wir eine gute Saison
gehabt hatten, überraschte ich meine Frau damit, die Reise zusammen
zu machen. Meine Frau freute sich sehr, und so fuhren wir anfangs
November ab.
l
Wir waren etwa vier Wochen unterwegs und ich freute mich schon auf
zu Hause. Ich hatte diese fremdländische Kost mehr als satt, und wir
wurden von einem Diner zum anderen geschleppt, wobei es immer hoch
herging. Also wir kamen am 7. Dezember wieder zu Hause an, und ich
bat meine Frau, wieder ein anständiges Rindfleisch oder Gulasch zu
kochen und mich morgens ausschlafen zu lassen. Damit war es aber
nichts. Am nächsten Morgen weckte mich meine Frau und gab mir ein
Telegramm:
"Zur allerhöchsten Auszeichnung gratuliert herzlichst Graf
Coudenhove, Statthalter von Böhmen."
l
"Tu das Telegramm weg, es ist sicher falsch abgegeben!" sagte ich
noch ganz verschlafen, drehte mich um und schlief weiter. Nach
einiger Zeit rüttelte mich meine Frau wieder wach und sagte, daß
noch zwei Telegramme, eines vom Prinz Lichtenstein und das zweite
vom Marienbader Bürgermeister gekommen seien. Beide gratulierten.
Nun machte ich aber einen Satz aus dem Bett und war munter.
"Verstehst du das?" fragte ich meine Frau. "Nun muss ich aber zum
Bezirkshauptmann und ihn um Aufklärung bitten."
l
Bei meinem Eintritt lachte er: "Na! Ihr Lebenslauf hat etwas
eingetragen, Sie sind vom Kaiser dekoriert worden und haben das
goldene Verdienstkreuz mit der Krone bekommen!" Auf meine Frage, wer
der Auftraggeber für meinen Labenslauf war, erwiderte er, die
Statthalterei in Prag, mehr wisse er auch nicht. "Ihnen bleibt nur
übrig, mit einem Schreiben für die allerhöchste Auszeichnung zu
danken, das ich dann weitergeben werde. Ich gratuliere noch einmal
herzlichst." Damit war ich entlassen.
Neue Gäste
l
Das Hotel prosperierte als im Jahre 1911 ein Herr Dr. Floderer
vorsprach, um sich Zimmer anzusehen. Kurze Zeit darauf kam ein Brief
aus der kaiserlichen Kabinettskanzlei in Berlin. Eine Anfrage für 2
Schlafzimmer, 1 Salon, 2 Dienerzimmer und Garage, bei zivilen
Preisen. Ich offerierte. Der Preis entsprach, und Anfang Juli traf
ein Sohn des Kaisers, Prinz Adalbert mit Korvettenkapitän von
Haxthausen ein. Der Prinz war ein liebenswürdiger junger Mann. Ich
unterhielt mich öfters mit Herrn von Haxthausen und fragte eines
Tages: "Nehmen wir einmalden Fall an, England würde Deutschland den
Krieg erklären, oder umgekehrt. Was glauben Sie, wie sich die
deutsche Flotte bewähren wird ?" - "Tja," meinte er, "von unserer
Flotte wird wohl nicht viel übrigbleiben. Die Übermacht wird uns
erdrücken. Aber was von den englischen Schiffen übrigbleibt, damit
können sie keine Parade bei Spihead mehr veranstalten. In der
Schiess kunst sind wir ihnen über."
l
Bei der Abreise bekam ich vom Prinzen eine Krawattennadel mit seinem
Monogramm. "Auf Wiedersehen im nächsten Jahr", meinte er. Er kam
auch wieder, und wir waren nun schon besser bekannt.
l
Ich muss hier etwas nachholen, was in späteren Jahren für mich
wichtig wurde. - Der Prinz fragte mich einmal im ersten Jahr,warum
die Prinzessin Stephanie nicht bei mir wohne. er habe bei ihr Besuch
gemacht, und sie wohne doch sehr primitiv. Ich erzählte ihm
daraufhin die ganze Angelegenheit mit dem Brief von der Baronin
Gagern. "Nun", meinte er, "ich werde die Prinzessin einmal zu mir
zum Tee einladen, damit sie hier die Zimmer sieht." Ich antwortete:
"Königliche Hoheit, es würde mir ein Vergnügen sein, die Prinzessin
zu begrüßen." - "Die wird einmal eingeladen", sagte er. Und richtig,
kurze Zeit darauf kam sie zum Tee. Es dauerte nicht lange, da kam
der Kammerdiener des Prinzen und sagte, daß sich die Prinzessin
Zimmer ansehen möchte.
l
Ich brauchte nicht viel zu sagen. Das besorgte der Prinz. Er lobte
und pries, daß er, wenn er nicht Prinz gewesen wäre, ein sehr guter
Receptions-Chef hätte sein können. Beim Verlassen des Hotels sagte
die Prinzessin zu mir: "Ich habe gar nicht gewusst, daß Sie so
schöne Zimmer haben, mit so prachtvoller Aussicht." - Der Prinz
schmunzelte. Als er sich von der Prinzessin verabschiedet hatte,
nahm er mich Arm in Arm in seinen Salon und sagte: "Na, habe ich das
gut gemacht ?"
l
Im folgenden Jahr im Mai kam ein Brief aus Oroszvar, geschrieben von
der Baronin Gagern: "Ich ersuche um Preisangabe der Zimmer, die sich
Ihre königliche Hoheit bei Ihnen angesehen hat. Die Vorschläge sind
für 8 Personen zu machen."
l
Der Brief war unfreundlich, um nicht zu sagen hinterlistig verfasst,
so daß ich in sehr höflichem Ton um nähere Angaben über die Zimmer
bat, die ich auch sehr präzis bekam und nun meine Offerte machte,
die akzeptiert wurde. Die Ankunft war Mitte Juni 1912 festgesetzt.
Als zuvor Prinz Adalbert kam, konnte ich ihm hierüber Mitteilung
machen. Hocherfreut sagte er: "Die hab´n wir erwischt!"
Spezial Eis Tutti Frutti
l
Tennis spielte der Prinz fleißig. Dabei hatte er sich in zwei
ungarische Damen, zwei Schwestern, verschaut. Es ging das Gespräch,
daß er sich verlobt habe, die Kaiserin aber Einspruch erheben und
nach Marienbad kommen würde. Alles Klatsch.
l
Eines Tages gab er ein größeres Diner. Unter anderen waren die zwei
Schwester eingeladen, einige Herren der Behörde und Freunde,
darunter auch der bekannte Tennismeister Kleinschrott und Graf
Zuboff, über den ich später noch berichten werde. Der Prinz
dekorierte die Tafel selber. Das Menü sollte auserlesen sein und
meine kleine Salonkapelle "Die Geigerbub´n" mussten spielen. In
deren Musik war er direkt verliebt.
l
Serviert wurde unter anderem zum Schluß ein Eis "Tutti Frutti", eine
Spezialität des Hotels. "Bei der nächsten Gelegenheit müssen Sie mir
das Eis wieder servieren, das war delikat," sagte er. Er gab mir
bald Gelegenheit dazu. Diesmal sagte er: "Wenn ich nur einmal das
Eis der Kaiserin servieren könnte." Ich sagte diesen Wunsch meiner
Frau. "Das geht schon", meinte sie. "Der Prinz fährt doch jedes Jahr
zu seinem Geburtstag nach Wilhelmshöhe zur Kaiserin. Da kann er ja
das Eis mitnehmen."
l
"Wir setzen es in einer Bombe in einen Kübel, dann klappt die
Sache." Am nächsten Tag sagte ich dies dem Prinzen. "Gut", meinte
er, "den Kübel nehme ich zu mir in den Salonwagen. Ich fahre
nachmittags um 4 Uhr hier ab und bin um Mitternacht in Kassel. Dort
übergebe ich den Kübel persönlich dem Küchenchef."
l
So geschah es. Das Eis hatte sich ausgezeichnet gehalten. Am selben
Nachmittag bekam ich ein Telegramm: "Eis sehr gut geschmeckt."
Einige Tage später bekam ich einen Brief aus Potsdam, wie folgt:
l
"Sehr geehrter Herr, Seine königliche Hoheit Prinz Adalbert hatte
zwei Bomben Eis mitgebracht. Wenn uns die Zusammensetzung auch
bekannt ist, so habe ich doch den allerhöchsten Auftrag Sie um ein
genaues Rezept dafür zu bitten. Wollen Sie die Güte haben und das
beigefügte Couvert dazu benutzen. Mit Hochachtung ergebenst
Hofküchermeister Müller"
l
Wie es scheint, war er seiner Sache doch nicht sicher. Einige Tage
vorher war ein Telegramm aus dem kaiserlichen Palais in Potsdam
gekommen:
"Seine Königliche Hoheit Prinz August Wilhelm lassen bitten um
baldgefällige Mitteilung des Rezepts von rosarothen Fruchteis,
welches hochderselbe körzlich zweimal gegessen haben.
Hofmarschallamt Villa Liegnitz."
Ein Besuch Grafes Zuboff
l
Ich erwähnte früher den Namen Zuboff. Ich komme nun auf diesen Herrn
zurück. Eines Tages fragte mich Prinz Adalbert, ob ich für die
nächsten Tage für einen Freund ein Zimmer frei hätte. Als dieser
Freund ankam, stellte ihn mir der Prinz vor als Graf Zuboff. Den
Namen musste ich schon einmal gehört haben. Ich besann mich, konnte
aber nicht zurecht kommen. Schließlich sah ich im Bilderalbum meines
Vaters nach, und richtig, ich fand ein Bild und zeigte es beim Diner
dem Grafen Zuboff mit der Frage, ob er den Herrn kenne. "Das ist
mein Vater", rief er, "wie kommen Sie zu diesem Bild ?"
l
Ich wies ihn
auf die Widmung auf der Rückseite hin und erklärte ihm, daß laut
Fremdenbuch vom Jahre 1894 Graf Zuboff mit Gattin und zwei Kindern,
und mit Dienerschaft im Hotel gewohnt hatte. Nun, meinte er zum
Prinzen: "Dann habe ich schon als kleines Kind in diesem Hotel
gewohnt. Jetzt freue nich erst recht, daß Du mir hier Unterkunft
besorgt hast."
Alles Geschehen ist relativ wichtig!
Im Theater
l
Wegen eines Fussleidens war ich bettlägerig. Da ich es aber nicht
den ganzen Tag im Bett aushielt, hatte mir meine Frau ein Paar
schwarze weiche Lederschue gekauft, so daß ich wenigstens zeitweise
in´s Geschäft gehen konnte. Ich sass gegen Abend im Büro, als der
Prinz hereingestürzt kam. "Gott sei Dank, daß Sie wieder da sind.
Denken Sie nur was mir soeben passiert ist. Ich habe heute mit zwei
ungarischen Damen Tennis gespielt und sie eingeladen, mit mir ins
Theater zu gehen. Ich fuhr zur Theaterkasse, um eine Loge zu
bestellen.
l
Als mir die Kasssiererin sagte, daß leider alle Logen
ausverkauft seien, wollte ich dies nicht glauben, bis sie mich
anfuhr, Platz zu machen für die anderen Leute, die noch Billets
haben wollten. Ich bin ganz verzweifelt und kann die Damen nicht
mehr verständigen. Mein Auto steht draußen und wird sie hinbringen."
l
Bevor ich mich versah, schleppte er mich mit dem Portier zum Auto,
obwohl ich ihm versicherte, daß ich nicht laufen könnte, um ihm zu
seiner Loge zu verhelfen. Im Theater ging ich zu Direktor Julius
Laska und erzählte ihm, daß die Kassiererin den Prinzen, den sie
nicht kannte, angeschnaut habe und der Prinz unbedingt eine Loge
haben müsse.Nun wurde er munter. Er meinte, es komme allein die Loge
des Bezirkshauptmanns in Frage, aber ich müsste ihn darum ersuchen.
Ich telephonierte mit dem Ergebnis, daß er leider die Loge an einen
Sektions-Chef aus Wien verschenkt habe. Schließlich kam ich mit ihm
überein, daß zwei Plätze in der großen Fremdenloge für den
Sektions-Chef freigemacht wurden und der Prinz die Loge bekam.
Hiervon machte ich dem Prinzen Mitteilung und stellte mich vor die
Loge und wartete.
l
Als der Sektions-Chef kam, erklärte ich ihm, daß er die Loge nicht
haben könne, aber in der großen Loge Plätze für ihn reserviert
seien. Er meinte zwar, daß ihn der Prinz nichts angehe, gab sich
aber damit zufrieden. Als der Prinz mit den Damen kam, drückte er
mir die Hand und ließ mich nach Hause fahren. Später fiel er mir um
den Hals und bedankte sich, als ob ich ihn in einer Staatsaffaire
geholfen hätte.
l
Prinz Adalbert wurde jährlicher Stammgast bis 1914. Nach einem
kurzen Besuch beim Herzog von Meiningen teilte er mir mit, daß
Erzherzog Ferdinand d´Éste und Frau in Sarajewo ermordet worden
seien. Ganz verstört nahm er mich bei den Schultern und sagte: "Was
wird aus Euch, Gott schütze Österreich!" - Kriegsgerüchte schwirrten
bereits durch die Welt.
l
Bevor ich fortfahre, möchte ich noch einiges von Gästen und lästigen
Begebenheiten erzählen.
Johann Strauss - der Walzerkönig im Hotel Casino
l
Es war noch zu meines Vaters Zeiten, als Johann Strauss mit seiner jungen
zweiten Frau in den Parterrezimmern Nr. 1 und 2 und 3 wohnte. An dem Zimmer Nr.1
war eine große Veranda. wo er täglich mit seinen Freunden Tarock spielte.
Eines Tages - ich machte den Kiebitz - bekam er ein großes Blatt in die Hand,
sagte 10 Tarock, Pagat und noch anderes an, kurz ein Bombenblatt. Plötzlich
legte er die Karten zusammen, ging einen Augenblick in´s Nebenzimmer und
notierte sich ein paar Takte auf seine Manschette. "So", meinte er dann, "nun
aber los! Die Herren laufen mir nicht davon, aber die Melodie!" Seine
Manschetten waren immer voll mit Noten beschrieben. Zum Abschied schrieb er
meinem Vater die ersten drei Takte der "Schönen blauen Donau" in sein Album.
l
Am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Johann Strauss zu den drei populärsten
Persönlichkeiten der Welt - neben der englischen Königin Viktoria und
Bismarcks. Er hat die alte Welt im Rhythmus des Wiener Walzers vertanzt,
trotzdem er ein sehr ungeschickter Tänzer war.
l
Der zweite Marienbader Aufenthalt des Komponisten mit seiner Familie war 1891
in der Nachbarvilla Newa (Haus Nr.124 in der heutigen Russischen Straße). Vom
dortigen Balkon folgte er den Konzerten einer Militärkapelle im damaligen
schönen Casino-Park (zwischen dem Hotel Casino und der Villa Newa). In dieser
Zeit entstand in Marienbad eine schöne Tradition der Strausschen Konzerte - am
Café Bellevue (wo er selbst im J. 1891 seine Walzer dirigierte), im Kursaal,
am Panorama, beim Waldbrunnen usw. Diese Strausssche Konzerte, die nie in
Marienbad fehlen durften, wurden nach dem Ersten Weltkriege durch Wagnersche
Konzerte verdrängt.
Anton Rubinstein - König der Pianisten
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Anton Rubinstein, der berühmteste Komponist und Klavierspieler, übte täglich
in seinem Salon. Eines Tages trat ich behutsam ein, aber sein Gehör war sehr
scharf, und er drehte sich nach mir um und meinte, sich wegen der
Fingerübungen, die er spielte, entschuldigen zu müssen.
l
Er sagte: "Ja, wenn ich nicht jeden Tag übe, merke ich das sofort, übe ich
aber zwei Tage nicht, dann merkt es das Publikum."
l
Am selben Tag war eine große Überschwemmung in Polen. Zu Gunsten der
Betroffenen gab er im Kursaal ein Konzert und konnte über 3000 Gulden dem
Hilfsfond überweisen. Im darauffolgenden Winter ging er nach Dresden und
wohnte im Hotel Europäischer Hof. Da mich der Besitzer, Herr Sendig, im
gleichen Winter engagiert hatte, trafen wir hier wieder zusammen.
Rubinstein und Haus Sanssouci
l
In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Marienbad glänzende Kurzeiten.
Aus aller Herren Ländern kamen Gäste, die in den waldumsäumten, eleganten
Badeort Heilung und Freude fanden. Da kam an das Bürgermeisteramt die
Nachricht, daß der in aller Welt gefeierte Pianist Anton Rubinstein mit seiner
Familie nach Marienbad kommen wolle; man möge für den Künstler eine passende
Wohnung suchen.
l
Das war schwer jetzt in der Hochsaison. Doch da gerade im Haus SANSSOUCI, das
damals noch einstöckig war und mit seiner ruhig vornehmen Fassade, seinem
eleganten Vestibül sich als ein vornehmes Herrschaftshaus zeigte, gerade eine
Partei abreiste, wurde die Wohnung im I.Stock gemietet.
l
Die Wiener Pianofabrik Bösendorfer schickte einen großen Konzertflügel zur
Benützung für den Meister, und als dieser durch die großen, 4 Meter hohen,
eleganten Zimmer schritt, sein Blick in das ruhevolle Grün des Kurparks
schweifte, war Rubinstein sehr zufrieden und meinte, hier werde er sich
ausruhen können und an seiner Oper "Der Dämon" arbeiten. Rubinstein war von
Marienbad entzückt, und nachdem er sich einige Tage eingelebt hatte, lud er
einige Bekannte zu einer abendlichen Plauderstunde ein.
l
Wie gerne alle kamen, darunter eine Polin mit ihren schönen Töchtern, kann man
sich vorstellen. Der Fürst im Reich der Töne war in glänzenden Laune. Er
fühlte sich sehr wohl in Marienbad, und eine angeregte, geistvolle
Unterhaltung schwirrte durch den Salon.
l
Aber immer wieder streiften die Augen der Gäste den großen Konzertflügel, der
stumm dastand. Der Wunsch, daß ihn des Meisters Zauberhände zum Klingen
bringen möchten, kam wohl aus allen Herzen, sprach aber besonders stark aus
den Blicken der schönen Polinnen. Als der Künstler einen dieser bittenden
Blicke auffing, lächelte er gütig, schritt zum Flügel, öffnete den Deckel und
dann griffen seine Hände in die Tasten. Zuerst leise, wie probierend; aber
dann quoll ein Wohllaut ohnegleichen aus dem Instrument. Rubinstein, der
Pianist von Weltruf, bereitete seinen Gästen eine Feierstunde erlesenster
Schönheit. Alle lauscht glücklich und ergriffen.
l
Da klopfte es hart an der Türe. Die Zuhörer erschraken und wurden jäh aus
ihrer Glücksstimmung gerissen - doch Rubinstein, dessen Seele weltentrückt im
reich der Töne schwebte, spielte weiter. Da klopfte es noch energischer und
eine laute Männerstimme fragte, ob denn nicht bald Ruhe würde, es sei ja schon
spät und morgen früh müsse man ja zeitig zum Brunnen.
l
Da erwachte der Meister aus seiner Weltentrissenheit, er sprang auf und schlug
erregt den Deckel des Instrumentes hart zu. Zerstört war die wunderschöne
Feierstunde - der große Künstler, dem solch Unerhörtes geschehen, war böse.
"Hier kann ich nicht bleiben" rief er aus, "wenn ich keine andere Wohnung
bekomme, reise ich ab!" - Und er wiederholte das auch, als er am nächsten
Vormittag beim Bürgermeister erschien. Doch dem weltgewandten Stadtoberhaupt
gelang es bald, den erzürnten Künstler zu beruhigen. Es wurde gleich Umschau
gehalten nach einer anderen, passsenden Wohnung und nun fand diese in Villa
TRIANON (Hauptstraße Nr. 99). Die schöne am Ende der oberen Kaiserstraße
liegende kleine Villa gehörte einem Advokaten, der für einige Wochen verreiste
und seine ganze Villa zur Verfügung stellte.
l
Hier war es nun der große Künstler zufrieden. Er blieb einige Wochen in
Marienbad, das sein für das Schöne so empfängliche Herz begeisterte. Und als
in dieser Zeit eine kleine Stadt in Marienbads Umgebung (Stadt Plan) von einer
verheerenden Brandkatastrophe heimgesucht wurde, bei der viele Menschen Hab
und Gut verloren und sich die Kurstadt Marienbad an die Spitze der Hilfsaktion
stellte, fand sich Anton Rubinstein gleich bereit, öffentlich in Marienbad für
die Opfer des Brandes zu spielen. Die Matinee im Kursaal wurde das größte
künstlerische Ereignis des Sommers. Von nah und fern kamen die Zuhörer, und
obgleich der billigste Platz 100 Gulden kostete, waren bald alle Sitze
verkauft, und viele, die von weit herkamen, fanden keinen Einlaß mehr. Anton
Rubinstein, ein Fürst im Reich der Töne, spielte hinreißend und wurde von den
begeisterten Zuhörern umjubelt. Dem Hilfswerk aber floß durch die edle,
warmhezige Mithilfe des Künstlers eine große Summe zu..
Zickler Maria "Ein Erlebnis Anton Rubinsteins in Marienbad" - 1950
(Erinnerugen an Marienbad)
Piano BÖSENDORFER ?
l
Anton Rubinstein ist am 20.Juli 1884 nach Marienbad gekommen und wohnte zuerst
im Haus SANSSOUCI, dann in Villa TRIANON (heute Polizei). Der Konzertflügel
von Wiener Pianofabrik Bösendorfer wurde aus dem Haus Sanssouci ins Hotel
CASINO abtransportiert; der Hotelier Christian Viktor Petzoldt hat
wahrscheinlich das Instrument gekauft und Anton Rubinstein übte hier im
Hotelsalon täglich und fleißig. Das haben wir schon gelesen.
l
Was ist mit dem Flügel geschehen ? Es kann unerglaublich werden, wenn wir mit
dem hiesigen Primarius MUDr. Vladimír Køížek, DrSc., den alten Klavier im
Salon der Poliklinik des damaligen Forschungsinstitutes für Balneologie
geöffnet haben (1993), haben wir auf dem Pianodeckel ein Aufschrift "BÖSEN-
DORFER" gelesen. Der alte Flügel, auf welchem der König von Pianisten im Jahr
1884 in Marienbad konzertierte, war vor uns. Dieses Instrument befindet sich
heute im Goethe-Museum auf der Goetheplatz.
Otto´sche Maschine
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Einmal bekam ich ein Telegramm: "Ankomme nächsten Dienstag, reservieret
Einbettzimmer. Otto". Ich ging meine ganze Verwandtschaft durch, fand aber
keinen Otto.
l
Am folgenden Dienstag kam ein Herr an und stellte sich vor "Otto". Ich kannte
ihn nicht, war aber jetzt im Bilde, daß sein Familienname Otto war. Ich führte
ihn auf das Zimmer und während wir Verschiedenes besprachen, kam der Portier
und brachte ein Telegramm für Herrn Ingenieur Otto. er öffnete es und fing an
zu jubeln und führte einen richtigen Veitstanz um mich herum auf.
l
Ich wartete bis er sich ausgetobt hatte. Endlich hielt er mir das Telegramm
vor die Nase: "Da lesen Sie!". Es lautete: "Soeben Ihr Patent nach England
verkauft," - und dann folgte eine Summe, die mir entfallen ist, aber sie war
bedeutend. "Heute abend," sagte er, "sind Sie mein Gast, das Menü überlasse
ich Ihnen." Im scherzenden Ton sagte ich, daß es mir nur leid tue, daß das
Telegramm nicht früher gekommen ist, bevor ich den Preis genannt habe. "Auch
gut," meinte er, "wenn ich eine Freude habe, sollen Sie auch eine haben.
Berechnen Sie mir den doppelten Preis." Herr Otto ist durch seine Otto´sche
Maschine einer der berühmtesten Ingenieure geworden.
Vermutlich geht es um Nikolaus OTTO (1832-1891), Ingenieur-Erfinder u.a. des
Viertaktmotors, sog. Otto-Motor.
Scheck von Lord Lonsdale
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Lord Lonsdale wohnte mehrere Saisons bei mir. Er hatte meist Gäste bei Tisch
und fragte eines Tages, ob er die Kurkapelle zu Mittag spielen lassen kann.
Damals war Direktor Schreyer Kapellmeister. Dieser verlangte für eine Stunde
Mittagskonzert 1 000 Kronen. "Gut," meinte Lord Lonsdale, " sooft schönes
Wetter ist, lassen Sie die Kapelle spielen."
l
Lord Lonsdale hatte ziemliche Einkäufe gemacht u.a. mehrere Kühe und Ziegen,
zwei Sportwagen etc. und alles mußte ich auslegen. Eines Tages fragte ich
seinen Kurier, ob ich die Wochenabrechnung bezahlt bekommen könnte. Ich wies
darauf hin, daß ich schon so viel ausgelegt hätte, daß ich schon gar nicht
mehr wüsste, wie ich meine Lieferanten bezahlen sollte. Der Kurier riet mir,
abzuwarten, da sein Herr nur einmal und zwar bei der Abreise zahlen würde.
Tatsächlich war es so, und ich bekam dann einen so großen Scheck, daß die Bank
ihn bei der Vorlage gar nicht auszahlen konnte, da nicht genug Geld in der
Kasse war. Lord Lonsdale war einer meiner nobelsten Gäste.
Sohn des Generals Dinklage
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Ein ständiger Gast war ein deutscher Rittmeister, Herr von Dinklage, dessen
Vater ein bekannter General im Siebziger Krieg gewesen war. Herr von Dinklage
war Anfang Mai immer einer meiner ersten Gäste. Er reiste mit großem Gepäck
und brachte sogar einen Rauchtisch und einen Teetisch mit allem Zubehör mit.
Gleich nach der Ankunft rief er jedesmal den Hausmeister und ging zum
Leidwesen sämtlicher Stubenmädchen inspizieren.
l
Hierbei holte er sich aus den verschiedensten Zimmern, was er zum Ausschmücken
seines Wohnzimmers brauchte. Auf die schüchternen Einwendungen der
Zimmermädchen, daß die verschiedenen Möbel zum jeweiligen Inventar gehört,
beruhigte er sie mit einem douceur und meinte, daß sie sich, wenn er abgereist
sei, alles wieder holen können. Ich kannte diese Eigentümlichkeiten und ließ
ihn gewähren. Er war ein guter Gast und Liebhaber von Bordeaux-Weinen.
Prager Baronin
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Eine andere Schrulle hatte eine Baronin, eine Sternkreuz-Ordensdame aus Prag.
Der Hausmeister bekam von ihr den Auftrag, so viel wie möglich Fensterwatte zu
kaufen. Sie brachte nämlich Katzen mit, die keine Zugluft bekommen durften. Es
mussten sämtliche Fenster und Türen mit Watte ausgefüttert werden. Komische
Leute, mit denen man manchmal zu tun bekam.
Ein hiesiger Erfinder
l
Ein hiesiger Arzt, Dr. St. , kam oft zum Speisen ins Hotel. Eines Tages hatte
er die Speisekarte vor sich liegen und schrieb emsig auf die freie Rückseite.
Nachdem das Blatt schon ganz vollgeschrieben war, rief er mich und erzählte
mir, daß er eine bedeutende Erfindung gemacht hätte. Neugierig frug ich, ob
ich es wissen dürfe. Nun entwickelte er mir, wie man Schnee chemisch trocknen
könnte und dann zur Verstärkung des Kreuzbrunnens benutzen. Ich war im ersten
Moment starr, er hatte so konfus gesprochen, daß es in seinem Kopf nicht ganz
richtig sein konnte.
Kurze Zeit darauf musste er ins Irrenhaus gebracht werden.
Ein englischer Major
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Ein englischer Major, der mit Frau und Tochter bei mir wohnte, meinte eines
Tages: "Wir Engländer sind doch ein recht unkultivierstes Volk!" Auf meine
Frage, wie er zu einer solchen Meinung über seine eigene Landsleute komme,
sagte er: "Sehen Sie, ich kann in Ihrem Hotel hinkommen, wohin ich will, ich
werde überall Englisch angesprochen. Ob das nun der Portier, Liftboy, Ober
oder Kellner ist, ja sogar die Stubenmädchen sprechen etwas Englisch. Das sind
doch alles kleine Leute, Leute aus unteren Ständen, und sie sprechen Sprachen.
Ich bin zum ersten Mal auf dem Kontinent, bin nie aus England herausgekommen.
Nun merke ich erst, daß wir uns gar nicht einbilden können, daß wir eine
Weltnation sind."
l
Dann erwähnte er einmal, daß er hier ausgezeichnet schlafen könne.
l
Im Herbst bekam ich einen Brief von ihm, den ich aber der schlechten Schrift
wegen nicht entziffern konnte. Ich drehte den Brief hin und her. Er war nicht
zu lesen. Da erinnerte ich mich des Direktors Herzog im Hotel Klinger, der
mehr als zehn Jahre in Amerika gelebt hatte. Ich bat ihn, den Brief zu
enträtseln. Auch er drehte ihn nach allen Seiten. "So eine Schrift habe ich
mein Lebtag noch nicht gesehen." Er bat mich, ihn den Brief dazulassen, da es
ihn interessierte, diesen zu enträtseln. Acht Tage später ging ich zu ihm, und
er meinte: "Einen großen Teil habe ich herausbekommen, aber ganz fertig bin
ich auch nicht damit geworden." Nun setzten wir uns zusammen und verglichen
die Buchstaben, und endlich hatten wir das Resultat. Er wünschte die genauen
Maße des Bettes, in dem er bei mir geschlafen hatte, da er sich in England
hiernach eins bauen lassen wollte.
Eine falsche Amerikanerin
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Eines Tages, in der Nachsaison kam ein Amerikaner und fragte, ob ich für
einige Tage ein Doppelzimmer für ihn hätte. - "Wenn drei Tage genügen, kann
ich dienen. So lange habe ich das Zimmer noch frei.." - "Das genügt mir",
meinte er, "ich komme sofort mit meiner Frau."
l
Bei der Abreise, als er die Rechnung bezahlte, kam seine Frau zu ihm und bat
ihm, er möchte ihr 20 Heller geben. Auf seine Frage wozu, sagte sie, sie
möchte das Personal tippen. Trotzdem es bei mir nicht Sitte war,
Bedienungsgeld zu rechnen, sagte ich nun, daß das Bedienungsgeld berechnet
sei. Sie muckte auf und meinte: "Wir Amerikaner sind nicht gewohnt,
Bedienungsgeld zu bezahlen. Wir tippen das Personal selbst. - Mir schwoll nun
der Kamm. Mit zwanzig Heller ! - "Sie sind ja gar keine Amerikanerin!" - "So ?
Was bin ich densonst ?", fragte sie. Verärgert sagte ich: "Sie sind aus
Lemberg!" - Mit schallenden Gelächter schlug ihr Mann sich auf die Schenk und
rief: "She is really from Lemberg." Zorbebend schoß sie hinaus, und der
Amerikaner bezahlte ohne Widerrede das Bedienungsgeld.
Mein Freund aus der Jugendszeit nach 30 Jahren
Eine Episode aus meine Volontärzeit, die erst dreißig Jahre später endete:
l
Ich war 15 Jahre alt, als mich mein Vater aus der Realschule nahm. Er meinte:
"Du kommst ja doch in der Schule nicht weiter." Durch einen Freund seines
Schwagers Kühn, Besitzer des Hotels Schrieder in Heidelberg, brachte er mich
noch im selben Herbst in Vevey am Genfer See, ins Hotel TROIS COURONNES,
unter, um da das Hotelgewerbe zu erlernen. Harr Schott, mein Prinzipal, war
sehr streng mitunter auch sehr ungerecht. Wir waren vier Volontäre, die wie
Pech zusammenhingen. Einen geregelten Ausgang gab es nicht. Wir mussten uns
den Ausgang erst verdienen und das war so. - Alle 14 Tage mussten zwei Hut
Zucker zu Würfeln geschnitten werden. Zu zweit wechselten wir uns immer ab und
zwar mussten die Zucker-Hüte zuerst in Scheiben gesägt werden, die dann mit
einem Habelmesser in Würfel geschnitten wurden. War es nun aus Sparsamkeit
oder gab es damals in der Schweiz noch keinen Würfelzucker, darauf kann ich
mich nicht entsinnen. Erst dann, wenn die zwei Zucker-Hüte in Würfel
verarbeitet waren, durften wir zur Belohnung ausgehen. Selbstverständlich
waren wir haste was kennste was fertig, um unseren Ausgang nicht zu schmälen.
Wir hatten uns bald zusammengefunden, wie wir uns am besten untereinander
vertrugen. Mein Kumpan war ein Berliner Junge.
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Anderen Ausgang verschafften wir uns dadurch, daß wir abend einfach
ausbrechen. Erwischt durften wir natürlich nicht werden, da dann der Ausgang
für Wochen gesperrt wurde.
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Gut dreißig Jahre später stehe ich eines Tages vor dem Hotel CASINO, als ein
Herr vom Café Egerländer herunterkam und mich schon von weitem mit Namen
anrief. Ich ging ihm entgegen. - "Du heißt doch Pertzoldt ?", fragte er.
Holflos stand ich vor ihm. "Du hast mir im Genfer See das Schwimmen
beigebracht. Mein Name ist Speisewagen-Klicks." - Dabei schaute er am Haus in
die Höhe und fragte: "Gehört dir das Hotel ? Du hast es ja weit gebracht!" Nun
dämmerte es bei mir: Klicks aus Berlin. Sein Bruder, Direktor im Hotel
Continental, hatte meine Anstellung nach Vevey vermittelt.
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Nun erzählte er, daß ihm sieben Speisewagen gehören und vier weitere im Bau
sind. Vier stück habe er sozusagen von seinem Prinzipal geerbt, der ihn
liebgewonnen hatte. Da er nur zwei Töchter gehabt habe, die sehr gut versorgt
waren, hatte er eines Tages einen Hotel kommen lassen und ihm vier Wagen für
einen lächerlich billigen Preis übereignet. Die Kaufsumme sollte erst nach
seinem Tode in Raten an seine Töchter ausgezahlt werden. Noch heute staune ich
über sein fabelhaftes Gedächtnis, umso mehr als ich beim Wiedersehen einen
Vollbart trug.
Ein Petersburger im Hotel
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Zu der Zeit als Großfürst Wladimir, der Bruder des russischen Kaiser, im Hotel
wohnte, war ein russischer Fabrikant, Herr Fechtel, ein alter Stammgast, im
Hotel. Ein älterer, sehr sorgfältig gekleideter Herr, der immer einte
Tuba-Rose im Knopfloch trug. Auch grüßte er nach allen Seiten, wenn er zu
Tisch ging. Dies bemerkte der Großfürst und eines Tages sprach er Herrn
Fechtel an und was ihm fehle. "Mir fehlt nicht viel, Kaiserliche Hohait. Ich
bin mehr zu meiner Erholung hier." - "Denn schneiden Sie wohl mehr den Damen
die Kur ?", sagte lächend der Großfürst. Herr Fechtel sagte mir nachträglich:
"Wenn ich das Gespräch meinen Freunden in Petersburg erzähle, erklären sie
mich für verrückt, denn es wäre ganz ausgeschlossen, daß der Großfürst in
Rußland irgendjemand, der nicht zum Hofe gehöre, ansprechen würde.
Alfred Nobels Abschied
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Anfang der 90-er Jahre war Alfred Nobel, der durch Erfindung des Dynamits
bekannt gewoirden war, als Gast im Hotel CASINO.Als er abreisen wollte, ging
mein Vater und ich auf sein Zimmer, um uns zu verabschieden. Herr Nobel
bedankte sich sehr für die gute Aufnahme im Hotel und nahm dann zu unserem
Erstaunen von allen vier Zimmerwänden einzeln Abschied indem er sich gegen
jede Wand verneigte und sagte: "Adieu du liebe Wand!" Dann trat er auf den
Balkon hinaus und nahm von Marienbad Abschied, indem er sagte: "Adieu, du
liebes Marienbad und du schöner Wald!" - Wir haben den Eindruck gehabt, daß er
nicht mehr ganz normal sei. Ein oder zwei Jahre später ist er gestorben, ohne
Marienbad wieder besucht zu haben.
Der Bräutigam aus Hamburg
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Die Post brachte eines Tages einen Brief, über den mein Vater herzlich lachte,
und den er einsteckte. Zu Pfingsten hatten sich vier fidele Herren aus Zwickau
zu einer Kegelpartie angesagt, darunter auch mein Onkel Rosenbaum. Es wurde
ein opulentes Mittagessen, an dem auch mein Vater teilnahm gereicht und man
war sehr lustig. Da erinnerte er sich an diesem Brief und las ihn vor:
"Unterschriebener ist ein wohlbestallter Magistrats-Beamter in Hamburg und
möchte gern in den Stand der Ehe eintreten. Da ich gehört habe, daß in
Marienbad das Eldorado der Dicken ist, wende ich mich certrauensvoll an Sie
und möchte Sie bitten, mir die Adresse einer solchen dicken Dame bekannt zu
geben. Es ist doch möglich, daß eine solche Dame, die unverheiratet ist, bei
Ihnen wohnt. Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie mir in dieser
Angelegenheit Hilfe leisten können." -
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Unter Jubel wurde dieser Brief unter dem Motto: "Darum prüfe, wer sich ewig
bindet, ob sich nicht noch was dickeres findet," beantwortet.
Alfred Grünfeld
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Alfred Grünfeld war eines Tages mit anderen Künstlern zu einer Jause zu
Madamme Zembrich, einer berühmtern Sängerin, die bei mir wohnte, eingeladen.
Es wurde gesungen und musiziert. Herr Grünfeld ließ sich eine Kleiderbürste
bringen und spielte den Faustwalzer, indem er mit der rechten Hand die
Kleiderbürste benützte. Der Aplaus war natürlich groß, es war ein
Bravourstück. Vielspäter, vielleicht nach 20 Jahren, erinnerte ich ihn
anläßlich eines Konzertes in Karlsbad, im Savoy-Hotel, an diese Sache, wozu er
meinte, daß er damals wohl betrunken gewesen sein müsste.
In der Kriegszeit 1914-1918
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Noch eine andere Sache mit Grünfeld. Eines Tages kam eine Amerikanerin und
fragte, ob ich ein Diner servieren möchte, für 20 Personen, unter Bedingung,
daß das Klavier aus dem Musiksalon in die Marmorhalle gebracht wird. An dem
betreffenden Tag war auch Herr Alfred Grünfeld eingeladen. Die Suppe war
serviert - ich stand mit einem Herr im Vestibül im Gespräch - da huschte Herr
Grünfeld in Hut und Mantel an uns vorüber und verschwand. Später erst erfuhr
ich die Ursache, daß er wohl befürchtete zum Spielen aufgefordet zu werden.
Wer Herrn Grünfeld näher kannte, wusste, wie erpicht er auf sein Honorar war
und es wird ihm wohl das Diner allein nicht genügt haben. Ich erinnere mich,
daß im ersten Augenblick die ganze Gesellschaft auf der Suche nach Grünfeld
war.
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Immer mehr bekam nun auch Marienbad den Krieg zu spüren. Der Besuch wurde
immer schwächer, die Lebensmittel wurden nach und nach knapp. Die Verbote
wurden zwar durchbrochen, aber es wurde schließlich unmöglich auch den
kleinsten Ansprüchen der Gäste nachzukommen. Diese Zeit war schrecklich - auf
der einen Seite die Verbote, auf der anderen Seite die Gäste, welche verpflegt
werden wollten.
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Prinzessin Stephanie blieb auch während des Krieges mein treuer GaST: In den
ersten beiden Jahren ließ sie oft große Körbe mit belegten Broten füllen, um
sie an den Zügen an die von Eger aus an die Front gehanden Soldaten zu
verteilen. Später ging auch das nicht mehr, nachdem wir Lebensmittelkarten
erhalten hatten. Von ihren belgischen Verwandten sprach sie nicht zweimal
gut^, sie war doch eine gute Österreicherin geworden. Während des ganzen
Krieges unterhielt sie in Oroszvar ein Spital und schickte mir auch eines
Tages ihr Bild in Schwesterntracht.
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Nach vier Jahren waren wir durch den Hunger auf die Knie gezwungen worden.
Bedeutende Reparaturen und Neuschaffungen standen mir bevor, andererseits
waren die Schuldzinsen sehr hoch ange schwollen.
Verkauf des Hotels CASINO
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Meine Frau hatte der Krieg schwer mitgenommen, so daß ich beschloss das Hotel
bei nächsten Gelegenheit zu verkaufen. Diese Gelegenheit kam bald. Eines Tages
sassen wir beim Nachmittagskaffee, als ein Herr den Kopf zur Tür hereinsteckte
und sagte: "Wollen Sie 1 500 000 Kronen für das Hotel - ich bin sofortiger
Kaufer!" Meine Antwort war: "Nein." - Er trank mit uns eine Tasse Kaffee,
nachdem er sich als Herr Rosner vorgestellt hatte. Einige Wochen später kam
der Verkauf zustande zum Preis von 1 650 000 Kronen.
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Im Oktober 1919 übergab ich das Hotel an die Firma Rosner & Co., Prag Silber,
Wäsche und Porzellan wurde nach dem Inventar übergeben, die Zimmer komplett
eingerichtet. Vorräte aller Art waren nicht einbegriffen, darunter auch die
Weine. Die Gesellschaft erbat sich für die Vorräte Bedenkzeit bis Anfang
November 1919. Ich bot den ganzen Weinvorrat, worunter viele Qualitätsweine
waren, um mir die Mühe des Einpackens zu ersparen, mit 30 000 Kronen an.
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Österreich war inzwischen aufgeteilt worden, wir waren tschechenangehörig
geworden und hatten tschechische Währung erhalten. Unverständlicher Weise
wurde der Wein nicht übernommen. Ich bot ihn nun meinen Kollegen an und in
wenigen Tagen war der Keller geräumt. Ich habe 54 000 Kronen eingenommen. So
ist es, wenn Unverstand vorherrscht - sie waren keine Hotelfachleute und
konnten das Hotel auch nicht halten. Aber Glück hatten die doch, denn der
Tschechoslowakische Staat übernahm von ihnen nach einigen Jahren das Hotel zum
Preis von 2 500 000 Kronen. Freilich hatten sie mehr als für 1 Million
hineingebaut.
Wieder im Hotelbetrieb - in Karlsbad
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Ich war nun frei, mietete in der Villa Hammerschmied eine Wohnung, aber nur
wenige Monate war mir Ruhe vergönnt. Gegen Ende Juni 1920 trat Generaldirektor
Wei der Hotel und Bäder A.G. an mich heran, ob ic nicht das Hotel Savoy in
Karlsbad führen wollte. Ich hatte keine große Lust, noch zumal meine Frau
gerade eine Operation hinter sich hatte. Er meinte, er sei unterrichtet, aber
er wisse auch, daß ich am heutigen Tage meine Frau abhole, da sie in
häuslicher Pflege bleiben könnte. Kurz und gut, er setzte mir so zu, daß ich
um Bedenkzeit bat, bis ich mit meiner Frau gesprochen hatte. "Ich komme morgen
früh um 9 Uhr, um mir Ihre Antwort zu holen." Damit ging er. - Am selben
Nachmittag holte ich meine Frau aus dem Krankenhaus und teilte ihr meine
Unterredung mit. Wir wurden ening, daß ich die Stelle annehmen soll. Am
nächsten Morgen bat mich Direktor Weil meine Bedingungen zu stellen. Ich
verlangte 35 000 Kronen für die Sommermonate und wir wurden einig, daß ich den
Posten am 23. Juni antrete. Um mir das Hotel zu zeigen, fuhren wir noch am
gleichen Tag nach Karlsbad.
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Nach kurzem Einblick in den Betrieb war es mir klar, warum er solche Eile
hatte. Der bisherige Direktor hatte infolge einer im Kriege erlittenen
Kopfverletzung vollkommen versagt. So nahe ich Ende Juni die Tätigkeit auf,
während meine Frau noch in Marienbad blieb. Sie hat später das Economat
geführt, wofür ihr ebenfalls 10 000 Kronen bewilligt waren.
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Ende der ersten Saison wurden die Aktien der Hotel und Bäder A.G. an den
Prager Trabrennverein verkauft, an dessen Spitze ein gewisser Herr Bauer
stand. Die Ansichten dieses Herrn über Hotelführung, wovon er nichts verstand,
veranlassten mich, nachdem ich vier Jahre das Hotel geleitet hatte, wieder
abzutreten, womit ich auch meine Hotelierlaufbahn beendete. Das Hotel Savoy
hatte bis 1923 ausgezeichnet gearbeitet und auch hier hatte ich bald wieder
ein auserlesenes Publikum herangezogen. Unter anderen hatte sich auch
Präsident T.G.Masaryk in das Hotelbuch eingetragen. Das Jahr 1923 brachte, wie
nach dem Wirtschaftsniedergang in der ganzen Welt zu erwarten war, schwere
Enttäuschungen, so daß ich mich entschloßen hatte, die zwei Depandancen Villa
Cleopatra und Carlton überhaupt nicht zu öffnen. - Der Pariser Zug hatte
aufgehört zu verkehren. Die internationale Züge waren zu größten Teil
eingestellt, was für mich besonders schlimm war, da meine Kundschaft zu 90
Prozent aus Ausländern bestand.
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Während wir in den letzten Jahren nur unser Winterquartier in Marienbad gehabt
hatten, übersiedelten wir jetzt wieder ganz nach dort, aler es sollte mir auch
jetzt nicht gelingen als Privatmann zu leben.
Aus Karlsbader Hotel Savoy
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Eines Tages kam eine Dame und bat mich ihre in tschechisches Schriftstück zu
übersetzen. Ich antwortete ihr, daß ich hierzu leider nicht im Stande bin, da
ich die tschechische Sprache nicht beherrsche. Darüber war sie aufgebracht und
meinte, er wäre ungehört, daß ich meine eigene Landessprache nicht verstände.
Scheinbar hatte sie auch bei verschiedenen Ange stellten schon angefragt und
es hatte ihr niemand helfen können. Ich beruhige sie und sagte, daß ich ihr
unsere Lage an einem Beispiel erklären möchte. Ich erzählte ihr nun, sie
möchte einmal annehmen Amerika und Japan erklären sich den Krieg. Japan
besiegt Amerika und wird Herr des Landes. Auf meine Frage, ob sie dann in der
Lage wäre ein Schriftstück der neuen Regierung zu übersetzen, musste sie auch
klein laut den Kopf schütteln.
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Wir waren aber in dieser Lage. Durch den unglückseligen Krieg wurden wir aus
poitischem Unverständnis uns Hass einem Lande zugewiesen, dessen Sprache wir
nicht verstanden. Plötzlich gab sie mir die Hand und wollte sich
entschuldigen, zog sie dann wieder zurück und sgate: "Ich wollte Ihnen nicht
weh tun und bin nicht wert Ihnen die Hand zu geben."
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Einer meiner Gäste, ein amerikanischer General, dessen Name mir entfallen ist,
war während des Weltkrieges Adjutant beim Oberkommandierenden der
amerikanischen Truppen Pershing. Eines Tages fragte er mich gesprächsweise,
wer nach meiner Meinung in der Armeeführung der Entente ausschlaggebend
gewesen sei, daß der Weltkrieg gewonnen wurde. Auf meine Antwort, daß dies
wohl Marschall Foch gewesen sei, sagte er: " Nein! Wir Amerikaner haben den
Weltkrieg gewonnen. Nachdem wir von den Französen und Engländern anfangs nur
als Kanonenfutter verwendet worden waren, drohte Pershing seine Armee von der
Front zurück zu ziehen. Hierüber war große Bestürzung bei den Alliierten
gewesen, aber es ist ihnen nichts anderes übrig geblieben, als Pershing
entscheidenden Einfluß auf den Einsatz der Vereinigten Heere zu geben. So
wurde er für Deutschland, angesichts der ÜBermacht, aussichtslos den Krieg zu
gewinnen." -
Wie ich zu dem Segen vom Papst gekommen bin:
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Eine ältere amerikanische Dame, die im vierten Stock ein Zimmer nahm, teilte
mir eines Tages mit, daß sie die einzige amerikanische Prinzessin sei. Auf
meine Frage erklärte sie mir, daß sie den Titel vom Papst bekommen habe. Sie
war für sich sehr geizig, schien aber doch für die katolische Kirche viel Geld
auszugeben. Einiger Zeit darauf kam sie zu mir undsagte, daß sie bald ihren
Geburtstag feiere und sie gewohnt sei hierzu ein Geschenk zu bekommen. Es
blieb mir nichts übrig, als ihr eine Torte und Blumen zu schenken. Als sie
sich bedankte und auch sonst bei jeder Gelegenheit versuchte sie mich zum
katholischen Glauben zu bekehren. Eines Tages wurde es mir aber zu dumm und
ich verbat mir ihre Bekehrungsversuche. Als Antwort hierauf erhielt ich in der
Weihnachtszeit ein Ablasschreiben des Papstes für mich und alle meine
Angehörigen für alle Zeiten. Wahrscheinlich wollte sie mich hierdurch für ohre
Kirche gewinnen. Der Ablass und Segen des Papstes hängt unter Glas und Rahmen
heute noch über meinem Schreibtisch.
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Noch während des Weltkrieges bekam ich eines Tages einen Brief vom
Kammerdiener Meinking des Prinzen Adalbert, von dessen Minensuchboot HUMOR.
Ein netter Name für ein Kriegsschiff. Er teilte mit, daß der Prinz jetzt
dieses Boot kommandiere. Er beschrieb, daß vor einigen Tagen der Kaiser an
Bord gewesen ist, um es zu besichtigen. Sie waren durch das ganze Schiff
gegangen und zuletzt hatte der Prinz auch seine Kabine gezeigt und gesagt, daß
sie soch sehr klein sei und er sich kaum herumdrehen könnte. "Noch viel zu
groß für Dich," hatte der Kaiser geantwortet. Ferner unterrichtete er mich,
daß der Pronz in nächster Zeit seine Köchin zu mir schicken möchte, damit
diese besonders die Gemüse richtig kochen lerne. Der Prinz würde mir jedoch
nocch selbster schreiben. Kurze Zeit später kam auch dieser Brief, mit der
Bitte, seine Köchin für echt österreichischer Art kochen zu lernen. Sie kam
dann auch und wurde ordentlich in die Schule genommen.
Meine Tätigkeit in Marienbader Dampfwäscherei
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Ich trat nun in das Privatleben ein, aber ganz sollte es mir doch noch nicht
gelingen. Ich hatte einen Anteil an der Marienbader Dampfwäscherei, die von
acht Hoteliere gemeinsam im Jahre 1911 gebaut und 1912 in Betrieb genommen
worden war. Da der bisherige Leiter kränklich war und ich doch nichts zu tun
hatte, bot man mir an die Leitung zu übernehmen. Hierfür musste ich natürlich
umlernen und mich mit Maschinen befassen. Aber ein Ingenieur bin ich nicht
geworden und werde es auch niemals werden; einen Begriff davon habe ich aber
doch bekommen. Ende 1936 habe ich mich dann endgültig von jeder geschäftlichen
Tätigkeit zurück gezogen. 20. September 1937 feierte ich 75.
Lebensjahrjubiläum.
Diese Erinnerungen hat Viktor PETZOLDT bei seinem Aufenthalt beim Sohn Eduard
Petzoldt in Berlin in September 1938 gefertigt. Beendet den 1.Oktober 1938
Berlin-Nikolassee."
"Auf Grund der Erklärung vom 2.
August 1875 wird die Dienstbarkeit des Fußsteiges und der
Durchführung des Deratskanals über die ... Bauparzelle des Hauses NC
123 in Marienbad angemerkt."
"Auf Grund des Kaufvertrages von
13. Januar 1877 wird das Eigenthumrecht für Christian Viktor
Petzoldt einverleibt."
"Auf
Grund der Ausfertigung des Notariatsaktes vom 10. October 1899 wird
das Eigenthumsrecht für Viktor PETZOLDT einverleibt."
"Auf
Grund des Kaufvertrages vom 28. Dezember 1919 wird das Eigentumrecht
für die offene Handelsgesellschaft, Internationales Sanatorium
CASINO Prof.Dr.Mladìjovský und Rosner in Marienbad
einverleibt."
"Auf
Grund des Notariatsaktes vom 23. Dezember 1920 und des
Fundatsregisterungsendes am 16. Feber 1920 wird das Eigentumrecht
für Marianne Rosner durch das Belastungs- und
Verausserungsverbot einverleibt."
"Auf
Grund des Trauungsscheines vom 6. November 1921 wird der, der
Marianne Rosner durch Verehelung zukommende Name BECK
angemerkt."
Übernahme für staatliche Besitz -Tschechoslowakischer Staat durch
den Kaufvertrag: "Podle smlouvy trhové z 31.12.1924 ... vkládá se
právo vlastnické pro "Èeskoslovenský stát".
"Auf
Grund der Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung der für den
ehemaligen tschechoslowakischen Staat eingetragene Rechte vom 18.
August 1940 und des Erlaßes des Reichsministers der Finanzen vom 9.
Mai 1940 wird das Eigentumrecht für das Deutsche Reich -
Reichsfinanzverwaltung einverleibt." (Eingelangt am 1. October
1940)
"Auf
Grund des Kaufvertrages vom 23. März/ 10. Juni 1943 wurd das
Eigentumrecht für Nationalsozialistische Deutsche Arbeitspartei
vertreten durch Reichsschatzminister einverleibt." (Eingelangt am
28. Juli 1943)
Eingelangt den 5.9.1946: "Podle pøípisu správní komise v Mariánských
Lázních z 3.9.1946 se dùm èp.123 CASINO jmenuje "Státní
balneologický ústav výzkumný a vyšetøovací v Mariánských Lázních." (Umbennenung
des Hauses)
Nach dem Dekret des Presidents der Republik vom
27. Oktober 1945 wurde das Eigentumrecht NSDAP ausgelöscht und das
staatliche Eigentumrecht (ÈSR) erneuert. (Eingelangt erst 21.
3. 1955) .
Eingelangt den 20. März 1956: "Die Staatsverwaltung auf
Forschungsinstitut für Bäderwesen in Marienbad sich überführt."
In Jahren 1968-1992 nannte man in der
Forschungsinstitut für Balneologie die hiesige Klinik als PELNÁØ
nach dem berühmten Prager Akademiker Josef Pelnáø. Im Jahre 1992
wurde dieses Institut ausgelöst. Das Gebäude hat die Kommerzialbank
als neuer Besitzer übergenommen und das bleibt bis 1997 verlassen.
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In der Umgebung von Marienbad, unweit vom Stift Tepl lag ein Dorf Namens Sct.
ADALBERT. Der Tepler Schul lehrer Franz KLEMENT schrieb darüber in seiner
Heimatkunde "Der politische Bezirk TEPL" (1878) sehr interessantes. Damals hatte
die Gemeinde 24 Häuser, 158 Einwohner, eine Kirche zum hl.Adalbert und eine
einklassige Schule.
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Die Kirche stand schon vor dem Jahre 1589 und wurde vom Abt Matthias Göhl
neuerbaut, sie wurde 1664 vom Abt Wilfert I. erweitert und mit einem Turm
versehen. Aus den Jahren 1722-1723 stammten die steinernen Statuen zu Ehren der
vier böhmischen Landespatronen hl. Johann von Nepomuk, hl.Veit, hl. Prokop und
hl. Wenzel. Noch im 18. Jahrhundert pilgerten Prozzesionen von Wallfahrern aus
den Nachbardörfern und vor allem aus dem Stift Tepl in diesen Ort. An den
Festtagen der böhmischen Landespatronen wurde die Prozzesion vom Stift Tepl aus
oft von den jeweiligen Stiftsabten selbst angeführt. Im Jahre 1857 wurde die
Lokalie Skt.Adalbert zur Pfarrei erhoben.
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Warum und wann entstand der Ortsname nach dem zweiten böhmischen Bischof hl.
Adalbert ?
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Dazu schrieb F.KLEMENT im Jahre 1878:
"Alten Überlieferungen zufolge soll der hl. Adalbert nach seiner Rückkehr aus
Italien einige Zeit an dem Orte, wo jetzt Sct.Adalbert steht, verweilt haben,
welchem Umstande die Entstehung des Namens Sct.Adalbert zuzuschreiben wäre.
Eine Quelle, unweit der Kirche, heißt heute noch der Wojtìchbrunnen (Adalbertsbrunnen).
Aus diesem soll der hl.Adalbert getrunken haben, weshalb dort eine Bildsäule zu
Ehren dieses Heiligen errichtet und dieselbe von vielen Wallfahrern besucht
wurde.
Das Dorf selbst entstand erst im 18. Jahrhundert. Früher bestand bloß ein
kleines Häuschen neben der Kirche, das ein Einsiedler, der den Messnerdienst
versah, bewohnte. Der erste bekannte Bewohner dieses Häuschens war Johann Haas,
der es 1694 bezog. Da er in seinen freien Stunden den Kindern der Nachbardörfer
Unterricht erteilte, wurde er allegemein der Schulmeister genannt.
Sein Ende wurde durch Diebe, die ihn des Nachts überfielen, herbeigeführt.
Obwohl seine Tochter sich durch die Flucht rettete und nach dem nahen Dorfe
Weserau um Hilfe eilte, kamen die Weserauer doch zu spät und Haas starb noch in
derselben Nacht an den erlittenen Wunden. Er wurde in der Kirche vor dem
Seitenaltar Sct. Martins begraben. Seine Ruhestätte bezeichnet ein Stein.
Das Häuschen, welches dem Stift Tepl gehörte, kam dann käuflich an den
Schuhmacher Adalbert Platzer (+ 30. Jänner 1794). Johann Michl Popp aus
Habakladrau ehelichte die hinterlassene Witwe und wurde als erster Schullehrer (für
die Orte Weserau und Prosau) in Sct. Adalbert angestellt, das schon im August
1789 einen Seel-sorger P. Thomas Beran erhalten hatte und nach und nach durch
neue Ansiedlungen vergrößert wurde."
Beim 950.Todestag des hl.Adalbert, wurden auch in der Tepler Gegend unter der
Leitung des Prelaten Herrmann Josef Tyl größere Gedenk- festlichkeiten
durchgeführt. Wallfahrerprozessionen aus dem Stift Tepl zogen nach dem
Wallfahrtsort Sct.Adalbert, welcher dadurch wieder gute Zeiten erlebte.
Leider nicht lange. In den 50er Jahren wurde das Dorf Sct.Adalbert geräumt und
diente von Zeit zu Zeit als Schießstätte für tsch. Minen-werferabteilungen. Im J.
1959 wurde durch besagte militar. Aktion auch die hiesige historische Kirche dem
Erdboden gleichgemacht. Das alles wur- de ohne historische Bauunter-suchungen
und Bewertungen vollführt. Die vier historischen Statuen wurden in das Stift
Tepl, welches damals als Kaserne diente, auf Prelatur-garten überführt. Seit
dieser Zeit blieb ein großer Haufen von Steinen und Ziegeln, wo früher die
Kirche stand. Das historische Kircheninterieur wurde später (1975) von Herrn
Vladimír Kajlík in verschie-denen Kirchen und Museen gesucht. Vergebens.
Thomas Alva Edison erfand 1876 das Kohlenkörnermikrofon und damit verbesserte
er das Bellsche Tele-phon. Im J. 1878 erfand er den Phonograph, 1879 die erste
elektrische Glüh-lampe (Kohlenfaden - lampe), 1880 die erste von einer
Dampfmaschine angetriebene Dynamo-maschine zur Erzeu gung des elektrischen
Stroms, 1881 die erste elektrische Beleuch-tungsanlage in großem Stil. Im Jahre
1905 erfand er den Akkumulator.
Im Jahre 1911 hat T.A.Edison einen Besuch in Marienbad gemacht. Er ist aus Prag
mit der Familie in zwei Autos gekommen und ist im neuen Hotel Esplanade
abgestiegen. Er war 64 Jahre alt, hat eine Besichtigung des Kurortes gemacht und
schrieb sich in das Goldene Buch Marienbads: "Einen schöneren Kurort habe ich
noch nie gesehen." Das heutige Hotel ESPLANADE ist leider schon sieben Jahre
ausser Betrieb. Die begonnenen Bauarbeiten wurden eingestellt.
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Nikolaj Semjonoviè LESKOV war auch in Böhmen, in Prag und er war auch zweimal
zur Kur in Marienbad. Zum erstenmal wohnte in Hotel Casino, kurz nach seiner
Eröffnung (1875), der zweite Kuraufenthalt (1884) verbrachte im Haus Heller (No
178). Bei der Heimreise im Juli 1884 er seuzfte sich: "Wunderschöne, angenehme
Stadt! Ich werde nie mehr so "frisch und frei" wie hier in Marienbad !"